Frauen wie Maria Lassnig wären früher als Hexen verbrannt worden: intelligent und unangepasst, inspiriert und frech. Das Männer-Regime des Kunstmarktes rächte sich an Maria Lassnig, indem man sie einfach nicht "entdecken" wollte. Erst mit 60 Jahren begann für sie so was wie Karriere. Kein Wunder, denn Maria Lassnig führt den Betrachter durch unangenehme Übergangsformen zwischen Figuration und Abstraktion, Realismus und Traum in zerrissene, düstere, subjektive, nur selten humorvolle Welten der Selbstwahrnehmung und des Mitgefühls. Irgendetwas stimmte von Anfang an nicht mit dieser Künstlerin: Was soll man halten von einem traurigen, gallertartigen Auge, das zwischen den Zähnen eines fossilen Monsters gerade zerquetscht wird? Oder von einem Augapfel, der - umgeben von einer rot durchbluteten Wulst - phallusartig auf einem Rückgrat thront? Maria Lassnigs Motive und Blicke sind schräg, ihre Fragen bohrend, ihre Antworten seltsam. Sie mag gewesen sein, was man ein unordentliches Kind nennt: 1919 in die Kärntner Provinz hineingeboren, gelingt ihr spät der Sprung ins Kunstfach. Unverdrossen malt, zeichnet sie, Orphismus, Spätkubismus und Surrealismus sind ihre Arbeitsfelder. Ein Selbstbild aus dem Jahr 1945 ist frappierend aktuell: Sie malt sich in schweren, indianischen Farbtönen, erinnernd an den Kosmos Lovis Corinths oder Kokoschkas, in einer Selbstentblößung, die an Paula Becker erinnert. Dirk Luckow, Direktor der Deichtorhallen und Kurator der Hamburger Schau:
"Sie ist ja eine Künstlerin, die ihr Werk nicht so sehr von stilistischen Dingen denkt; in erster Linie zählt ihr der Inhalt. Sowohl gesehene als auch gefühlte Anteile prägen ihre Bilder. Das war alles in den späten 40ern beeinflusst von Tachismus und Informel. Dann kam der Perspektiv-Wechsel: Plötzlich wurde die innere, eigene Körper-Realität wichtiger als die äußere, aus der Distanz wahrgenommene Körperfülle. Seitdem macht sie dieses lichtlose Innen sichtbar mit ihren Werken."
Zu diesem "lichtlosen Innen" trägt ihr malerischer Duktus bei. Ihre Farbgebung ist erschreckend: Wie mikroskopierte Querschnitte aus dem eigen Körper muten manche Einzelheiten an, türkis fluoreszierend, aschfahl, dann wieder feurig flatternd, wie aufgescheucht. Immer mehr rückt mit den Jahren ihre Haltung der schonungslosen Selbstbefragung ins Zentrum. Die Mehrzahl der Bilder sind Selbstdarstellungen, subjektiv zerrissen wie eine gemalte Beichte. Dabei werden ihre Selbstbilder zu Masken und Larven, zu Mensch-Tier- oder Maschinen-Mischwesen. Einzigartig dabei ist ihr Befindlichkeits-Vokabular, das tief aus ihrem Inneren herzukommen scheint:
"Es geht um physische Bedingungen, die sich im eigenen Körpergehäuse feststellen lassen. Druck- und Völlegefühl, Spannungs- und Ausdehnungsgefühle. Für sie war es extrem wichtig, Malerei an zutiefst menschliche Gefühle zu knüpfen. Das hat Bezüge zum Avantgarde-Kontext, zu Body Art und performativen Strategien der Kunst. Da kann man verstehen, dass der Ort der Kunst nicht nur auf der Leinwand stattfindet, sondern dass er sich erweitert zum Gefühl des Betrachters, ausgehend von ihrer eigenen Gefühlswelt."
