Susanne Lettenbauer: Warum setzen Sie sich als weltbekannter Künstler so intensiv mit dem Klimawandel auseinander?
Olfafur Eliasson: Ich bin ja eigentlich tatsächlich in Kopenhagen zum größten Teil aufgewachsen und als Kind dann oft nach Island zu meinen Großeltern da "hingeschickt" worden, sollte man vielleicht sagen. Aber dann war ich halt mit ihnen oft im Sommer unterwegs, mit Zelt und Camping. Ich glaube - obwohl ich das jetzt auch nicht so romantisieren würde -, das hat mich danach schon noch irgendwie sehr berührt.
"Natur ist Teil der alltäglichen Diskussion"
Lettenbauer: Wenn man jetzt die Bilder anschaut, dann sieht man: Die Gletscher sind empfindlich geworden, sie sind kleiner geworden. Die sind doch einfach immer stärker von dem Klimawandel betroffen. Sie haben vor die Tate Modern ja schon des öfteren Gletscherbrocken gekippt. Hier sind es ja jetzt quasi nur Fotos. Sonst sind Sie ja vor allem für Ihre großen Installationen bekannt.
Eliasson: Ich habe Fotos immer verwendet, als Skizzenbuch oder Inspiration, oder um irgendwie zu dokumentieren, was so im Fluss war. Und als ich als Kind in Island unterwegs war, dann war es sehr deutlich für mich. Okay: Natur ist da, außerhalb von mir selber. Hier bin ich Mensch. Ich gehe zur Schule in Dänemark - das ist Kultur. Und dann ist da Island - Natur. Und ich bin dann von der Generation, die es miterleben muss, dass Natur nicht mehr außerhalb der menschlichen Reichweite ist; und das Wort "Anthropozän" ist auf einmal in den alltäglichen Diskussion. So bin ich dann zurück zu einigen meiner ganz frühen Arbeiten. Zum Beispiel die Dokumentation von Gletschern, was ich hier Ende der Neunziger gemacht habe. Da habe ich über ein paar Sommer in einem ganz, ganz kleinen Flieger, mein ganzes Taschengeld zusammen getan, um eine Dokumentation zu machen von dem, was für mich etwas sehr, sehr Rührendes war.
Lettenbauer: Also, wenn wir jetzt schon über das Fliegen reden, Sie haben die Fotos ja aus der Luft gemacht, das ist ja eines der Probleme.
Eliasson: Ja, paradoxal könnte man sagen. Das war ja so ein ganz kleiner Zweisitzer, eine Cessna - eine Cessna wie ein Tesla - könnte man sagen. Aber im Prinzip bin ich damals eben auch wegen anderer Sachen unterwegs gewesen - Flüsse und Wasserfälle - und habe sie aus der Luft dokumentiert, um so eine Art von wissenschaftliche, und eher weniger subjektive könnte man sagen, Perspektive zu finden.
Lettenbauer: Also Ihre Gletscherbrocken sind ja auch von Grönland - in dem Fall von Grönland und nicht von Island - nach London gebracht worden.
Eliasson: Ja, genau, und das Projekt mit den Gletscherbrocken, davor es war ja in Paris bei der COP15, wo die das Paris-Agreement gemacht haben. Das hat etwa 50 Tonnen CO2 gekostet, das Eis nach London zu bringen. Das entspricht im Prinzip, zwei Schulklassen von London nach Grönland zu schicken. Von wegen Fußabdruck.
Kunst per Zug verschicken
Lettenbauer: Als Künstler sind Sie ja weltweit gefragt. Sie haben sicher von der Klimaaktivistin Greta Thunberg gehört. Sie ist ja mit einem Schiff nach New York gefahren. Machen Sie das demnächst auch?
Eliasson: Ja, ich finde es wirklich bewundernswert. Ich bin ein großer Fan von ihr und habe mir mit meinem Studio und mit meinen Galeristen und meinen Transportfirmen und mit den Museen, mit denen ich zusammarbeite, zusammengesetzt und gesagt: Okay, was machen wir jetzt? Das war schon eineinhalb Jahre her. An wie vielen Knöpfen können wir drehen? Was kaufen wir als Papier? Wie verpacken wir? Mit wem verschicken wir das? Ich hab ja zum Beispiel im März eine Ausstellung in Tokio. Und das ist dann tatsächlich so: Man kann Kisten mit Kunst mit dem Zug über Russland schicken.
Lettenbauer: Wie ist das mit der Versicherung dann, fragt man sich.
