Weiße Ikea-Lampen hängen von der Decke, an der Wand hängen Schilder mit goldenen arabischen Schriftzügen. Etwa 50 Männer sitzen auf dem bordeauxfarbenen Teppich im Görlitzer Kulturzentrum "Assalam". Es ist eng, die Gläubigen verteilen sich auf zwei Räume. Nicht jeder kann den Imam sehen - und nicht jeder hier problemlos der arabischen Predigt folgen.
"Für die Brüder, die kein Arabisch sprechen - ich würde versuchen, mal zu übersetzen: Das Thema heute war das Fasten."
Es ist Ramadan, eine der fünf Säulen des Islam. Wie überall auf der Welt nehmen auch Görlitzer Muslime tagsüber weder Nahrung noch Flüssigkeit zu sich, um sich abends zum Fastenbrechen zu treffen. Der Imam habe, so die Zusammenfassung, die Bedeutung des Ramadan für die Gläubigen betont. Dann stellen sich die Männer in Richtung Mekka auf, zum Gebet.
Der Verfassungsschutz und die Muslimbrüder
Die Zahl der Muslime in Görlitz war lange äußerst überschaubar. Bis 2015 eine große Anzahl von Flüchtlingen nach Deutschland kam - und damit auch nach Görlitz.
Die Frage, wo Muslime in Görlitz beten können, ist heikel: Anfang 2017 wurde schon einmal ein Gebetsraum eröffnet, doch der musste nach kurzer Zeit geschlossen werden. Aus baurechtlichen Gründen - der Raum war nicht als Versammlungsstätte für eine große Zahl von Menschen geeignet. Betreiber war die Sächsische Begegnungsstätte mit Sitz in Dresden. Eine laut eigenem Internetauftritt "Multikulturelle Begegnungsstätte unabhängig von Ethnie, Nationalität, Religion oder Sprache". Die Organisation wird jedoch vom sächsischen Verfassungsschutz beobachtet, der sie den Muslim-Brüdern zurechnet. Der Verfassungsschutz schreibt in seinem aktuellen Bericht:
"Die Mehrheit der bisher bei Veranstaltungen der Sächsischen Begegnungsstätte beziehungsweise in deren Objekten aufgetretenen Redner, Referenten oder Gast-Imame wiesen Bezüge zur Muslimbrüderschaft oder ihr zuzurechnender beziehungsweise nahestehender Organisationen auf. Es besteht Grund zu der Annahme, dass es sich hierbei nicht nur um sporadische Netzwerkkontakte handelt. (Vielmehr deuten diese Umstände darauf hin, dass den Auftritten eine entsprechende Koordinierung mit Verantwortlichen der Muslimbruderschaft beziehungsweise ihrer Deutschlandvertretung Islamische Gemeinschaft in Deutschland vorausging.)"
"Ich habe mit diesem Verein nichts mehr zu tun"
Der neue Gebetsraum ist die Gründung eines neuen Vereins namens "Assalam", in dem auch nicht-muslimische Görlitzer engagiert sind. Der Verein habe nichts mit der Sächsischen Begegnungsstätte zu tun, sagt der "Assalam"-Vereinsvorsitzende Reda Errafi. Er lebt seit sechs Jahren in Görlitz und war auch 2017 beim Gebetsraum involviert.
Er erzählt: "Ich wurde angerufen, von Leuten, die sogar hier sitzen, ob ich einen Vertrag übersetzen kann und seitdem habe ich einfach mal die Kommunikation (übernommen). Und wir haben viel Geld auch in dem alten Projekt investiert und deswegen wollten wir das nicht so schnell aufgeben. Aber als es klar war, dass es alles mit Verfassungsschutz und so weiter, da habe ich einfach die Zusammenarbeit beendet. Und seitdem habe ich auch mit diesem Verein nichts mehr zu tun."
Es war Errafi, der nach der Predigt die Worte des Imams ins Deutsche übertragen hat. Der Ingenieur aus Marokko hat in Karlsruhe studiert, arbeitet in Görlitz beim Waggonhersteller Bombardier.
Jeder ist willkommen
Als die Görlitzer Muslime im vergangenen Jahr wieder ohne Gebetsraum dastanden, entbrannte eine öffentliche Diskussion. Auch Stefan Waldau hat sich daran beteiligt. Er ist an diesem Tag zu Gast beim Freitagsgebet. In einem Essay für die Lokalzeitung setzte er sich für die Gleichbehandlung der Religionen in seiner Heimatstadt ein. Und wurde daraufhin in einem Buchladen angesprochen, ob er den Muslimen nicht helfen könne.
