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Olaf Schubert
Der Besserwisser der Nation

Man kennt ihn als den Mann mit dem karierten Pullunder mit dem ganz speziellen Blick auf die Welt. Die Kunstfigur Olaf Schubert ist inzwischen gern gesehener TV-Gast, unter anderem in der "heute-show" im ZDF. Doch das ist Olaf Schubert nicht genug: Denn jetzt wird er auch noch Synchronsprecher und leiht der Angst seine Stimme.

Olaf Schubert im Corsogespräch mit Hartwig Tegeler | 28.09.2015
    Der Kabarettist Olaf Schubert, sprechend, mit der rechten Hand in der Luft gestikulierend.
    Olaf Schubert: "Der Olaf weiß, wo es lang geht." (imago/stock&people/Reichwein)
    Hartwig Tegeler: Hören Sie ein Gespräch über eine Bühnenfigur, die in einem Animationsfilm in eine Figur schlüpft, die eine Emotion ist, und ein Gespräch, was dieses Gefühl Angst in unserer heutigen Zeit bedeutet. Und ein Gespräch darüber, was Comedy und was Satire ist. Und es wird im heutigen Corso-Gespräch auch um zwei Bilder in der französischen Satire-Zeitschrift "Charlie Hebdo" gehen, in der zwei Bilder über den kleinen ertrunkenen Migranten-Jungen, dessen Foto um die Welt ging, in satirischer Verfremdung abgedruckt wurden.
    "Alles steht Kopf" versucht, auf dem Niveau von Pixar sozusagen in die Innenwelt des Kindes einzusteigen. Und Olaf Schubert spielt die Angst. Konnten Sie das nachvollziehen, dass die Emotionen unser Leben wie ein großer Regisseur bestimmen?
    Olaf Schubert: Ja, das ist ja auch stellenweise erschütternd.
    Man hält sich immer für selbstbestimmt, und in Wirklichkeit ist man ja nur Sklave seiner Leidenschaften, seiner Triebe, in noch schlimmeren Fall wird sogar behauptet, wir sind nicht mal Sklave unserer Emotionen, sondern nur biochemischer Prozesse, aber man kann ja auch lernen, mit seinen Emotionen umzugehen und sie ein wenig zu steuern und gerade die Angst, die ich nun verkörpert hab´ ist ja, glaube ich, da.
    Sieht man ja auch gerade jetzt in der Gesellschaft. Die Angst sollte, glaube ich, ein Ratgeber sein, aber nicht unbedingt der oberste Richter über das Handeln einer Person oder einer Gesellschaft.

    Tegeler: Es gibt die Realangst, die Angst, die auch lebensspendend ist, weil wir vorsichtig werden, eben nicht bei Rot über die Ampel laufen, während der Verkehr da durch schießt. Und es gibt die Angst, die quasi ihr Eigenleben entfaltet. Sie haben ja selber jetzt schon den Switch gemacht zum realen Leben in dieser Gesellschaft. Können wir sagen, dass sich die Angst eigentlich verselbstständigt hat?
    Schubert: Tja, irrationale Ängste, da sind wir, ja klar, durch die ganzen Einflüsse, mit denen sich der Mensch auseinandersetzen muss, die Medien, das Internet und alles, was da auf einen einstürzt.
    Das muss ja so ein kleines Gehirn erst mal so irgendwie sortieren in seiner Freizeit. Am besten wäre es natürlich, wenn jeder Regisseur seiner eigenen Emotionen wäre und dann das für ihn und für alle beste Ergebnis zum Besten geben würde, aber das ist nun halt mal wirklich nicht die Realität. Näh!
    Tegeler: Habe ich eben in irgendeinem Nebensatz das richtig rausgehört, dass die Angst uns auch ganz falsch antreibt.
    Schubert: Ja, leider schon. Momentan, wenn man das so ein bisschen reflektiert, tja, gibt es ja Ängste, bei denen ich mich manchmal frage, also, na holla hopp. Näh. Wer hat zum Beispiel gewusst, dass sich syrische Flüchtlinge ausschließlich von ostdeutschen kleinen Kindern ernähren, näh, dass sie die kochen und braten.
