Archiv

Offener Brief an von der Leyen
Döpfners Kritik an den Datenkraken

In einem offenen Brief an die EU-Kommissionspräsidentin fordert Springer-Chef Mathias Döpfner, Konzerne wie Google beim Umgang mit privaten Nutzerdaten strengeren Regeln zu unterwerfen. Springers Onlinezeitungen selber allerdings verkaufen jede Menge Daten an Google und Co., sagt ein Experte.

Text: M. Brose / N. Magoley; Henning Hübert im Gespräch mit Torsten Kleinz |
Eine Aufforderung der Cookie-Nutzung zuzustimmen ist auf einer Website auf einem Computerbildschirm sichtbar. Cookies werden von der Werbeindustrie auch dazu verwendet, um Verbrauchern individuell zugeschnittene Werbung zu präsentieren. (zu dpa: "BGH verhandelt über Einwilligung in Cookies")
Häufig zu schnell geklickt: "Alle Cookies zulassen" (dpa)
"Verehrte Frau Kommissionspräsidentin, liebe Frau von der Leyen" - so beginnt der Brief, den am Mittwoch (27.01.2021) die "Welt" veröffentlichte. Der Vorsitzende der Axel-Springer-Verlagsgruppe, Mathias Döpfner, richtet sich darin direkt an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die EU, meint Döpfner, müsse sich stärker für den Datenschutz gegenüber großen Technologieplattformen einsetzen.
Döpfner erkennt in seinem Brief zwar an, dass die EU-Kommission mit dem Digital Services Act auf dem richtigen Weg sei, die Big Techs in ihre Schranken zu weisen. Aber er scheint sicherstellen zu wollen, dass Frau von der Leyen die Situation auch richtig versteht.
Neue Regeln für Facebook, Apple und Co. - EU-Kommission will Tech-Konzerne in die Pflicht nehmen
Für ihren Umgang mit Desinformation, Propaganda und illegalen Inhalten stehen die großen Plattformen seit Jahren in der Kritik. Die EU-Kommission will ihnen strengere Regeln und mehr Kontrolle aufzwingen.

Große Worte zu Beginn

"Totale Transparenz endet immer totalitär" – schon mit seiner Überschrift will Döpfner offensichtlich jeden Zweifel an der Dringlichkeit seines Anliegens ausräumen. Die großen Technologieplattformen hätten von der Pandemie profitiert, gleichzeitig übten Facebook und Google die absolute Dominanz auf dem Werbemarkt aus – und gefährdeten dadurch journalistische Angebote.
Das Geschäftsmodell der Plattformen spähe ihre Kunden wie Geheimdienste aus - durch Algorithmen, die ihr Verhalten analysierten und uns so sagen würden, was wir kaufen wollen sollten, schreibt Döpfner. Das sei "Überwachungskapitalismus", in dem wir unser Privatestes preisgäben, um den Werbeumsatz der Plattformen zu maximieren.
Die EU-Kommission möge ein Gesetz veranlassen, das Plattformen verbiete, private Daten zu speichern und zu kommerziellen Zwecken zu verwenden, fordert Döpfner. Das solle über die Datenschutzgrundverordnung hinausgehen und "jede Relativierung durch vermeintliche Freiwilligkeit" ausschließen. Wenn man mit einer Art europäischem Grundrecht den Technologieplattformen wie im wahren Leben verbiete, online ihre Kunden zu bespitzeln, könne die EU ihrer Zeit "uneinholbar voraus" sein. "Nicht der Untertan solle den Mächtigen dienen", schreibt Döpfner im letzten Satz, "sondern der Staat dem Souverän".

Worum geht es?

Bei @mediasres erklärt der Kölner Netz-Journalist Torsten Kleinz, wie das System, das Döpfner kritisiert, funktioniert: Viele Zeitungsverlage - darunter auch die Springer-Produkte - hätten Werbung auf ihren Internetseiten. Ein Großteil des Geschäfts mit Internetwerbung beruhe darauf, dass die Verlage Daten der Leser an Google und andere Werbenetzwerke weitergäben.
Wer eine Website besucht und dabei alle Cookie-Einstellungen akzeptiert, lässt zu, dass augenblicklich im Hintergrund "viele kleine automatische Auktionen" mit Werbeplätzen starten, erklärt Kleinz. Haben die Cookieeinstellungen beispielsweise die Information, dass der Leser männlich, über 30 Jahre alt ist und über ein bestimmtes Einkommen verfügt, kann der Hersteller von Rasierapparaten sich um die Daten des Nutzers bemühen. Geben die Cookies aber weniger oder gar keine Informationen her, zahlt der Hersteller entweder weniger für den Werbeplatz oder aber zeigt gar kein Interesse.
Einige wenige Verlage, darunter die New York Times, die Washington Post und auch Burda, hätten bereits einen eigenen Umgang mit den Daten der Leser gestartet.

Cookie-Rausch bei Welt.de

Aber wie geht Döpfners Welt.de selber eigentlich mit den Daten des souveränen Bürgers um, hat sich Torsten Kleinz gefragt, und machte den Selbsttest: Er ging auf die Internetseite der Springer-Zeitung, und siehe da: "Innerhalb einer Minute über 170 Cookies auf meinem Rechner" - darunter auch solche, die bereits von Welt.de an Google weitergeleitet worden waren. "Wenn Herrn Döpfner die Datensouveränität der Bürgers so am Herzen liegt, könnte er auf den eigenen Angeboten doch etwas mehr machen", findet Kleinz.
In seinem Brief fordert Döpfner zwar Verbote für Facebook und Google, lässt aber offen, ob solche Datenschutzregeln auch für Verlage gelten sollen. In die Röhre schauen könnten bei strengeren EU-Richtlinien übrigens viele Blogger, die ihre Auftritte mit der Bewerbung bestimmter Produkte finanzieren. Für sie werde es dann schwierig, meint Kleinz.

Was kann man selber tun?

Unter diesen Links lassen sich zumindest einige Einstellungen vornehmen zu den Daten, die Facebook, Google oder Twitter vom eigenen Rechner saugen und verwerten wollen:
Einstellungen für Werbung bei Google
Cookies verwalten bei Facebook
Einstellungen zu Werbung und Links verwalten bei Twitter