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Ohne Luther kein Bach

Johann Sebastian Bach wurde in Eisenach geboren. Zweihundert Jahre zuvor ging hier Reformator Martin Luther in die Lateinschule. Eine Ausstellung in Eisenach widmet sich den musikalischen Werken beider - schließlich hat Bach 30 der 37 Lieder Luthers vertont.

Von Michael Köhler |
    Wo Bach geboren wurde, ging Luther zweihundert Jahre zuvor in die Lateinschule. In Eisenach sind aus zufälligen Lebensgeschichten notwendige Kulturkreuzungen entstanden. Luther und Bach sangen jeweils in der Eisenacher Georgenkirche.

    "Man vergisst, dass Bach ja wirklich Luthers Lehre aufgesogen hat, im Unterricht, in seiner Kindheit, jeden Tag ein Stück des Katechismus, Singen eines Lutherliedes, jeden Tag, von Montag bis Samstag. Und in Leipzig musste Bach seinerseits Katechismus Unterricht erteilen. Jeden Samstag um sieben Uhr wurden die Thomaner von ihm im Katechismus geprüft. Also der Luther war ihm in Fleisch und Blut übergegangen."

    Jörg Hansen, Direktor des Eisenacher Bachhauses hat eine kleine kostbare Spezialausstellung am historischen Ort zusammengestellt.

    Zur Erneuerung des Gottesdienstes setzte Luther auf die Macht der Musik, des selber gesungenen geistlichen Liedes.

    "Das Gemeindegesangbuch ist, wenn man so will, die schönste Errungenschaft der Reformation. Vor der Reformation gab es keine Gesangbücher. Die Gesangbücher sind mit Luthers Liedern untrennbar verbunden."

    Der gesellschaftlich kulturelle Umbruch war also ein doppelt medialer: buchgestützter Gesang, Popularisierung reformatorischer Ideen durch Flugblätter. Sehr salopp gesagt, war das früher evangelischer Pop zum Mitsingen. Museumschef Hansen

    "Eine Ausstellung, die sich Luthers Liedschaffen widmet, muss Gesangbücher zeigen. Aus ihnen wurden die Lieder gesungen. Und deswegen schlagen wir sie mit den Liedern auf und man kann sie im Prinzip mitsingen. Die Melodien sind alle lesbar und darüber stehen die Texte. Und wer insgeheim in der Ausstellung vor sich hin summen und brummen will, ist herzlich eingeladen."

    Das erste deutsche Gesangbuch von 1524, das Achtliederbuch, das Erfurter Enchiridion von 1527 und das große Kantorenbuch von 1530 sind nur drei Beispiele für die Ausstellung zahlreicher Originale. Sie zeigen noch einmal eindrücklich wie sehr unsere Kultur buchgestützt ist. Erst der Buchdruck und die Popularisierung durch Flugblatt und Gesangbuch machte Reformation zum flächendeckenden Phänomen einer individualisierten Gewissensbefragung, Seelenveränderung und frühen Demokratisierung.

    Ausstellungsmacher Hansen erklärt , dass Johann Sebastian Bach in den seltensten Fällen eigene Choral Melodien komponiert hat, sondern auf Melodien anderer zurückgriff, so auch auf Luthers eigene Kompositionen. "Eine feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen. Er hilft uns frei aus aller Not, die uns jetzt hat betroffen." Das ist nicht nur die vielleicht berühmteste Bachkantate von 1736 (BWV 80). Sie ist auch das, was Heinrich Heine die "Marseillaise der Reformation" nannte. Sie stammt aus Luthers Feder, der 1523 dazu aufrief, dass das Volk in der Messe sänge

    "Neu war, dass Luther, das Lied feste in den Gottesdienst integrierte. Ein Beispiel sind die Gradual –Lieder oder de tempore –Lieder, die Advents – Lieder in der Adventszeit oder ein Osterlied in der Osterzeit, das also wirklich jeden Sonntag gesungen wurde. das hat Lieddichter so beflügelt, dass es bald für jeden Sonntag im Kirchenjahr gab. Das Lied war also fester Bestandteil der Liturgie und das unterschied Luther bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil von der katholischen Kirche."

    Eine Art Hit wird "Vom Himmel hoch, da komm ich her", das Luther für die Hausandacht geschrieben hatte und das 1535 ins Wittenberger Gesangbuch fand. "Ich bring euch eine gute Mär. Der guten Mär bring ich soviel, Davon ich singen und sagen will." Engel, Hirten, Erzähler und Gemeinde singen und sagen darin viel. Bach vertonte das Lied oft. Etwa im Magnifikat, am Mittag des ersten Weihnachtstages 1723 und im Weihnachtsoratorium 1734 gleich mehrfach. Schließlich hat Johann Sebastian Bach wenigstens 30 der 37 Lieder Luthers vertont. Jörg Hansen

    "Ohne Luther kein Bach, ist ja immer das Schlagwort und es stimmt ja auch. Ohne Luthers Begeisterung für die Musik hätte es nicht die Stellen für Kantoren und Organisten gegeben. Aber Bach war auch mit Herz und Verstand ein Lutheraner. Er hat die Lieder ausgedeutet, sehr geschickt. Er flicht neue Gedanken ein, in die Lieder, vertont sie anders als gewohnt. Alles hat einen Sinn bei Bach. Und ich denke, er ist ein Ausdeuter der Lutherischen Lieder gewesen."

    Am historischen Ort kann man an acht Hörstationen jeweils von Luther gedichtete und komponierte Lieder in mindestens einer Bachschen Fassung anhören und dazu die Gesangbücher des frühen 16. Jahrhunderts einsehen. Die Dreifaltigkeit begegnet dem Hörer in jeder Triole.

    Sonderausstellung: "Bach, Luther und die Musik”
    25. Februar bis 11. November 2012
    Eröffnung: 24. Februar 2012, 17.00 Uhr
    Bachhaus Eisenach, geöffnet täglich 10.00-18.00 Uhr
    Frauenplan 21, 99817 Eisenach