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Ohne Kittel und Reagenzglas

Das Schülerlabor der Universität Bochum gibt es seit gut sechs Jahren. Neu ist das geisteswissenschaftliche Schülerlabor - das bisher einzige an einer Hochschule in Deutschland. Dort wird beispielsweise erforscht, ob schlechte Menschen mehr wert sind als gute Tiere.

Von Andrea Groß |
    "Also Labor klingt ja eher immer so – was mit chemischen Experimenten oder so. Ich habe es mir schon anders vorgestellt, aber ich fand es auch gut. Ist mal was anderes."

    Die Irritation der 17-jährige Lisa ist verständlich: Das geisteswissenschaftliche Schülerlabor ist ein Schulungsraum für Universitätsmitarbeiter. Versuchsanordnungen oder Laborkittel gibt es hier keine. Aber so arbeiten Historiker oder Sprachforscher in der Regel auch nicht.

    Der Raum ist gut ausgestattet mit Laptoparbeitsplätzen, Tischen für Arbeitsgruppen, Beamer und einer Leinwand, die bei Nicht-Gebrauch in der Decke versenkt werden kann. Er ist dennoch ein Provisorium, erklärt Gilbert Heß, der die Projekte des geisteswissenschaftlichen Labors an der Ruhr-Uni Bochum koordiniert. Im Zuge der laufenden Campus-Sanierung werden hoffentlich eigene Räume herausspringen. Ob die anders eingerichtet werden, kann Heß nicht versprechen. Seine Arbeitsmaterialien muss ein Geisteswissenschaftler ja ohnehin an den unterschiedlichsten Orten zusammensuchen. Das gilt auch für die Besucher des geisteswissenschaftlichen Schülerlabors:

    "Unser Ansatz ist es, dass wir mit den Objekten arbeiten wollen. Wir wollen also die Schülerinnen und Schüler zu den Objekten hinführen und an den Objekten ganz konkret arbeiten. Das heißt, dass wir mit den Sammlungen auf dem Gelände der Ruhr-Universität arbeiten, aber auch mit Kulturinstitutionen, die hier in der Region zu finden sind. Zum Beispiel das Stadtarchiv oder Situation Kunst, Museen, Archive und so weiter."

    Das geisteswissenschaftliche Schülerlabor soll das bisherige naturwissenschaftliche Angebot der Uni Bochum für Schüler ergänzen. Während der Schulzeit sind die Projekte für ganze Klassen oder Kurse gedacht, in den Ferien können sich allerdings Schüler ab der fünften Klasse auch einzeln anmelden. Das Spektrum der Angebote reicht von Medienwissenschaft, in der es beispielsweise um die Bildsprache in der Fotografie geht, über Literaturwissenschaft, Kunst, Jura bis hin zu Angeboten aus der Erziehungswissenschaft. Da untersuchen Schüler empirisch ihren eigenen Unterricht. Laborkoordinator Gilbert Heß erklärt, was in allen Projekten vermittelt werden soll:
    "Unser Ziel ist es, ein fundiertes Verständnis von wissenschaftlichem Arbeiten und Forschen zu vermitteln. Also wir wollen keine Showveranstaltung hier bieten, wir wollen auch nicht das, was in den Schulen nicht geleistet werden kann, kompensieren, sondern wir wollen Orientierungsmöglichkeiten bieten, wie ein späteres Studium in den Geisteswissenschaften aussehen kann."

    Während das naturwissenschaftliche Schülerlabor der Uni Bochum seit Jahren am Rande seiner Kapazitäten arbeitet, ist die geisteswissenschaftliche Abteilung noch nicht so weit. Gilbert Heß ist aber mit der Nachfrage der ersten sechs Monate durchaus zufrieden.

    Heute ist zum Beispiel der Religionskurs der Jahrgangsstufe elf des Bochumer Schiller-Gymnasiums da, um über ein ethisches Thema zu forschen. Es geht sensible Fragen zu Tierrechten, zu Menschenwürde und medizinischen Abwägungen. Zur Vorbereitung haben die 14 Schülerinnen und Schüler einen Text lesen müssen bei dem der 17-jährigen Jana schon klar wurde, dass an der Uni andere Anforderungen gelten, als in der Schule.
    "Der Text war anders. Er war halt viel länger und umfassender. Also in der Schule bekommen wir Texte von ein, zwei Seiten und hier hatten wir jetzt wirklich einen, der zwölf Seiten lang war und das war noch nicht mal alles, was darin vorkam."

    In der ersten Stunde klären Schüler und Projektleiter, ob es Verständnisfragen zum Text gibt. Der Autor des Textes wird vorgestellt – es handelt sich um den australischen Philosophen Peter Singer, der einige provokante Thesen zum Thema Ethik aufgestellt hat. Der Projektleiter erläutert, was Singer sonst noch geschrieben hat, damit die Schüler ihren Text ein bisschen einordnen können. Die Fragezeichen in den Gesichtern werden deutlich kleiner. Nach einer kurzen Pause teilt sich die Gruppe, um verschiedene Aspekte des Themas herauszuarbeiten.
    In Arbeitsruppen tragen sie Argumente zusammen, diskutieren, formulieren Fragen, die sich ergeben, ziehen Schlussfolgerungen. Alles wird aufgeschrieben, denn jede Gruppe präsentiert am Ende den anderen ihre Ergebnisse. Lukas mit den wild vom Kopf abstehenden Dreadlocks hatte zu Beginn freimütig bekannt, den Text von Singer gar nicht gelesen zu haben. Dennoch hat er sich fleißig an der Diskussion beteiligt und eine Menge Erkenntnisse gewonnen:
    "Ich habe nicht gedacht, dass das alles so komplex ist. Es gibt nämlich schon sehr viele Probleme, sag ich mal. Ich fand es sehr interessant, da jetzt mal drüber zu diskutieren und jetzt habe ich auch sehr viel mehr erfahren. Da werde ich jetzt glaube ich noch mehr drüber lesen. Das interessiert mich schon."

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