In den meisten Arbeiten Giuseppe Verdis steht ein "transgenerationaler" Konflikt im Zentrum – beginnend mit dem Zerwürfnis zwischen Vater und Sohn in "I due Foscari". Das Zentralmotiv setzt sich fort mit den Vater-Tochter-Konflikten in "Giovanna d‘arco", "Luisa Miller" und "Rigoletto", später noch einmal in der "Aida". In "La Traviata" droht ein autoritärer Vater wieder dem Sohn. Am drastischsten freilich tritt der Konflikt zwischen den Generationen in "Don Carlos" hervor: Hätte Sigmund Freud nicht die von Sophokles überlieferte Geschichte des Ödipus als Metapher für die Verstrickung der Generationen und eine archetypische Komplex-Genese gewählt, hätte sich ihm "Don Karlos" angeboten.
Hinter einer klassizistischen Fassade sieht man zunächst einen Staatsmann aufgebahrt: Mit seiner Leiche und einem Zeitsprung gewährt der "große Kaiser" Karl V. den modern gewandten Untertanen eine letzte Audienz. Die "Massen" eines optisch nicht näher definierten blutig-autoritären Systems in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts defilieren in der "Ruhmeshalle" am Sarg des "geliebten Führers" vorbei. Bei den Uniformen, Waffen und Möblierungen mischen sich Erinnerungen an die Franco-Diktatur mit Zitaten von Bildmomenten aus der letzten Phase des realen Sozialismus in Osteuropa bzw. aktuelleren asiatischen Lebenswelten.
In dies triste "öffentliche Leben" platzt Don Carlo wie eine Operetten-Figur: in einem Kostüm des 16. Jahrhunderts und mit umgegürtetem Degen. Unverzüglich kommt er zur Sache und klagt von der Rampe aus dem Publikum sein Liebesleid – dass ihm der Vater die Braut weggeschnappt habe. Auch Freund Posa wird, kaum ist er wie Commissario Colombo aufgetreten, Opfer dieser Klage. Jens-Daniel Herzogs Inszenierung beginnt, den Vater-Sohn-Konflikt gradlinig nachzuerzählen und durch viele geschickte kleine Regiezüge zu intensivieren. Schon der Marquis zaudert nicht lange, singt dem Infanten auf Abhilfe und beide beschwören innig-emphatisch und doch eben in den hohen Tönen des Risorgimento Freundesliebe und -treue. Sie machen es vorzüglich – Roy Cornelius Smith und Jorge Lagunes erweisen sich stimmlich als das hohe Paar der Mannheimer "Don Carlo"-Produktion.
Nicht anders als der Kronprinz stolzieren auch Philipp II. und seine Gattin Elisabeth in Prunkgewändern ihrer "Originalzeit" daher und verweisen damit auf eine Staatlichkeit, die ihre Legitimation und Kostümierung aus vergangener Größe bezieht. Doch bei den gelegentlich als Zaungästen der Macht auftauchenden "einfachen Leuten" herrscht sichtlich Mangel und mäßige Begeisterung für den regierungsamtlichen Prunk.
So ist nur konsequent, dass sich hinter der klassizistischen Fassade die Insignien eines Zweckbaus der 1960er-Jahre melden: Auf Putz gelegte Stromleitungen, Feuerlöscher und Notbeleuchtung. Die Andeutung einer Besenkammer bietet sich als Ort des nächtlichen Stelldicheins an. Jens-Daniel Herzogs Inszenierung balanciert die Aufmerksamkeit für die Intrige der Prinzessin Eboli sorgfältig gegen die Fokussierung auf den Sohn-Vater-Konflikt aus – und Sung-Heon Ha verleiht dem brutal machtbewussten Alten souveräne Größe und eine profunde Stimme.
Gestützt auf die vielen guten bis hervorragenden Stimmen – unter denen die von Galina Shesterneva für die königliche Stiefmutter noch besonders hervorzuheben ist – und getragen von einem durch Alois Seidlmeier umsichtig angeleiteten Orchester, hätte sich ein rundum zufriedenstellender, ja: durch Nachdenklichkeit beglückender Verdi-Abend ergeben können. Wenn sich da nicht noch ein paar aufgesetzt wirkende Regie-Einfälle eingestellt hätten. Wie der, dass statt der um Gnade bittenden niederländischen Gesandten im zweiten Akt der Generalstab des Königs in Gänze beim Abendmahl liquidiert wird. Oder dass am Ende nicht die Stimme des toten Kaisers den Enkel zu sich ruft, sondern – o Wunder – der im Auftrag der Inquisition zu Tode gemarterte Rodrigo, der "beste Freund."
