Arndt Reuning: In der Menschheitsgeschichte gehört das Backen von Brot zu den ältesten Kulturtechniken überhaupt. Reste von ungesäuertem Brot, die gut 15.000 Jahre alt sind, wurden im heutigen Jordanien entdeckt. Funde im Nordirak weisen darauf hin, dass dort bereits Neandertaler vor 40.000 Jahren Getreide gemahlen und erhitzt haben. Nun aber haben Fachleute aus Wien von der Universität für Bodenkultur erklärt, sie möchten das Brotbacken neu erfinden, und zwar mit einem Verfahren, das bisher verwendet wurde, um Lebensmittel haltbar zu machen: das sogenannte Ohmsche Erhitzen. Einer von diesen Wissenschaftlern ist Professor Henry Jäger. Am Telefon hat er mir erklärt, wie das funktioniert.
Henry Jäger: Das Ohmsche Erhitzen beruht auf einer Erhitzung durch den elektrischen Widerstand eines Lebensmittels. Ähnlich wie der Glühdraht in einer Glühbirne, der sich erwärmt, wenn ein Strom durch ihn fließt, so erwärmt sich auch ein Lebensmittel, wenn ein Strom durch dieses geleitet wird. Diese Erwärmung machen wir uns zunutze, um zum Beispiel zu backen.
Reuning: Das heißt, man würde tatsächlich Elektroden in diesen Teigrohling hineinstecken und dann die Spannung aufdrehen?
Jäger: Ja, wir müssen ein elektrisches Feld an das Lebensmittel anlegen, dafür nutzen wir Metallplatten, Elektroden, und eine klassische Backform ist eigentlich dazu ganz gut geeignet. Zwei Seiten dieser Backform sind dann metallische Elektroden, und die anderen Seiten der Backform, die müssen wir austauschen, ansonsten würde es einen Kurzschluss geben. Dort brauchen wir einen elektrischen Isolator, zum Beispiel ein Kunststoffmaterial.
Besonders geeignet für glutenfreies Brot
Reuning: Was sind denn die Vorteile des Ohmschen Erhitzens im Vergleich zum konventionellen Backvorgang?
Jäger: Wir generieren die Wärme im Prinzip aus dem Produkt heraus. Im Produkt wird die Wärme generiert, das heißt, wir sind nicht mehr darauf angewiesen, dass die Wärme durch heiße Luft oder durch heiße Flächen vom Rand des Produktes in den Kern wandert. Damit sind wir wesentlich schneller, wir können das Produkt quasi in Sekundenschnelle, im Minutenbereich komplett durcherhitzen.
Insbesondere für schwierig zu backende Teige, zum Beispiel für glutenfreie Teige, wo wir einen sehr hohen Wassergehalt haben, können wir durch dieses sehr schnelle Erhitzen, durch dieses sehr schnelle Backen eine sehr gute Produktqualität erzielen.
Reuning: Also das heißt, für glutenfreies Brot ist das Ohmsche Erhitzen tatsächlich dem Backen im Ofen überlegen.
Jäger: So ist es. Für glutenfreies Brot gelingt es uns mit dem klassischen Backverfahren nur recht schwierig, ein gutes poröses, volumenreiches Produkt zu erhalten. Das Ohmsche Erhitzen zeigt hier insbesondere seine Vorteile in einer sehr lockeren Krumenstruktur, in einer sehr gleichmäßigen Porösität und in einer guten Volumenzunahme des Teiges beim Backen.
Reuning: Beim Backen, wie wir es kennen, verändern sich doch auch sicherlich die Inhaltsstoffe im Brot, also vor allem die Stärke, denke ich, die wird leichter verdaulich. Wie sieht es denn hier aus, wenn der Teig mithilfe von Strom erhitzt wird?