    Das, tja, das ruft natürlich Ängste hervor, diese Informationen. Und ich bin erstaunt, dass das so, dass das immer auf so fruchtbaren Boden fällt.
    Die Knechtschaft des geschriebenen Wortes
    Tegeler: Olaf Schubert, ich bleibt noch mal einen ganz kleinen Moment beim Film.
    Also, im Jahr 1995 entwickelte der Mann, der jetzt vor mir sitzt, die Bühnenpersönlichkeit Olaf Schubert. Diese Karriere als Komiker findet auf der Bühne statt, und auf der Bühne findet sicher eine Mixtur aus Improvisation und geschriebenen Texte, Sketchen, statt. Und dann geht so einer ins Studio, ein riesengroßes Hollywood-Studio, Dependance Synchronisationsstudio Berlin und muss sich da in die Rolle fügen.
    Schubert:... in die Knechtschaft des geschriebenen Wortes. Ja, aber man muss natürlich sagen, das macht man ja auch gerne, wenn man das Gesamtprodukt schon mal gesehen hat und weiß ... Man ist ja quasi auch.
    Man kann ja Mosaiksteinchen eines großen Mosaiks sein. Und dann macht das natürlich Spaß. Und man lernt ja auch mit seinen Aufgaben. Das war für mich ja auch mal was völlig Neues, ja, den Anweisungen eines Regisseurs Folge zu leisten. Und sich anzupassen. Und genau im richtigen Moment das Richtiges zu platzieren. Das war für mich insofern kein Gefängnis, sondern eine Erweiterung des Horizonts.
    Tegeler: Ist da denn auch noch Olaf Schubert drin in der "Angst"?
    Schubert: Ja, schon. Aber ist natürlich schon sehr zurückgenommen.
    "Ich weiß auch gar nicht, wann ich wer bin"
    Tegeler: Olaf Schubert, die Kunstfigur ist eine Maske. Und mit der ist etwas auszuleben. Das ist einfach das Prinzip der Kunstfigur ...
    Schubert: Ja, ich weiß auch gar nicht, wann ich wer bin und warum und wie und gegen wen und wie lange. Wer ist schon nur er selbst. Näh. Ich meine, wir bestehen aus, aus unterschiedlichen Persönlichkeiten, die sich in unterschiedliche Lebenssituationen Gehör verschaffen, Luft verschaffen. Und ich hoffe, ich bin nicht der Einzige, der dagegen Tabletten nehmen muss. [Lacht.]
    Tegeler: Irgendwie ist dieser Olaf Schubert, wenn wir ihn auf der Bühne sehen, ein überzeugter Besserwisser.
    Schubert: Das ist sehr richtig: Der Olaf weiß, wo es langgeht. Und wenn alle seinen Anweisungen Folge leisten würden, dann wären wir, glaube ich, schon ein gutes Stück weiter. Ich glaube, jeder, der so überzeugt ist wie ich, also wie Olaf, der, wenn man gehört werden möchte, dann muss man sich Gehör verschaffen, und dann in komprimierter Form die Botschaft über die Menge ergießen.
    Tegeler: Mich interessiert, ob die Kunstfigur Olaf Schubert getrieben wird von etwas, was man Unlogik nennen kann, was man diese berühmten Gedankensprünge, die man immer wieder hört von Olaf Schubert. Sind die überhaupt noch die einzige Möglichkeit, diese Welt, die wir eben schon mal angetastet haben, als wir über Angst gesprochen haben, überhaupt noch zu durchdringen, zu ertragen?
    Schubert: Ja, ist zumindest Auftrag des Unterhaltenden oder Künstlers, wie immer man ihn nennt, Dinge aus anderen Perspektiven zu beleuchten. Oder man muss auch eine politische Debatte und Dinge analysieren. Aber da ist auch in jedem Fall, auch wenn es notwendig ist, ermüdend. Und zermürbend. Was ja auch eine gewisse Verdrossenheit schafft, sodass man das Gefühl hat, ja, alle quatschen, alle reden, alles wird stundenlang auseinander genommen. Und nichts passiert. Dieser Eindruck herrscht ja in der Bevölkerung. Und wenn man dann als Bühnenschaffender das Privileg hat, mal zu sagen, peng Luftikus, jetzt mal anderer Klartext, dann hat das schon eine befreiende Wirkung.
