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Offener Ganztag unter Druck

Nach eher schleppendem Start hat sich das offene Ganztagsangebot in NRW zu einem echten Renner entwickelt. Einen Ganztagsplatz für den Nachwuchs zu ergattern, gleicht in manchen Städten einem Lottogewinn. Die Tatsache, dass viele Kommunen mehr als klamm sind, verschlimmert die Lage. In Köln zum Beispiel stehen gute pädagogische Konzepte auf dem Spiel, weil die Stadtkasse nichts mehr hergibt.

Von Andrea Lueg |
    "In der offenen Ganztagsschule können wir halt nachmittags noch ganz viel spielen, weil ich habe nicht so viel Zeit, in der Woche mich zu verabreden, deswegen."

    Paula geht gerne in die Grundschule Balthasarstraße im Kölner Agnesviertel. In den letzten fünf Jahren hat die Schule ein Ganztagskonzept entwickelt, in dem sich der Schulstoff und offene Angebote über den Tag abwechseln, eine starre Einteilung in vormittags Schule - nachmittags Betreuung gibt es nicht mehr, erklärt Pierre Sonntag, der Leiter des Offenen Ganztags.

    "Bestenfalls kriegen die Kinder gar nicht mit, ob jetzt Unterricht stattfindet oder Freizeit ist, das ist ja unser Ziel der Rhythmisierung letztendlich, so ein Zwischenspiel zwischen Anspannung und Entspannung den Kindern zu bieten."

    Das gute pädagogische Konzept und das Team aus Lehrern und Ganztagsbetreuern, das über die letzten fünf Jahre aufgebaut wurde, hat dazu geführt, dass fast alle Kinder an der Schule das Ganztagsangebot wahrnehmen: 294 von 298. Eigentlich ist die Balthasarstraße also schon eine richtige Ganztagsschule. Zumindest war das bisher so. Denn wie so viele Kommunen in NRW muss auch Köln sparen. Die Ausgaben für den offenen Ganztag werden deshalb gedeckelt. Faktisch heißt das, dass viele Kinder in der Stadt nach den Sommerferien keinen Ganztagsplatz bekommen werden.

    "Die Situation derzeit ist, dass ich als Schulleiterin gezwungen bin, eventuell fünfzehn Eltern abzuweisen, obwohl ich vorher versprochen habe, dass unsere Schule eine Ganztagsschule ist, die in der rhythmisierten Form arbeitet."
    Schulleiterin Michaela Willweber sieht ihr über die Jahre aufgebautes Projekt bedroht. Denn sie darf lediglich die Ganztagsplätze neu belegen, die dadurch entstehen, dass Kinder nach der vierten Klasse die Schule verlassen. Sie bräuchte aber 22 zusätzliche Plätze um neue Kinder aufzunehmen und die Schule wie bisher weiterzuführen. Denn der Ganztag funktioniert nur als Ganzes: Wenn eine größere Zahl Kinder nicht daran teilnimmt, dann kann die Rhythmisierung nicht aufrechterhalten werden. Es muss wieder einen Schulvormittag und einen Betreuungsnachmittag geben. Dabei ist es genau diese Art von Ganztagsangebot, das sich Ministerium und auch das Kölner Schulamt wünschen, bestätigt Ulrike Heuer, stellvertretende Leiterin des Kölner Schulamtes:

    "Schulen die wirklich den Vormittag und den Nachmittag miteinander verzahnen, das ist ja auch unser Ziel, aber es ist einfach die Schwierigkeit, dass wir nicht bedarfsgerecht Plätze ausschütten können, sondern dass wir an Vorgaben gehalten sind, was die Finanzen angeht."

    Das Land finanziert den größten Teil des offenen Ganztags in NRW, ein weiterer Teil kommt über Elternbeiträge und schließlich gibt die Stadt noch einen Teil dazu. Freiwillig, wie Ulrike Heuer betont. Und immerhin seien dadurch Kölner Grundschulen mit Ganztagsplätzen gut versorgt.

    "In Köln ist in den letzten Jahren das Angebot sehr gestiegen, wir haben mittlerweile 24.000 Plätze, das heißt, eine Auslastungsquote von 70 Prozent an den Grundschulen."

    Tatsächlich haben andere Kommunen in NRW noch weniger Möglichkeiten. Deutlich schlechtere Angebote: Münster zum Beispiel mit 36 Prozent oder Kommunen mit Nothaushalt, wovon es im Ruhrgebiet einige gibt. Doch das nützt Eltern wie zum Beispiel Claudia Tober nichts, Mutter von zwei Kindern, von denen eines bereits zur Grundschule Balthasarstraße geht. Das Zweite sollte nach den Sommerferien ebenfalls ganztags dort betreut werden. Das ist nun wahrscheinlich nicht möglich und die Eltern müssen Alternativen finden, sagt Tober:

    "Ich weiß von der Idee, noch mal eine andere Schule anzumelden oder selbst noch mal Stunden von der Arbeit zurückzugehen, aber das kann natürlich nicht Sinn der Sache sein, viele haben sich ja gerade wieder erst etabliert in ihrem Job. Ist schwierig."

    Mit dem derzeitigen Offenen Ganztagsangebot, meint Ulrike Heuer, wird das Problem nicht zu lösen sein:

    "Ich verstehe auch die Eltern, die sagen, es kann nicht von der Finanzkraft einer Kommune abhängen, ob ich jetzt das Glück habe einen Ganztagsplatz zu bekommen, oder in einer Gemeinde, die eben weniger Geld hat, gar nichts."

    Der Bedarf ist einfach deutlich größer als das Angebot. Abhilfe könnte wohl nur eine verpflichtende Ganztagsschule schaffen, die vom Land finanziert würde. Heuer:

    "Wobei wichtig wäre, also was sich sehr bewährt hat, ist die Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe, darin liegt die Chance und die Bereicherung der OGTS, das sollte auf jeden Fall erhalten bleiben, aber eben eine verpflichtende Ganztagsschule für alle - ich glaube, dafür wäre die Zeit reif."