Bei solchen Metamorphosen können Menschen zu Maschinenformen mutieren oder auch in reine Abstraktion. So entstehen stark erotisch aufgeladene, oft auch verstörende Bilder, hier realistisch, dort komplett abstrakt. Hier wurzelt auch die Idee der "Körpergefühlsbilder" von Maria Lassnig. Da sind die großen Gefühle Trauer und Schmerz, Freude oder Glück, aber auch die so oft weggedrückten, unbeachteten Empfindungen. Dabei malt sie durchaus nicht aus dem Bauch, sondern konzentriert aus dem Kopf - dort, wo das Gefühl zum bewegenden Bild wird. Hier liegen die Übergänge Maria Lassnigs zum Film. Interessanterweise sind die beiden Filme ohne jede Spur von Voyeurismus; der weibliche Körper - so oft reiner Anlass zu männlicher Betrachtung - wird Gegenstand von "body-awareness", die in den 70er-Jahren Einzug in die Kunst hält. Körper-Realität wächst unversehens über die Demonstration von Körperlichkeit hinaus; sichtbar wird physische Substanz, geradezu schmerzhaft-schön. So erweitert die malende Hexerin Maria Lassnig Body Art und Performance in große Kunst.
"Sie ist ja eine Künstlerin, die ihr Werk nicht so sehr von stilistischen Dingen denkt; in erster Linie zählt ihr der Inhalt. Sowohl gesehene als auch gefühlte Anteile prägen ihre Bilder. Das war alles in den späten 40ern beeinflusst von Tachismus und Informel. Dann kam der Perspektiv-Wechsel: Plötzlich wurde die innere, eigene Körper-Realität wichtiger als die äußere, aus der Distanz wahrgenommene Körperfülle. Seitdem macht sie dieses lichtlose Innen sichtbar mit ihren Werken."
Zu diesem "lichtlosen Innen" trägt ihr malerischer Duktus bei. Ihre Farbgebung ist erschreckend: Wie mikroskopierte Querschnitte aus dem eigen Körper muten manche Einzelheiten an, türkis fluoreszierend, aschfahl, dann wieder feurig flatternd, wie aufgescheucht. Immer mehr rückt mit den Jahren ihre Haltung der schonungslosen Selbstbefragung ins Zentrum. Die Mehrzahl der Bilder sind Selbstdarstellungen, subjektiv zerrissen wie eine gemalte Beichte. Dabei werden ihre Selbstbilder zu Masken und Larven, zu Mensch-Tier- oder Maschinen-Mischwesen. Einzigartig dabei ist ihr Befindlichkeits-Vokabular, das tief aus ihrem Inneren herzukommen scheint:
"Es geht um physische Bedingungen, die sich im eigenen Körpergehäuse feststellen lassen. Druck- und Völlegefühl, Spannungs- und Ausdehnungsgefühle. Für sie war es extrem wichtig, Malerei an zutiefst menschliche Gefühle zu knüpfen. Das hat Bezüge zum Avantgarde-Kontext, zu Body Art und performativen Strategien der Kunst. Da kann man verstehen, dass der Ort der Kunst nicht nur auf der Leinwand stattfindet, sondern dass er sich erweitert zum Gefühl des Betrachters, ausgehend von ihrer eigenen Gefühlswelt."
Bei solchen Metamorphosen können Menschen zu Maschinenformen mutieren oder auch in reine Abstraktion. So entstehen stark erotisch aufgeladene, oft auch verstörende Bilder, hier realistisch, dort komplett abstrakt. Hier wurzelt auch die Idee der "Körpergefühlsbilder" von Maria Lassnig. Da sind die großen Gefühle Trauer und Schmerz, Freude oder Glück, aber auch die so oft weggedrückten, unbeachteten Empfindungen. Dabei malt sie durchaus nicht aus dem Bauch, sondern konzentriert aus dem Kopf - dort, wo das Gefühl zum bewegenden Bild wird. Hier liegen die Übergänge Maria Lassnigs zum Film. Interessanterweise sind die beiden Filme ohne jede Spur von Voyeurismus; der weibliche Körper - so oft reiner Anlass zu männlicher Betrachtung - wird Gegenstand von "body-awareness", die in den 70er-Jahren Einzug in die Kunst hält. Körper-Realität wächst unversehens über die Demonstration von Körperlichkeit hinaus; sichtbar wird physische Substanz, geradezu schmerzhaft-schön. So erweitert die malende Hexerin Maria Lassnig Body Art und Performance in große Kunst.