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"Offensichtlich hat Kleinfeld gute Arbeit geleistet"

Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, Ulrich Hocker, hat sich dafür ausgesprochen, dass der Vertrag von Siemens-Chef Kleinfeld verlängert wird. Kleinfeld habe gute Arbeit geleistet. Es sei höchste Zeit, dass der Aufsichtsrat in dieser Sache klärende Worte spreche. Wenn Kleinfeld bleibe, werde auch der Aktienkurs wieder steigen, meinte Hocker.

Moderation: Silvia Engels |
    Silvia Engels: Siemens kommt nicht zur Ruhe. Nachdem Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer vergangenen Donnerstag seinen Rückzug erklärt hatte, hatten ja viele Beobachter erwartet, dass Siemens-Vorstandschef Klaus Kleinfeld nun fester im Sattel säße. Doch seit gestern brodelt erneut die Gerüchteküche. Danach sollen mehrere Aufsichtsratsmitglieder bereits auf der Suche nach einem Nachfolger für Kleinfeld sein. Genannt werden die Namen des Linde-Chefs Reitzle und des früheren VW-Sanierers Bernhard. Am Telefon ist nun Ulrich Hocker. Er ist Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Guten Morgen Herr Hocker!

    Ulrich Hocker: Guten Morgen Frau Engels.

    Engels: Heute tagt der Siemens-Aufsichtsrat. Haben Sie Signale über die Zukunft von Klaus Kleinfeld?

    Hocker: Ich habe die gleichen Signale bekommen, die Sie anmoderiert haben. Es ist so, dass die Gerüchteküche brodelt, und es ist höchste Zeit, dass der Aufsichtsrat klärende Worte spricht.

    Engels: Denken Sie denn, heute wird der Vertrag von Herrn Kleinfeld tatsächlich verlängert wie ursprünglich geplant?

    Hocker: Ich gehe nach wie vor davon aus, denn das Gebot der Stunde ist, dass es bei Siemens zu Ruhe kommt. Es könnte höchstens so sein, dass Kleinfeld verantwortlich ist für irgendwelche Affären, die zum Beispiel in Amerika stattgefunden haben, dort wo er vor seiner Zeit in München gewesen war und verantwortlich war. Dies ist aber bisher überhaupt nicht bekannt, so dass ich letztendlich davon ausgehe, dass Klaus Kleinfeld unbescholten in dieser Position, in der er jetzt ist, weiter wirken kann und dass der Aufsichtsrat dies heute bestätigt.

    Engels: Schon eine weitere Verschiebung der Vertragsverlängerung für Kleinfeld oder wenn man zu viele mögliche Ausstiegsklauseln darin festschreiben würde, das wäre doch schon ein Misstrauensvotum und das wäre schädlich für Siemens oder?

    Hocker: Das wäre sicherlich schädlich für Siemens, denn alle Journalisten dieser Welt würden recherchieren: Warum kommt es zu dieser Verschiebung, warum kommt es zu diesen neuen Konditionen im Vertrag. Seine Autorität im Unternehmen wäre auch unterhöhlt. Deswegen gehe ich von einer normalen Verlängerung aus.

    Engels: Drehen wir es einmal anders herum. Schon gestern sackte ja bereits der Börsenkurs von Siemens zwischenzeitlich kräftig ab. Ist Klaus Kleinfeld schon an dem Punkt, wo allein die Berichte, die Gerüchte um ihn zum Risiko für die Aktie geworden sind, heißt an dem Punkt, wo er gehen sollte?

    Hocker: Das scheint gerade nicht zu sein. Die Börse befürchtet eben, dass er geht, und dass der Kurs schon deswegen sinkt ist für mich ein typisches Zeichen, dass der Kapitalmarkt an Klaus Kleinfeld hängt. Ich bin sicher: Wenn er seinen Vertrag verlängert bekommt, wird der Kurs auch wieder hochgehen. Sehen Sie mal es ist genau umgekehrt wie bei dem Vorkommen von Pierer. Als von Pierer ging, jubilierte die Börse und der Kurs ging vier Prozent hoch. Hier ist es genau umgekehrt. Die Börse hofft, dass Klaus Kleinfeld bleibt.

    Engels: Vorstandschef Kleinfeld hat ja gestern Abend schon vorab die Quartalszahlen veröffentlichen lassen. Die sind sehr positiv. Zudem kamen aus seinem Umfeld Warnungen, dass die Vertragsverlängerung für Kleinfeld nicht weiter verzögert werden solle. Das würde nämlich Siemens schwächen. Will Kleinfeld also kämpfen und kann sich die Siemens-Führung das auf Dauer leisten?

