"Es gibt drei identifizierte Attentäter, einen gesuchten. Dass wir die vielleicht hier mit vier Köpfchen reintun, wenn wir die kriegen. - Ja, es gibt wie gesagt auch den Drahtzieher schon im Foto."
Es ist Montag, der Montag nach den Attentaten von Paris. Hassmails? Empörte Leser, die sich über den letzten Artikel zur Flüchtlingssituation beschweren? Die Redakteure des Kölner Stadtanzeigers haben heute andere Sorgen.
"Und da liefert Kollege Berger vielleicht noch etwas zu, der jemanden von der Bundespolizei trifft, zur Sicherheit in Köln und Bonn."
Noch ist offen, wie die Leser auf die Terror-Berichterstattung reagieren werden, ob die Resonanz ähnlich heftig ausfallen wird, wie zuletzt beim Thema Flüchtlinge. Denn auch beim Kölner Stadtanzeiger ist der Ton der Zuschriften schärfer geworden, sagt Marie-Anne Schlolaut vom Leserforum. Etwa 1.000 Briefe und Emails gehen jeden Monat über ihren Schreibtisch, 80 Prozent davon zum Thema Flüchtlinge.
"Die Forderungen sind eigentlich die, die auch an die Politik gestellt werden. Also: Fragen zu beantworten, ehrlich zu sein. Zu sagen: Was kommt auf uns zu, was müssen wir leisten, was können wir leisten, was können wir nicht leisten. Die Menschen fühlen sich, als wenn sie in einem Meer schwimmen und kein Land sehen. Und sie erwarten von uns, dass wir ihnen Land zeigen und von den Politikern auch."
Fünf bis zehn Prozent der Zuschriften seien regelrecht unverschämt, fügt Schlolaut hinzu. Trotzdem versucht die Redakteurin, auch diesen Lesern höflich zu antworten. Chefredakteur Peter Pauls hat allerdings beobachtet, dass gerade die hasserfüllten Mails und Briefe nicht von der Kölner Stammleserschaft kommen.
"Die wirklich bösen, bösartigen und auch gefährlichen Zuschriften sind nach meinem Empfinden gesteuert. Das sind Menschen aus dem Osten Deutschlands, die sich melden. Und es sind – das war bei dem Attentat auf Frau Reker, die Oberbürgermeister-Kandidatin, zu beobachten – anonyme Schreiber, die diese Gewalttat ausdrücklich gutheißen, und die ziemlich genau wissen – und das ist das, was mich dann schon manchmal sorgt – wer, wo, wie, an welcher Stelle in diesem Verlag arbeitet."
Auch der Deutschlandfunk kennt diese Art von Hörerzuschriften. Ein Blick in das Postfach von Nadine Lindner, Deutschlandfunk-Korrespondentin in Sachsen:
"Ohrfeigen Sie sich mal selbst für diese miese Scheiße, die Sie da verzapft haben! Wenn ich Sie in diesem Moment treffen würde, dann gäbe es eine gehörige Tracht Prügel von mir! Mit begleitender psychischer und physischer Erniedrigung. Sollten Sie eine Frau sein – ich bin da für Gleichberechtigung!"
"Emotional ist es schon so, dass ich bei dieser Zuschrift auch wirklich erschüttert war, dass es halt darum geht, jemanden physisch zu erniedrigen, das heißt auch den Menschen hinter dem Journalisten oder der Journalistin nachhaltig zu schädigen durch diese Gewalt."
Anfeindungen und Drohungen gegen Journalisten, das hat es auch früher schon gegeben. Aber lange nicht so massiv wie heute, sagt Frank Überall. Er ist Vorsitzender der Journalisten-Gewerkschaft DJV und berichtet selbst seit vielen Jahren von rechtsextremen Demos.
"Im Januar zum Beispiel in Köln noch bei einer Pegida-Demonstration, wo mir das Mikrofon aus der Hand geschlagen wird. Wo ich dann anschließend beobachte, wie eine Kollegin in einen Hausflur gedrängt wird, von Pegida-Demonstranten bespuckt wird, geschubst wird und es eine ganze Zeit lang dauert, bis die Polizei überhaupt erst mal einschreitet."
In den vergangenen Monaten kam es immer wieder zu solchen Übergriffen, mehrere Journalisten haben Anzeige erstattet. Manche Reporter lassen sich jetzt von Personenschützern auf Demos begleiten. Oder nehmen zumindest einen Fahrradhelm mit, so wie Frank Überall. In diesem Klima weiterhin objektiv zu berichten – eine Herausforderung:
"Man muss aufpassen, dass die Schere im Kopf nicht auf der einen Seite dahin geht, dass man sagt: Ok, wir spitzen das nur noch zu und stellen nur die dar, die sich besonders herausheben, auch mit Gewalt beispielsweise. Auf der anderen Seite muss man natürlich auch sehen, dass man sich rechtsextreme Einstellungen, volksverhetzende Einstellungen nicht irgendwo zu eigen macht, dass man ihnen eine zu große Bühne bietet."
Gefordert sind nicht nur die einzelnen Journalisten, sondern auch die Redaktionen. Sie müssen Strategien entwickeln, um der Medienverdrossenheit entgegenzuwirken. Das Publikum pauschal zu verurteilen, sei jedenfalls keine Lösung, warnt der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen.
"Es macht überhaupt keinen Sinn, alles was einen aus dem Netz erreicht, als das Grölen irgendwelcher Trolle zu verunglimpfen, als das Spektakel irgendeines digitalen Mobs oder als den gekauften Shitstorm. Umgekehrt gibt es natürlich auch nicht "die Medien", "die Journalisten". Also die Hoffnung, die man haben kann, ist ein Stück sprachlicher Abrüstung auf allen Seiten, weniger Pauschalismus auf allen Seiten, sodass die Basis entsteht für einen auf den Einzelnen bezogenen Dialog. Dass das anstrengend ist, ist klar, dass das mühsam ist, ist klar, aber ich halte das tatsächlich für alternativlos."
Der DJV-Vorsitzende Frank Überall kann aber auch die Kollegen verstehen, die unter diesen Vorzeichen nicht weiterarbeiten möchten. Andererseits sieht er auch eine Chance für den Journalismus.
"Ich glaube auch, dass es eine Rückbesinnung auf journalistische Tugenden geben wird. Weil man einfach sehen muss, dass eine objektive Berichterstattung a) notwendig ist und b) vom größten Teil der Bevölkerung auch angenommen wird. Denn: Wer ordnet denn für uns im Moment noch glaubwürdig ein? Opa Heinz am Stammtisch ganz bestimmt nicht. Dafür brauchen wir Journalistinnen und Journalisten."