Knapp 200 Nationen haben sich auf der Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen auf eine gemeinsame Abschlusserklärung geeinigt. Das Ende der Kohle rückt damit näher, klimaschädliche Subventionen sollen wegfallen und die Entwicklungsländer mehr Geld erhalten, so der Auftrag an die teilnehmenden Staaten. Die einen sprechen jetzt von einem guten Kompromiss, andere sind eher enttäuscht.
"Zufrieden kann man damit sicher nicht sein", sagte Oliver Krischer, Vize-Fraktionschef der Grünen im Bundestag, im Deutschlandfunk. Die Staaten seien nicht ambitioniert genug gewesen. Auf der anderen Seite gebe es auch Fortschritte, die vor einigen Jahren noch niemand erwartet hatte. So seien das Aus der Kohle und auch das Ende des Verbrennungsmotors im Abschlussdokument zumindest aufgenommen.
Deutschland müsse beim Klimaschutz wieder in einer Vorreiterrolle kommen, sagte Krischer. Minister der geschäftsführenden deutschen Regierung hätten auf der Klimakonferenz dafür gesorgt, dass Deutschland in einer Bremserrolle aufgetreten sei. Das werde sich unter einer Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP ändern. "Ich gehe davon aus, dass diese Koalition es ernst meint mit den sie tragenden Parteien für einen ambitionierten Klimaschutz", sagte Krischer.
Das vollständige Interview im Wortlaut:
Barbara Schmidt-Mattern: Herr Krischer, was leiten Sie ab aus diesen Ergebnissen? Vielleicht zunächst Ihre Bewertung. Ist das ein Abschlussdokument, das Sie als Grünen-Politiker zufriedenstellen kann?
Oliver Krischer: Nein. Zufrieden kann man damit sicher nicht sein. Dazu bräuchte es viel mehr Ambitionen der Staaten. Aber auf der anderen Seite haben wir natürlich auch Fortschritte, mit denen vor zwei, drei Jahren nicht zu rechnen war. Dass wir beispielsweise auf solchen Klimakonferenzen jetzt das Aus der Kohle zumindest ins Abschlussdokument aufnehmen, dass das Ende des Verbrennungsmotors klar im Raum steht, das sind Fortschritte, die sicherlich positiv sind und die in Deutschland dann auch entsprechend umgesetzt werden müssen. Wir müssen als Deutschland da wieder in eine Vorreiterrolle kommen.
Schmidt-Mattern: Dazu bekommen Sie jetzt wahrscheinlich demnächst die Gelegenheit, wenn eine Ampel-Koalition in Deutschland zustande kommt, und Sie sprechen davon, dass es dann mehr Ambitionen der Staaten braucht. Steigt Deutschland, wie von den Grünen ja gewünscht, im Jahr 2030, früher als geplant, aus der Kohle aus?
Krischer: Ja. Das muss das Ziel sein, weil wenn wir das nicht schaffen, 2030 aus der Kohle auszusteigen, dann sind alle Klimaschutzziele, alle Verpflichtungen, die wir international gemacht haben, obsolet. Das ist ja die Krux, dass die Kohle in Deutschland immer noch so eine starke Rolle hat, und deshalb ist das natürlich auch Rückenwind von der COP, auch wenn ich mir da mehr Ambitionen gewünscht hätte.
„Wir brauchen wir einen Kohleausstieg 2030“
Schmidt-Mattern: Herr Krischer, Sie sprechen davon, dass dies das Ziel ist. Das wissen wir längst. Es steht ja auch in Ihrem Sondierungspapier drin. Die Frage ist jetzt: Wird aus diesem Ziel auch Realität? Werden Sie sich auf das Jahr 2030 einigen können?
Krischer: Es muss ja darum gehen, dass wir eine ambitionierte Klimaschutzpolitik machen, und diese Koalition hat sich vorgenommen, auf den 1,5 Grad Pfad zu kommen, die Ziele zu erfüllen. Und ohne einen Kohleausstieg 2030 ist das nicht machbar. Das würde bedeuten, wenn man das nicht tut, dass wir in den anderen Sektoren, Gebäude, Verkehr, noch viel ambitionierter sein müssen, wo wir ja auch schon heute die Ziele verfehlen, und deshalb brauchen wir einen Kohleausstieg 2030.
Schmidt-Mattern: Sie wollen sich im Moment aber nicht auf ein festes Ausstiegsdatum festlegen?
