Seit jeher befasst sich die Menschheit mit der "Vermessung von Zeit und Raum". Die ursprünglich kreierten Maßeinheiten wie Elle, Spanne, Fuß, oder auch die Sonne zur Messung der Zeit reichten irgendwann nicht mehr aus um Gesehenes und Geschehenes genau genug zu dokumentieren und so wurden unsere Messeinheiten immer präziser. Damit hängen die Begriffe der Zeit und des Raumes auch mit neuen Entdeckungen, nie dagewesenen Möglichkeiten und Veränderungen zusammen - und letztendlich auch mit immer neuen Konflikten. Bisher unbekanntes Land brachte auch fremdartige Kulturen, Religionen und Riten mit sich und das Zusammentreffen verschiedener Lebensweisen, gemeinsam mit dem jeweiligen Anspruch auf das eigene oder neu entdeckte Land, endete nicht immer für beide Seiten gut.
Die Vermessung von Zeit und Raum spielte jedoch nicht nur für Entdecker und Eroberer eine große Rolle. Auch in der Philosophie und der Mathematik nimmt sie einen wichtigen Platz ein. Was für die einen eine Form des Denkens ist, etwas nicht zu Veranschaulichendes, ist für die anderen eine mess- und berechenbare Eigenschaft. Aber was genau sind Zeit und Raum eigentlich? Was wäre, wenn weder das eine noch das andere in einer messbaren Form existieren würde? Und wie hängt beides eigentlich zusammen?
Unser ausgewähltes Exponat, der Erdglobus des Johannes Schöner von 1515 (hmf X14610), nimmt unter den kulturgeschichtlich bedeutenden Ausstellungsstücken des 'historischen museums frankfurt' den ersten Platz ein. Die eher unscheinbare Kugel misst 27 cm im Durchmesser und besteht aus Pappmaché. Sie ist mit einer handkolorierten Holzschnitt-Karte beklebt. Darauf ist erstmals auf einem Globus die nur wenige Jahre zuvor von Christoph Columbus und Amerigo Vespucci entdeckte ‚Neue Welt' als AMERICA verzeichnet. 13 Jahre nach der Gründung 1878 wurde der Globus von der Frankfurter Stadtbibliothek an das Historische Museum übergeben. Nach Frankfurt war die Weltkugel schon viel früher gelangt. In einem Inventar von 1747 beschreibt Johann Bernhard Müller "zwei schöne Globus, und weiter verschiedene andere merckwürdige Sachen".
Auch der Autor Raphael Urweider befasst sich thematisch mit der "Vermessung von Zeit und Raum". In seinem Gedicht bezieht er sich auf den portugiesischen Seefahrer Ferdinand Mangellan, der im Auftrag der spanischen Krone im 16. Jahrhundert als erster Mensch die Welt umschiffte. Erst durch Magellans Aufzeichnungen, auf die auch Urweider anspielt, bekam die Menschheit eine realistischere Vorstellung von der wahren räumlichen Dimension der Erde. Unser Autor deutet die neuen Möglichkeiten, die sich durch Magellans Entdeckungen für die spanische Krone auftaten, an und verbildlicht diese als "frischmilch der kontinente".
in der milde des nachmittags liegen
die kontinente beieinander wie schläfrige
die kontinente beieinander wie schläfrige
kühe die wiesen der ozeane sind sehr blau
mister magellan zeichnet in sein geheimes
mister magellan zeichnet in sein geheimes
tagebuch die kontinente räkeln sich
in der milde des abends mister magellans
in der milde des abends mister magellans
seekarten sind schattenrisse von heimischem
vieh wie auch träume der spanischen
vieh wie auch träume der spanischen
königin in der milde der nacht nähren sich
die kontinente an den wiesen der ebbe
die kontinente an den wiesen der ebbe
an den wiesen der flut mister magellan
skizziert die küstenlinie der kühe
skizziert die küstenlinie der kühe
in der milde des morgens schimmern
die noch leeren seiten des magellanschen
die noch leeren seiten des magellanschen
tagebuchs weit heller als die träume der
königin wie frischmilch der kontinente
königin wie frischmilch der kontinente
aus: Raphael Urweider, Lichter in Menlo Park© Du Mont 2000. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Du Mont Buchverlags
Was hat sich durch die Entdeckung neuer Kontinente und Länder verändert? Welche Möglichkeiten haben sich hierdurch aufgetan und wie hat sich die Welt gewandelt? Gibt es noch unbekanntes, unentdecktes Land oder hat der Mensch bereits alles vermessen und online sichtbar gemacht?
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Raphael Urweider geb. 1974 in Bern, ist als Schriftsteller, Regisseur und Musiker tätig. Der studierte Germanist und Philosoph verfasste, gemeinsam mit Samuel Schwarz, zwei Theaterstücke und erhielt mehrfach Auszeichnungen. Unter anderem den Leonce und Lena Preis der Stadt Darmstadt, den 3Sat-Preis, den Preis der Schweizerischen Schillerstiftung und den Clemens-Brentano-Preis der Stadt Heidelberg. Urweider wurde 2012 zum Vorsitzenden des AdS gewählt.
Veröffentlichungen (Auswahl): Lichter in Menlo Park, Köln 2000; Das Gegenteil von Fleisch, Köln 2003; Alle deine Namen. Gedichte von Sucht und Sehnsucht: Gedichte von der Liebe und der Liederlichkeit, Köln 2008
Das "historische museum frankfurt"
Frankfurt ist geprägt von einem wechselvollen 800-jährigen Stadtleben. Im "historischen museum frankfurt" am Römerberg veranschaulichen Dauer- und Sonderausstellungen sowie viele Angebote für Kinder und Erwachsene das Leben in der Stadt am Main. Vier große "Stadtmodelle" vermitteln einen Eindruck von den Veränderungen und jüngsten Entwicklungen der Frankfurter Innenstadt. In den Gewölben der Königsburg aus dem 12./13. Jahrhundert entfaltet sich die "Stauferzeit". Frankfurter Bürger deuteten die Welt, gründeten Netzwerke des Wissens und Geschmacks. Dies zeigen Gemälde, Möbel, Globen, Waffen und kostbare Fayencen von 12 bedeutenden Sammlern auf vier Etagen der Ausstellung "Frankfurter Sammler und Stifter". Das offene Archiv Bibliothek der Alten ist ein Ort, an dem Erinnerungen von Frankfurtern und Personen, in deren Leben Frankfurt eine wichtige Rolle spielte, aufbewahrt werden. Medieninstallationen, Angebote zum Anfassen und Ausprobieren sowie eine eigens konzipierte "Kinderspur" machen das Museum zu einem Erlebnisort.