    Hocker: Offensichtlich hat Kleinfeld gute Arbeit geleistet. Das zeigen die Zahlen und er hat ja restrukturiert. Ein Vorstandsvorsitzender, der restrukturiert, hat nicht nur Freunde im Unternehmen. Deswegen ist es kein Wunder, dass da auch Gerüchte hochkommen. Aber wie gesagt: Angesichts der guten Kurse muss Klaus Kleinfeld dort bleiben und es ist wichtig, dass dieser Konzern zur Ruhe kommt, dass die negative Berichterstattung irgendwann mal aufhört. In dieser Situation, worin jetzt der Konzern ist, mit steigenden Erträgen in einer guten Konjunktur, macht er seinen Aktionären Freude.

    Engels: Herr Hocker, schauen wir noch einmal auf die generelle Siemens-Krise. Da haben wir ja zahlreiche Affären in den letzten Wochen und Monaten gesehen. Sie sind auch Mitglied der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Codex und diese Regierungskommission hat Standards für gute und verantwortungsvolle Unternehmensführung entwickelt. Der langjährige Vorsitzende Ihrer Kommission Gerhard Cromme wechselt nun auf den Aufsichtsratschef-Posten bei Siemens. Was sollte er mit Blick auf den Codex dort vor allem ändern?

    Hocker: Das größte Manko hat er schon bereits geändert, denn von Pierer war ehemaliger Vorstandsvorsitzender und ist in den Aufsichtsratsvorsitz gekommen. Dadurch, dass Cromme als Unabhängiger nunmehr den Aufsichtsratsvorsitz übernommen hat, ist dieses Manko weg.
    Ansonsten ist ein Restmanko. Über das muss natürlich noch diskutiert werden und geklärt werden. Der Aufsichtsratsvorsitzende sollte nicht Vorsitzender des Audit-Komitees, des Finanzausschusses sein. Das sollte getrennt werden. Aber in diesem Fall muss man natürlich sagen, angesichts der Aufklärungen der Skandale, die von Herrn Dr. Cromme angestoßen worden sind und die er auch weiter begleitet, ist sicherlich hier mit einer Übergangszeit zu rechnen. Ich gehe davon aus, dass Dr. Cromme in ein, zwei Jahren dann den Vorsitz dieses Audit-Komitees in andere Hände geben wird.

    Engels: Nun gibt es ja Vorschläge aus der Politik, dass man es gesetzlich verbieten sollte, dass langjährige Vorstandschefs von Unternehmen fast automatisch an die Spitze des Aufsichtsrates wechseln. Sollte man das tun?

    Hocker: Nein, sollte man nicht tun. Es gibt in dieser Industrie nicht nur Schwarz-weiß. Es gibt Beispiele, wo es wunderbar funktioniert hat, dass der Vorstandsvorsitzende in den Aufsichtsratsvorsitz ging. Ich erinnere nur an Herrn Weber bei der Lufthansa oder an Herrn Hartmann bei E.ON, wo es vorzüglich funktioniert. Es gibt andere Beispiele, dass es eben nicht funktioniert. Ich erinnere an gewisse Münchener Banken und so weiter. Es ist wichtig, dass dem Aktionär erläutert wird bei der Aufstellung zum Aufsichtsrat, warum dieser Vorstandsvorsitzende nun dann in den Aufsichtsrat kommt und dann eventuell den Aufsichtsratsvorsitz auch übernimmt. Es soll die zu begründende Ausnahme bleiben.

    Engels: Wie sehr hat denn die jetzige Krise Siemens geschadet? Finanziell ja offenbar nicht, wenn man auf die Zahlen schaut.

    Hocker: Das scheint so zu sein, aber man muss natürlich wissen, dass besonders das Amerika-Geschäft, da die Amerikaner natürlich doch mit puritanischer Vergangenheit sehr darauf schauen, unter Druck gekommen ist und es sicherlich für Siemens schwieriger geworden ist, dort großes Geschäft zu machen. Aber letztendlich muss man natürlich auch sagen die Wirtschaft handelt, produziert und verkauft und kümmert sich an und für sich weniger um diese Affären. Es kommt darauf an, dass die Güter, die Siemens verkauft, in Ordnung sind. Das scheint so zu sein und von daher hat zum Glück bisher der Skandal Siemens noch nicht bei Umsatz und Ertrag durchgeschlagen.