Krischer: Wir haben im Sondierungspapier die 2030 stehen. Das ist das, was wir machen müssen, das, was diese Koalition vereinbaren muss, um Klimaschutzziele zu erreichen. Wie wir das jetzt konkret umsetzen, welche Maßnahmen dazu gehören, dazu finden jetzt die Koalitionsverhandlungen schon länger statt, werden fortgesetzt. Ich gehe davon aus, dass diese Koalition es ernst meint mit den sie tragenden Parteien für einen ambitionierten Klimaschutz.
Schmidt-Mattern: Ein Kommentator in der linken Tageszeitung „taz“ hat Ihnen am Wochenende vorgeworfen, die Grünen seien zu nett und würden nur die FDP bei Laune halten wollen. Ist da was dran aus Ihrer Sicht?
Krischer: Was manche Kommentatoren da schreiben – verhandelt wird hinter verschlossenen Türen. Da wird hart gerungen und da wird an Lösungen gearbeitet. Diejenigen, die da draußen sehr laut unterwegs sind, das muss man vielleicht alles relativieren und einordnen.
Krischer: Wirksame Klimaschutzmaßnahmen in Sondierungspapier verankert
Schmidt-Mattern: Dann lassen Sie uns das vielleicht an ein paar Beispielen festmachen. Die Grünen wollten ein Tempolimit, sie wollten die Abschaffung der Pendlerpauschale, sie wollten Steuererhöhungen, haben sie ausdrücklich nicht ausgeschlossen im Wahlkampf, um Klimaprojekte finanzieren zu können. All das kommt jetzt nicht oder die Pendlerpauschale bleibt. Das heißt, Sie sind da vor der FDP doch eingeknickt?
Krischer: Es geht hier darum: Wir wollen den Ausbau erneuerbarer Energien. Jedes Dach in Deutschland soll eine Solaranlage bekommen. Wir wollen zwei Prozent der Landesfläche für Windenergieanlagen reservieren. Wir wollen ein Ende des Verbrennungsmotors. Auch das steht im Sondierungspapier. Das was an wirksamen Klimaschutzmaßnahmen da ist, das ist da verankert. Ich hätte gern ein Tempolimit gehabt, keine Frage. Das war ein Punkt, der entscheidend war. Über alles weitere, was die konkrete Umsetzung angeht, was beispielsweise den Abbau von umweltschädlichen Subventionen, die Sie gerade angesprochen haben, angeht, da verhandeln wir gerade. Dazu gehört, das muss Teil einer ambitionierten Klimaschutzpolitik sein.
Schmidt-Mattern: Herr Krischer, viele Ihrer Wählerinnen und Wähler fragen sich in diesen Tagen, wieviel grüne Identität Sie sich in der möglichen Ampel-Regierung eigentlich bewahren können.
Krischer: Es geht ja darum - das ist unser Auftrag, dafür sind wir angetreten -, nicht nur, aber vor allen Dingen auch für eine ambitionierte Klimaschutzpolitik einzutreten, die auf einen 1,5 Grad Pfad kommt, und ich bin sicher, dass der Koalitionsvertrag am Ende dafür eine Grundlage sein wird. Das ist die Aufgabe, die wir bewältigen müssen, weil wir viel zu lange nichts getan haben und eine Regierung in der jetzt nun mal so gewählten Konstellation muss diese Aufgabe erfüllen. Das muss aber auch ein gemeinsames Projekt sein von allen Koalitionspartnern.
Schmidt-Mattern: Haben Sie Zweifel daran, dass das kein gemeinsames Projekt ist?
Krischer: Wir Grüne kämpfen besonders darum. Andere sind da vielleicht nicht immer ganz so ambitioniert unterwegs.
Schmidt-Mattern: Wen meinen Sie damit?
Krischer: Wir sehen ja nun auch immer wieder Äußerungen, wo Klimaschutzpolitik nicht so ganz prioritär dargestellt wird.
Schmidt-Mattern: Wen meinen Sie damit?
Krischer: Es gibt ja nun viele Äußerungen, wenn ich mir die Union angucke draußen.
Krischer: Scheuer und Altmaier haben auf der COP26 gebremst
Schmidt-Mattern: Ach so! Ich hatte jetzt nach Ihren künftigen Koalitionspartnern gefragt, ob Sie da Zweifel haben.
Krischer: Nein, da habe ich überhaupt keine Zweifel, weil das drückt das Sondierungspapier ja aus. Wir erleben ja nur in der Gesellschaft beispielsweise jetzt bei der COP, wo etwa ein Minister Altmaier und ein Minister Scheuer da noch als geschäftsführende Bundesregierung intervenieren und dafür sorgen, dass Deutschland eine Bremserrolle einnimmt. Damit muss Schluss sein und damit wird auch Schluss sein in einer neuen Bundesregierung.
