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Offene Gesellschaft muss "gewisse Demütigungen ertragen können"

Er werde sich einem gesetzlichen Verbot der Zurschaustellung von DDR-Symbolen nicht entgegen stellen, sagt Arnold Vaatz Vizechef der Unionsfraktion im Bundestag und Sprecher der ostdeutschen CDU-Abgeordneten. Gleichwohl ließe sich der Geist der Ewiggestrigen durch ein Verbot von Militaria nicht ändern.

Arnold Vaatz im Gespräch mit Martin Zagatta | 25.05.2013
    Martin Zagatta: Nachdem jetzt ein Aufmarsch von Männern in Stasi-Uniformen, in Uniformen eines Wachregiments der DDR-Staatssicherheit, in Berlin für Empörung gesorgt hat, fordern nun auch Unionsabgeordnete und Politiker der FDP ein solches Verbot von DDR-Symbolen, ein Gesetz, das das Tragen oder die Zurschaustellung solcher Symbole verbietet. Arnold Vaatz ist stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und auch Sprecher der ostdeutschen CDU-Abgeordneten. Guten Morgen, Herr Vaatz!

    Arnold Vaatz: Guten Morgen, Herr Zagatta!

    Zagatta: Herr Vaatz, steht so ein Verbot ernsthaft zur Debatte, wird es ein solches Gesetz geben, oder ist das jetzt eher eine folgenlose Empörung?

    Vaatz: Nein, also es steht schon lange ernsthaft zur Debatte, und es wird auch weiter ernsthaft zur Debatte stehen, und ich schließe überhaupt nicht aus, dass es tatsächlich ein solches Verbot gibt, ob jetzt noch im Rest dieser Legislaturperiode oder der nächsten Legislaturperiode, wird man sehen. Aber auf alle Fälle, die Diskussion darüber schwillt jetzt an, und man wird mal sehen, was dabei rauskommt.

    Zagatta: Sie werden sich für ein solches Verbot einsetzen?

    Vaatz: Ich werde auf alle Fälle mich nicht dagegen aussprechen, wenngleich ich nicht verhehlen will, dass es Für und Wider dafür gibt.

    Zagatta: Warum sprechen Sie sich nicht dafür aus als Sprecher der ostdeutschen Abgeordneten? Ist da die Meinung so geteilt?

    Vaatz: Nein, nein, also im Grunde sind wir alle der Meinung, dass wir etwas tun sollten, um die Gefühle der SED-Opfer vor Verletzung zu schützen. Und da kann ein solches Gebot hilfreich sein – und ich habe nicht gesagt, dass ich mich dagegen ausspreche, sondern ich habe nur gesagt, dass es eben auch Bedenken gibt, die berücksichtigt werden müssten dabei.

    Zagatta: Der CDU-Bundesparteitag hat sich ja schon vor geraumer Zeit einer solchen Verbotsforderung angeschlossen. Warum wird dieser Beschluss dann von der Union im Bundestag nicht umgesetzt? Gibt es da Widerstände?

    Vaatz: Ernsthafte Widerstände gibt es nicht. Ich sage mal so, es hat eben diesen Anlass, diesen plakativen Anlass, der jetzt zu der Diskussion führt, eben nicht gegeben. Und jetzt, nachdem dieser Aufmarsch da geschehen ist vor dem Treptower Ehrenmal, da sieht die ganze Diskussion anders aus. Es ist ja auch ein gutes Stück Reaktion auf die Wirkung von Tagesereignissen in der Politik.

    Zagatta: Was sollte da verboten werden, und was nicht? Von was sprechen wir da eigentlich? Also das DDR-Ampelmännchen wird ja eher nicht verboten.

    Vaatz: Na ja, das ist eine absurde Diskussion, die ist durch einen Journalisten der "Sächsischen Zeitung" da rein gekommen, das regt alle diejenigen, die wissen, um was es geht, nur auf. Wenn jetzt also tatsächlich der Stechschritt in NVA-Uniform mit dem Ampelmännchen verglichen wird, das ist ein völlig deplatzierter Vergleich. Nein, es geht um die Frage, ob man die Symbole der DDR, die Uniformen beispielsweise, das Tragen von Uniformen, verbietet. Und da halte ich also eigentlich, das halte ich für sinnvoll, allerdings muss man sich über die begrenzte Wirkung der Sache im Klaren sein. Denn Verbote von Militaria oder ähnlichen Dingen, die ändern den Geist derer nicht, die die Absicht haben, solche Dinge zu tun, wie diese ewig Gestrigen damals. Und es ist eher vielleicht sogar ein bisschen, oder sagen wir mal so, eher noch ein bisschen hilfreicher, wenn diejenigen, die sich eben zu dieser DDR bekennen und zeigen wollen, dass sie unter denselben Umständen, wie sie damals geherrscht haben, noch mal genau dasselbe tun würden, dass sie die Möglichkeit haben, das zu zeigen, sonst sähe man es nicht, sonst ginge man davon aus, dass sie inzwischen durch die geschichtlichen Ereignisse irgendwie verändert worden sind, die Menschen, und das ist überhaupt nicht der Fall. Und aus dem Grunde ist es meines Erachtens sehr richtig, dass also auch solche Dinge ins öffentliche Bewusstsein gerückt werden – das ist die eine Seite. Die andere Seite ist allerdings, mit jeder dieser Demonstrationen werden die Opfer der DDR erneut verletzt, sie werden erneut gedemütigt und sie fühlen sich machtlos gegenüber einer Entwicklung gegen die sie nichts tun können, und das ist der zweite Aspekt, den wir auch sehr ernst nehmen müssen, und deshalb hätte ich überhaupt nichts dagegen, ein solches Gesetz noch zu verabschieden.