Eliasson: Na ja, wir sollten da nicht so unfreundlich und "schnappig" gegen die Russen sein. Aber tatsächlich hat es die Versicherung nicht versichert, weil, das haben sie noch nie versichern müssen. Schließlich geht es darum: Man muss neue Wege finden. Ich habe ja die Tate Modern zum Beispiel dazu gebracht - ich nicht alleine - aber ich habe sie dazu gebracht, sich ein "Climate Emergency Statement" zu geben, und das man auch stark nach außen kommuniziert. Wir verschicken jetzt tatsächlich - jetzt, viel früher als ich sonst - meinen Transport am 15. Dezember durch Russland zu meiner Ausstellung nach Tokio. Ich kann den Leuten sagen in Amerika: Ich gehe erst dann nach Amerika, wenn ich fünf Projekte gleichzeitig besuchen kann. Ich kann nicht fünf Mal nach Amerika fliegen. Das müssen wir ein bisschen bündeln. Und wenn man der dann die Eröffnung machen will, dann muss man alle Eröffnungen in einer Woche machen. Man kann es schon ganz viel machen.
Lettenbauer: Sie sind ja vor allem bekannt für Ihre Lichtinstallationen. Das Konzerthaus Harpa hier in Reykjavik, 2011 eröffnet, das kann man bei Nacht mit Ihrer Lichtinstallation sehen. Da kommt man natürlich zum Thema Lichtverschmutzung, zum Thema Energieverschwendung, Energieverbrauch. Müssen Sie da als Künstler anders arbeiten in Zukunft? Wir erinnern an "Yellow Frog", das ist auch ein Werk von Ihnen. Da geht es ja immer um Licht.
Eliasson: Sie meinen die Arbeit in Wien? Ja, toll. Natürlich ist es das Ziel, dass eine gewisse Sensibilisierung mit Licht im öffentlichen Raum schon vorhanden ist. Ich habe mit einigen Städten und mit öffentlichen Institutionen auch über Beleuchtung gesprochenvon außen, weil ich viel Arbeiten in Außenraum hat und so weiter. Das ist ja tatsächlich so: Wenn man zum Beispiel ein Monument in Paris anguckt, am Champs-Élysées entlang, dann ist es ja schon so, dass da tausendmal mehr Licht auf der Konsumentenmeile ist. Das ist einfach nicht vergleichbar mit dem wenigen Licht, was auf der einen Säule und am Monument und so ist. Und die Arbeit in Wien zum Beispiel, das sind gelbe LED.
Lettenbauer: Sie haben viel mit Gletschern gearbeitet, jetzt zeigen sie die Bilder. Ist das so ein Aufschrei auch Ihrerseits?
Eliasson: Aufschrei - eigentlich nicht, weil ich glaube eigentlich, es geht mir darum: Wie werde ich von so was hier berührt? Ich bin eigentlich hoffnungsvoll. Das hier ist nicht ein dystopischer Schrei. Was allerdings wichtig ist, ist, wenn man jetzt genau hinguckt, dann ist es so, wie Sie sagen: Wir wissen, was los ist. Wir können es ja sehen. Wir haben die Daten. Wir wissen, dass es wahr ist. Aber das ist, als würden wir es nicht genau glauben. Das heißt, zwischen Wahrheit und Glauben ist ja noch ein kleines Stück. Deswegen ist das für mich so ein Ausdruck. Hier geht es um eine gewisse Sensibilisierung, um etwas Unsichtbares sichtbar zu machen, also das, was wir hier vor uns nicht sehen. Und das ist ja eben das geschmolzene Eis.
Ausstellungen bündeln, Fliegen reduzieren
Lettenbauer: Also diese "Presence of Absence", so hieß einmal ein Werk von Ihnen.
Eliasson: Ja, eben, und deswegen ist das für mich der Unterschied zwischen Wissen und Glauben, damit umzugehen.
Lettenbauer: Man kann ja ein kleines Stück Ihres Werkes "The little sun" kaufen. Das sind so gelbe Leuchten, Solar-Glühbirnen einfach. Wie läuft denn das eigentlich?
Mit kleinen Dingen Großes erreichen
Eliasson: Ganz gut. In einer Woche, in fünf Tagen, glaube ich, verkaufen wir die "Little Sun" Nummer eine Million. Das heißt von wegen Offset und Klima. So kann man auch mit einer sehr kleinen Idee, und das fördere ich auch, man kann wirklich mit etwas sehr Kleinem auch etwas sehr Robustes erreichen.
Lettenbauer: Olafur Eliasson, wir sind jetzt auf Island. Wie fahren Sie zurück nach Dänemark? Mit dem Schiff?
Eliasson: Nein, ich muss leider fliegen, und das ist tatsächlich auch so: Ich muss jetzt damit umgehen, mit einem Flugplan in meinem Studio. Wir sind ja 120 Leute. Das heißt, ich kann jetzt nur so und so viele Reisen pro Jahr machen. Und nächstes Jahr zwei weniger, nächstes Jahr zwei weniger. Und 2030 bin ich dann bei vier Reisen im Jahr. Dann ist es ja auch noch nicht vorbei. In 2050 soll die EU klimaneutral sein, komplett.
Lettenbauer: Da gibt es dann nur noch einen Flug.
Eliasson: Na, dann hasse ich dann aber die Flugindustrie. Nein, ich glaube, in 2050 fliegen wir alle mit elektrischen Fliegern. Ganz sicher. Mit Solarzellen wahrscheinlich.
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