Hinter einer klassizistischen Fassade sieht man zunächst einen Staatsmann aufgebahrt: Mit seiner Leiche und einem Zeitsprung gewährt der "große Kaiser" Karl V. den modern gewandten Untertanen eine letzte Audienz. Die "Massen" eines optisch nicht näher definierten blutig-autoritären Systems in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts defilieren in der "Ruhmeshalle" am Sarg des "geliebten Führers" vorbei. Bei den Uniformen, Waffen und Möblierungen mischen sich Erinnerungen an die Franco-Diktatur mit Zitaten von Bildmomenten aus der letzten Phase des realen Sozialismus in Osteuropa bzw. aktuelleren asiatischen Lebenswelten.
In dies triste "öffentliche Leben" platzt Don Carlo wie eine Operetten-Figur: in einem Kostüm des 16. Jahrhunderts und mit umgegürtetem Degen. Unverzüglich kommt er zur Sache und klagt von der Rampe aus dem Publikum sein Liebesleid – dass ihm der Vater die Braut weggeschnappt habe. Auch Freund Posa wird, kaum ist er wie Commissario Colombo aufgetreten, Opfer dieser Klage. Jens-Daniel Herzogs Inszenierung beginnt, den Vater-Sohn-Konflikt gradlinig nachzuerzählen und durch viele geschickte kleine Regiezüge zu intensivieren. Schon der Marquis zaudert nicht lange, singt dem Infanten auf Abhilfe und beide beschwören innig-emphatisch und doch eben in den hohen Tönen des Risorgimento Freundesliebe und -treue. Sie machen es vorzüglich – Roy Cornelius Smith und Jorge Lagunes erweisen sich stimmlich als das hohe Paar der Mannheimer "Don Carlo"-Produktion.
Nicht anders als der Kronprinz stolzieren auch Philipp II. und seine Gattin Elisabeth in Prunkgewändern ihrer "Originalzeit" daher und verweisen damit auf eine Staatlichkeit, die ihre Legitimation und Kostümierung aus vergangener Größe bezieht. Doch bei den gelegentlich als Zaungästen der Macht auftauchenden "einfachen Leuten" herrscht sichtlich Mangel und mäßige Begeisterung für den regierungsamtlichen Prunk.
So ist nur konsequent, dass sich hinter der klassizistischen Fassade die Insignien eines Zweckbaus der 1960er-Jahre melden: Auf Putz gelegte Stromleitungen, Feuerlöscher und Notbeleuchtung. Die Andeutung einer Besenkammer bietet sich als Ort des nächtlichen Stelldicheins an. Jens-Daniel Herzogs Inszenierung balanciert die Aufmerksamkeit für die Intrige der Prinzessin Eboli sorgfältig gegen die Fokussierung auf den Sohn-Vater-Konflikt aus – und Sung-Heon Ha verleiht dem brutal machtbewussten Alten souveräne Größe und eine profunde Stimme.
Gestützt auf die vielen guten bis hervorragenden Stimmen – unter denen die von Galina Shesterneva für die königliche Stiefmutter noch besonders hervorzuheben ist – und getragen von einem durch Alois Seidlmeier umsichtig angeleiteten Orchester, hätte sich ein rundum zufriedenstellender, ja: durch Nachdenklichkeit beglückender Verdi-Abend ergeben können. Wenn sich da nicht noch ein paar aufgesetzt wirkende Regie-Einfälle eingestellt hätten. Wie der, dass statt der um Gnade bittenden niederländischen Gesandten im zweiten Akt der Generalstab des Königs in Gänze beim Abendmahl liquidiert wird. Oder dass am Ende nicht die Stimme des toten Kaisers den Enkel zu sich ruft, sondern – o Wunder – der im Auftrag der Inquisition zu Tode gemarterte Rodrigo, der "beste Freund."