Jäger: Ja, das ist ein interessanter Punkt. Da wir schneller erhitzen, steht den Inhaltsstoffen und insbesondere der Stärke natürlich auch weniger Zeit zur Verfügung, aufgeschlossen zu werden. Dieser Frage sind wir nachgegangen in Untersuchungen und haben geschaut, wie verhält es sich mit der Verdaubarkeit der Stärke und haben hier in ersten Untersuchungen gefunden, dass kein Unterschied zu finden ist, sehen aber durchaus, dass das Backprofil, das Temperaturprofil auch entsprechend angepasst werden muss, um ein vollständiges Verkleistern der Stärke entsprechend zu gewährleisten.
"Wesentliche Einsparung an Ressourcen"
Reuning: Wie sieht es denn aus mit der Energiebilanz beim Ohmschen Erhitzen zum Backen von Brot?
Jäger: Beim konventionellen Backen von Brot müssen wir im Prinzip eine relativ große Luftmenge um das Brot herum erhitzen, und diese Energie, ein Teil dieser Energie, wird dann auf das Brot übertragen. Beim Ohmschen Erhitzen ist das insofern effizienter, als dass wir tatsächlich wirklich nur den Teig erhitzen, die Wärme wirklich nur im Teig generieren, im Prinzip kaum Abwärme, kaum Abluft und Temperaturwärme, Energieverluste haben und deswegen die Effizienz wesentlich gesteigert werden kann, zudem eben noch durch die Verkürzung der Zeit auch hier eine wesentliche Einsparung an Ressourcen.
Reuning: Sie erhitzen ja das Wasser in diesem Teigrohling über die darin gelösten Elektrolyte, über die Salze. Ich würde mir also vorstellen, dass dieser Rohling eher gekocht wird im eigenen Saft, als dass er gebacken wird. Hat das fertige Brot denn irgendwie überhaupt eine schöne Kruste?
Jäger: Ja, eine Kruste haben wir bei diesem Brot nicht. Da wir ja relativ gleichmäßig erhitzen und eben nicht diese Heißluft haben, die zur Krustenbildung beiträgt, erzielen wir zunächst mal beim Ohmschen Backen krustenlose Brote. Auch dafür gibt es entsprechende Anwendungen, entsprechende Nachfrage. Denken wir an Tramezzinibrote, Sandwichbrote, Toastbrote, wo wir eigentlich die Kruste nicht wollen, sondern hauptsächlich an der Krume interessiert sind. Denken wir auch an Konsumenten, die spezielle Ernährungserfordernisse haben, zum Beispiel Schluckbeschwerden, Kaubeschwerden. Auch da wollen wir krustenlose Brote mit einer möglichst weichen Krume. In diesen Anwendungsfällen können wir direkt die Produkte vom Ohmschen Backen einsetzen.
Soll nun Kruste und entsprechende Röstaromen gebildet werden, dann ist es erforderlich, nach dem Ohmschen Backen entsprechend diese Krustenbildung noch durchzuführen. Das kann durch einen ganz kurzen Heißluftaufbackschritt erfolgen oder zum Beispiel durch ein Verfahren wie der Infraroterhitzung, wo wir tatsächlich nur die Oberfläche des Brotes dann noch nachbräunen.
"Qualitätsvorsprung bei schwierig zu backenden Produkten"
Reuning: Sie hatten erwähnt, dass sich dieses Ohmsche Erhitzen, das Ohmsche Backen besonders eignet für glutenfreies Brot. Wäre es aus Ihrer Sicht denn sinnvoll, auch andere Teigarten mithilfe des Ohmschen Erhitzens zu backen?
Jäger: Ja, auch andere Teigarten, insbesondere auch wasserreiche Teige, wie wir es bei Vollkornbroten, bei Roggenbroten haben, aber auch Massen für die Kuchenherstellung wären interessant für das Ohmsche Backen. Wir sehen hier, dass zum Beispiel beim klassischen Weizenteig immer noch der Vorteil der Backzeitverkürzung, der Energieeinsparung resultiert, wir aber mit dem Ohmschen Backen keinen so großen Qualitätsvorsprung im Vergleich zum konventionellen Backen erzielen. Diesen Qualitätsvorsprung haben wir insbesondere bei ansonsten schwierig zu backenden Produkten mit viel Wasser, wie jetzt zum Beispiel bei glutenfreien Produkten der Fall ist.
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