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Offensichtlich weltoffener Charakter der Gambenmusik

Hille Perl und ihre Partner spielen das Repertoire von Johann Schenk mit Leidenschaft und Finesse, wollen die Reichhaltigkeit und die verschiedenen Stadien seines Werkes aufzeigen.

Von Christiane Lehnigk |
    Heute stellen wir Ihnen die neueste CD der Gambistin Hille Perl vor, die jetzt bei Sony Music/Deutsche Harmonia Mundi erschien und der Musik von Johann Schenck gewidmet ist.

    Im Studio begrüßt Sie dazu Christiane Lehnigk.

    Johann Schenck - Aus: 'Echo du Danube'
    Hille Perl (Viola da gamba), Marthe Perl (Viola da gamba), Lee Santana (Barock-Gitarre)
    Dauer: 2'43''; 2. Giga


    Hille Perl ist eine Gamben-Institution in Deutschland mit internationaler Reputation und einem weitreichenden Ruf als engagierte Pädagogin. Längst sind ihre Produktionen auch zu einer Art Familienunternehmen geworden und so spielen hier, neben ihrem Mann und langjährigen musikalischen Weggefährten, dem Lautenisten Lee Santana, auch ihre Tochter, die Gambistin Marthe Perl mit, sowie der Lautenist Johannes Gontarski.

    Zu Beginn hörten Sie die Giga aus der 2. Sonate der Sammlung 'Echo du Danube' von Johann Schenck. Hille Perl hat eine Auswahl aus dem reichhaltigen Schatz der Sammlungen des für die Entwicklung der Gambenmusik so wichtigen Komponisten getroffen, die die Reichhaltigkeit und die verschiedenen Stadien seines Werkes aufzeigen sollen. So gibt es Stücke aus der frühen, in Amsterdam erschienenen 'Zeit- und Kunsteröffnung' ('Tyd en konst oeffeningen') mit, so Hille Perl, "normalen" Suiten und äußerst virtuosen und formal gemischten Stücken. Dann die verschiedenartigen 'Scherzi musicali', zwei Sonaten aus 'Le Nymphe di Rheno' aus der Düsseldorfer Zeit, geschrieben für den Kurfürsten Jan Wellem. Sowie eine Sonate aus der Sammlung 'Echo du Danube', die 1704 vermutlich in Neuburg entstanden ist.

    Das Wissen um die Person Johann Schenck ist lückenhaft und die verschiedenen Quellen, die sich erhalten haben, sind sich in vielem nicht einig, sondern widersprechen sich. So soll er 1660 in Amsterdam oder vier Jahre zuvor in Elberfeld geboren sein. Er muss ein begnadeter Spieler der Viola da gamba geworden sein, wenn man auch nicht weiß, wer ihm seine Fertigkeiten beigebracht hat. Aber es sind englische Einflüsse auszumachen. In Amsterdam entstand dann eine Vielzahl an Opern, Kammermusiken und Solowerken für die Gambe.

    Es gibt zwei ikonografische Zeugnisse von ihm, ein Ölbild von Constantin Netscher, das sich im Musée des Beaux-Arts in Blois befindet und vor 1696 gemalt wurde, sowie ein späterer Kupferstich von Peter Schenk dem Älteren, nach diesem Gemälde. Es zeigt Schenck in der noblen Pose des zeitgenössischen berühmten Gambisten Marin Marais, gekleidet nach französischer Manier, den Bogen in der rechten Hand und die Gambe abgestützt auf einen samtbeschlagenen Hocker.

    1696 führte Schenck sein damals schon ausgezeichneter Ruf an den Hof des Pfalzgraf-Kurfürsten Johann Wilhelm den II., oder Jan Wellem, der selbst ein begeisterter Gambenspieler gewesen war. Viele bekannte Musiker und Komponisten der damaligen Zeit, wie Corelli, Händel, Veracini, Sylvius Leopold Weiss oder der Kastrat Baldassari kamen an den Hof nach Düsseldorf oder an die Residenzen in Schwetzingen oder Neuburg an der Donau. Und hinterließen auch Spuren im Werk von Johann Schenck.

    Die Sammlung 'Le Nymphe di Rheno' wird wohl in Düsseldorf entstanden sein. Und da es sich um Gambenduette handelt, könnte es sich durchaus um Noten für das gemeinsame Musizieren von Schenck und dem Kurfürsten gehandelt haben.

    Johann Schenck - Aus: ''Le Nymphe di Rheno'. Sonata XI
    Hille Perl (Viola da gamba), Marthe Perl (Viola da gamba)
    Dauer: 6'56", 4. Ciacona


    Hille Perl und Marthe Perl, Viola da gamba, spielten die Ciacona aus der elften Sonate von Johann Schenck, die der Sammlung 'Le Nymphe di Rheno' aus dem Jahre 1702 entstammt.

    Wenn Johann Schenck auch viele Jahre dem Hof Jan Wellems verbunden war, so gab er doch auch Gastspiele an anderen Höfen und nahm alle Einflüsse der musikalischen Strömungen auf, mit denen er in Berührung kam.

    Hille Perl bezeichnet ihn als einen "Kosmopoliten im 17. Jahrhundert". In jedem Fall herrscht in seinen Werken ein vermischter Stil vor, der sich der verschiedenen Richtungen und Spieltechniken bedient. So gibt es Einflüsse aus der englischen Diminutionskunst, Adaptionen des 'Stylus Phantasticus', Elemente französischer Suiten und italienischer Sonaten.

    Dieser offensichtlich weltoffene Charakter von Schenck war es, der Hille Perl zu diesem Projekt bewogen hat und der die Attraktivität dieser virtuosen Musik ausmacht. Hille Perl und ihre Partner spielen dieses Repertoire mit Leidenschaft und Finesse, jenseits jeglicher Routine, temperamentvoll, stilsicher aber undogmatisch, mit geschmackvollen Ornamentierungen und großer Freude am Detail.

    Bei Hille Perl muss auch nicht jeder Ton einem reinen Klangideal entsprechen, vielmehr lebt ihr Spiel auch davon, dass sie den Mut hat, Schärfen zuzulassen und harmonische Reibungen auszukosten, sodass es ihr wirklich gelungen ist, ihre Freude über das "Ideenreichtum und die Genialität" Schencks in gut 75 Minuten zu vermitteln und diese Werke zu einem Stück, so Perl, "zeitgenössischer Musik des 21. Jahrhunderts" zu machen. Der ausgewogene, klare Sound dieser CD tut ein Übriges dazu, dass man diese Produktion unbedingt weiter empfehlen muss.

    Johann Schenck - Aus: 'Scherzi musicali', Suite in G
    Hille Perl (Viola da gamba), Lee Santana (Chitarrone)
    Dauer: 4'48", 2. Satz


    Die Neue Platte im Deutschlandfunk. Wir stellten Ihnen heute die neueste CD der Gambistin Hille Perl vor, die bei Sony Music/Deutsche Harmonia Mundi ein Programm mit Musik von Johann Schenck vorlegte, zusammen mit Marthe Perl, Viola da gamba, und den Lautenisten Lee Santana und Johannes Gontarski. Im Studio verabschiedet sich, mit Dank fürs Zuhören, Christiane Lehnigk.

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