Waldau sagt: "Es gab auch den Vorwurf der Verbindung zur Muslimbrüderschaft, die in Sachsen unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht. Und da habe ich gesagt, ich mache was; unter der Bedingung, dass diese Verbindung aufgelöst wird. Das ist geschehen und da habe ich mich auf den Weg begeben. Und, ja, ich kenne viele Leute, ich war in Görlitz Kulturamtsleiter viele Jahre. Und da weiß man, wie viele Dinge laufen und an wen man sich wenden muss."
Alles sei relativ schnell gegangen, sagt Waldau. Bei seinen Anfragen zur Unterstützung für ein muslimisches Kulturzentrum habe er in Görlitz offene Türen eingerannt. Ein Architekt habe kostenlos geholfen. Waldau selbst wird demnächst im "Assalam" Deutschkurse geben, die noch im Juni beginnen sollen. Im Juli ist ein Grillfest geplant, außerdem Vorträge und Stadtrundgänge für Neu-Görlitzer, sagt Reda Errafi. Alles finanziert aus Spenden. Es soll ein offenes Zentrum werden, jeder sei hier willkommen. Und er habe das Gefühl, das "Assalam" sei auch in Görlitz willkommen.
"Bis jetzt muss ich sagen, die Leute mit denen ich gesprochen habe, beim Sport zum Beispiel haben wir drüber gesprochen, die finden die Idee gut. Dass es ein offenes Zentrum auch für Andersdenkende oder auch für Ur-Görlitzer, die das mitgestalten. Und da finde ich, dass die Leute das auf jeden Fall gutheißen. Oder die meisten. Also bis jetzt habe ich keine ablehnenden Wörter gehört, außer bei Facebook."
"...und von der AfD", ergänzt Waldau.
"Wir wollen nicht gegeneinander stehen"
Ein Landtagsabgeordneter der AfD macht Stimmung gegen das "Assalam", behauptet, es bestehe weiter eine Verbindung zu Islamisten. Ihn wollen sie demnächst ins "Assalam" einladen. Stefan Waldau als bekennendem Christen geht es bei seinem Engagement auch um das Zusammenleben zwischen den Religionen.
"Was einem der geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan."
Zitiert er aus dem Matthäus-Evangelium.
"Und wenn immer das christliche Abendland beschworen wird, dann sage ich: Ja, das finde ich gut. Aber dann müssen wir uns auch entsprechend verhalten. Dann kann ich mich nicht im Bundestag hinstellen und sagen 'die Mädchen, die Kopftuch tragen, und die Jungen, die mit dem Messer in der Tasche rumlaufen und andere Taugenichtse'. Dann mache ich das, was alles kaputt macht. Dann hebe ich dieses christliche Abendland, auf das sich die AfD ja gern beruft, dann hebe ich das auf."
Die muslimische Welt im Kleinen
Noch ist die Betmöglichkeit im Kulturzentrum eine Neuigkeit, die sich nach und nach herumspricht bei den Muslimen aus aller Welt, die in Görlitz und Umgebung leben.
Vor dem Krieg ist Musab Alali aus Syrien geflohen, vor dreieinhalb Jahren. Er hat Deutsch gelernt, sein Medizinabschluss ist inzwischen anerkannt, er arbeitet im städtischen Klinikum. Ihm habe in all der Zeit das Freitagsgebet sehr gefehlt, sagt Alali.
Er sagt: "Also leider konnte ich nicht, deshalb war ich nicht zufrieden, war ich nicht ruhig. Deshalb habe ich überlegt, ob ich in eine andere Stadt fahre. Aber jetzt bin ich zufrieden."
Gemeinsam beten Männer aus Syrien, Libyen, Marokko, Eritrea. Rahman aus Afghanistan ist zum ersten Mal dabei - und wohl auch zum letzten Mal, wie er sagt.
"Ich bin ein bisschen später gekommen, und der Imam oder Wissenschaftler spricht auf Arabisch. Ich verstehe kein Arabisch. Und ich bin Schiit. Schiiten glauben, dass das Freitagsgebet nicht Pflicht ist. Für Schiiten ist es freiwillig. Deswegen habe ich keine Lust, wiederzukommen."
Die muslimische Welt im Kleinen - da stellt sich auch die Frage nach den an diesem Tag nicht anwesenden Frauen. Auch Stefan Waldau hat sie gestellt. Für Frauen ist das Freitagsgebet im Islam nicht Pflicht. Wenn, beten Frauen und Männer getrennt, erklärt Reda Errafi. Und das sei momentan vor allem ein Platzproblem. Aber so schnell wie möglich wolle man für die Frauen einen Nebenraum herrichten.