    Zagatta: Wie erklären Sie sich denn, dass so viele Jahre nach der Wiedervereinigung wieder oder noch immer ganze Gruppen in Stasiuniformen aufmarschieren? Wie ist das zu erklären?

    Vaatz: Ja, wie ist das zu erklären, dass Stalin beliebter ist als Gorbatschow in der ehemaligen Sowjetunion?

    Zagatta: Und dieser Geist herrscht auch noch in der ehemaligen, oder in den ostdeutschen Ländern, in der ehemaligen DDR?

    Vaatz: Es gibt eine Minderheit, die von der DDR profitiert hat, die Privilegien verloren hat durch die Revolution von 1989, und die dies niemals in ihrem Leben akzeptieren wird. Und diese Leute äußern sich, sie nutzen sozusagen die Demokratie, die sie niemals haben wollten, um ihre Ablehnung gegen diese Demokratie deutlich zu machen. Und wenn Sie fragen, was der Grund dafür ist, dann muss ich Ihnen allerdings auch sagen, dass die gesellschaftliche Realität in der Bundesrepublik Deutschland dem entschieden Vorschub geleistet hat. Also für einen großen Teil der westdeutschen Medien – und jetzt bitte fühlen Sie sich nicht irgendwie persönlich angegriffen, das betrifft Sie nicht …

    Zagatta: Wollte ich sagen, das gilt wahrscheinlich nicht für den Deutschlandfunk, was Sie uns gleich sagen werden.

    Vaatz: Na ja, der Deutschlandfunk hat meines Erachtens sehr viel getan, um das Bewusstsein einer deutschen, einer Verbindung über die Grenzen hinweg aufrechtzuerhalten. Aber ein Großteil der westdeutschen Medien hat, oder musste, die Revolution von 1989 als einen tödlichen Unfall des eigenen Weltbildes betrachten, weil man sich mit der DDR abgefunden hat. Und je mehr Zeit zwischen der DDR und heute vergeht, umso mehr haben sich etliche Medien und Medienbeschäftigte, darum bemüht, die SED und die Repräsentanten dieser Partei aus der geschichtlichen Verantwortung für das, was sie angerichtet haben, freizusprechen, und das ist in Deutschland weitgehend geglückt. Die Verharmlosung von SED beginnt eben damit, dass sich die deutschen Fernsehanstalten drum streiten, möglichst viel Gysi im Programm zu haben. Und das ist passiert, die Konsequenz ist, dass sich diejenigen bestärkt fühlen, die der Meinung sind, dass der Sozialismus eine gute Sache war, und dass man das ruhig noch mal probieren sollte. Und ich bin auch durchaus nicht der Auffassung, dass die Gefahr gänzlich beseitigt isst, dass infolge von wirklichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, wirklichen, großen Turbulenzen in der Gesellschaft nicht eines Tages auch wieder Personen das Haupt erheben, die sagen, wir brauchen den starken Mann, wir brauchen eine starke Partei, wir brauchen das so ähnlich wieder wie damals zu DDR-Zeiten. Das wird eine schwierige Sache, aber im Kern bin ich der Meinung, dass man eben als Demokrat der Vernunft trauen sollte der Menschen und sagen sollte, in einer offenen Gesellschaft, in einer offenen Auseinandersetzung muss man natürlich auch gewisse Demütigungen ertragen können, um sie zu widerlegen, und um gerade diesen Geist immer wieder vorzuführen.

    Zagatta: Herr Vaatz, da hätten wir noch viele Fragen, aber wir wollen auch noch Fußball im Programm haben heute Morgen, das müssen wir unbedingt machen.

    Vaatz: Okay!

    Zagatta: Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag, bedanke mich für das Gespräch!

    Vaatz: Ja.

    Zagatta: Das war Arnold Vaatz, der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Sprecher der ostdeutschen CDU-Abgeordneten.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.