    "Ein guter Witz ist ein guter Witz"
    Tegeler: Wie weit darf Satire gehen?
    Schubert: Tja, eigentlich wird es ja oft erst spannend, wenn man, sage ich mal, konventionelle Grenzen überschreitet, näh. Momentan tun sich natürlich auch neue Grenzen auf, manchmal sogar selbst auferlegte, manchmal, wie nennt man, na ja, Pietät. Aber ein guter Witz ist ein guter Witz. Näh. So sollte es eigentlich bleiben.
    Tegeler: "Putin, mit einer Hand erwürgt er Elefanten, mit der anderen unterschreibt er Todesurteile." Ist das ein guter Witz?
    Schubert: Wenn ich es jetzt so höre, nicht. Im Gesamtkontext ja.
    Tegeler: Also ich zitiere einfach nur einen Satz. Und das klingt dämlich. Sie haben ein Gesamtkonzept für die Figur, die hat eine Aura auf der Bühne, und da bekommt er Satz eine ganz andere Bedeutung.
    Schubert: So würde ich es sehen. Ja. Es ist ja so, ich weiß gar nicht Satire. Eigentlich will ich ja - erzählt man ja Geschichten mit gewissen Entgleisungen. Irgendjemand hat mal gesagt, Olaf Schubert wäre ein Geschichtenerzähler.
    Das fand ich, glaube ich, sehr treffend. Er nimmt die Leute mit auf eine Reise, und dort erlebt man dann dieses, jenes und das. Und das wir mal politisch und mal unpolitisch und mal unter der Gürtellinie. Und alles dieses und jenes. Und so muss es ja irgendwie sein.
    "Alle wollen schockieren"
    Tegeler: Wir haben ja eben über die augenblickliche Situation gesprochen in unserer Gesellschaft. Das Thema "Flüchtlinge", "Migranten". Gerade, diesem Interview, gab es einen Skandal über Satire. Und zwar "Charlie Hebdo" hat das Bild des kleinen, ertrunkenen Migrantenkindes genommen und daraus in der aktuellen Ausgabe eine Satire gemacht. Und interessant ist, dass der Chefredakteur sagte als Kommentar zu dieser Empörung, das darf ich kurz zitieren: "Satire muss einen Schock provozieren!"
    Würde die Figur Olaf Schubert dem zustimmen?
    Schubert: Na ja, alle wollen schockieren. Die Journalisten wollen aufdecken, und die Filmemacher wollen die Gefühle bloß legen. Also, mir geht es eher so, dass ich davor schütze, also ich und Dinge, die ich nicht an mich heranlasse, mit diesen Dingen möchte ich auch mein Publikum nicht konfrontieren. Und bin da, ja, sehr reserviert.
    Tegeler: Was heißt, Sie schützen sich vor solche Sachen?
    Schubert: Also, bei der Flut von Informationen und Emotionen und Bildern und, was weiß ich, was auf den modernen Neuzeitmenschen einströmt, habe ich doch ein sehr ausgeprägtes Gefühl, mich da stellenweise auch schützen zu müssen.
    Also, ich informiere mich, aber ich muss jetzt nicht jedes Bild sehen und alles. Und das wird dann gefiltert. Also, mir genügt eigentlich oft ein grober Überblick. Die Details sind oft so furchterregend, die bringen mich nicht weiter.
    Betroffenheitslyriker, Mahner und Erinnerer
    Tegeler: Die Figur Olaf Schubert als will kein Schwamm für die Zeit sein, sondern wie will auch ein Eigenleben entwickeln?
    Schubert: Das ist bestens formuliert. Das habe ich eigentlich versucht, in der ganzen Zeit jetzt auszudrücken. Also, in meiner Funktion als Liedermacher und Betroffenheitslyriker, als Mahner und Erinnerer, als Vergewaltiger des Bösen hätte ich es eigentlich haargenau so ausdrücken müssen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.