Schmidt-Mattern: Ihre Parteichefin, Annalena Baerbock, die hat am Wochenende gesagt, die künftige Ampel-Regierung, das muss eine Klimaregierung sein. Wie soll das gelingen, Herr Krischer, wenn Sie als Grüne mutmaßlich freiwillig auf das Bundesfinanzministerium verzichten?
Krischer: Na ja, Klimapolitik wird in allen Ressorts gemacht. Das wird ja nicht so sein, dass die Grünen alle Ressorts besetzen.
Schmidt-Mattern: Aber ohne Geld kein Klimaschutz.
Krischer: Auf der anderen Seite ist diese Frage nun überhaupt nicht entschieden. Über die Ressortverteilung reden wir zum Schluss. Ich kann Ihnen ganz offen sagen, ich kenne die Ressortverteilung nicht. Das ist eine Debatte, die kann man gerne öffentlich führen. Aber am Ende kommt es auf die Inhalte an, darauf an, dass drei Parteien sich auf eine ambitionierte Klimaschutzpolitik verständigen. Dann werden wir am Ende gucken, wer macht dann welches Ressort.
Schmidt-Mattern: Wir halten fest, Sie legen sich heute Früh im Deutschlandfunk nicht fest auf ein festes Kohleausstiegsdatum, auch nicht darauf, dass Sie weiterhin Anspruch erheben auf das Bundesfinanzministerium. Werden Sie denn den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor beschließen?
Krischer: Wir wollen aus der Kohle aussteigen 2030. Das steht auch im Sondierungspapier. Wir wollen aus dem Verbrennungsmotor aussteigen. Auch das steht im Sondierungspapier. Über die Ressortverteilung wird am Ende entschieden.
Schmidt-Mattern: Das sind Absichtserklärungen.
Krischer: Insofern gibt es überhaupt keinen Zweifel daran, dass diese Regierung genau das so machen wird. Daran arbeiten wir seit zwei Wochen, dass die Grundlagen dafür gelegt werden, dass die notwendigen Maßnahmen dafür auch vereinbart werden. Das ist jetzt die Aufgabe von Koalitionsverhandlungen.
Krischer: In den Ampel-Verhandlungen prallen unterschiedliche Auffassungen aufeinander
Schmidt-Mattern: Nun gab es am Wochenende ja Meldungen, dass vor allem Ihre Partei über den Fortgang der Koalitionsverhandlungen unzufrieden ist. Robert Habeck hat jetzt auch noch einmal angemahnt, Ihr Parteichef, dass es in der Klimapolitik stärker vorangehen muss. Dieses Unbehagen in Ihrer Partei, davon haben Sie nichts mitbekommen?
Krischer: Na ja, ich leite die Arbeitsgruppe Energie, Klima und Transformation. Selbstverständlich haben wir da hart verhandelt und selbstverständlich sind da auch unterschiedliche Auffassungen aufeinandergeprallt, weil wir haben hier verschiedene Parteien und man kann ja in die Parteiprogramme reingucken und da stehen unterschiedliche Sachen, auch unterschiedliche Ambitionen, auch unterschiedliche Maßnahmen bei der Klimapolitik drin. Dass man hier sagt, wenn wir den 1,5 Grad Pfad, ambitionierte Klimapolitik erreichen wollen, dann muss das auch mit Maßnahmen hinterlegt werden. Dass man das auch öffentlich formuliert, das ist ja selbstverständlich. Auf der anderen Seite – das haben Sie eben ja auch angesprochen – gibt es die Kritik, dass wir da zu wenig laut sind. Da muss man sich jetzt schon entscheiden: Formuliert man diese Ansprüche öffentlich oder formuliert man sie nicht.
Schmidt-Mattern: Gehen Sie mit einem klaren Masterplan heute in die nächste Runde der Hauptverhandlungen?
Krischer: Wir sind absolut gut sortiert und vorbereitet wie bei allen Punkten, nicht nur in der Klimapolitik. Ich gehe davon aus, dass das auch für alle anderen Parteien und Koalitionspartner gilt. Das ist selbstverständlich, weil wir legen hier die Grundlage für die nächste Bundesregierung und die Maßnahmen, und da ist man immer gut sortiert und vorbereitet.
Schmidt-Mattern: Wenn ich Sie da noch mal kurz unterbrechen darf? Gibt es denn rote Linien für Sie als Grünen?
Krischer: Rote Linien ist eine Diskussion. Selbst wenn es sie gibt, dann wird man sie nicht öffentlich verkünden. Was der Maßstab für uns ist, dass wir mit diesem Koalitionsvertrag und dieser Bundesregierung auf den 1,5 Grad Pfad kommen, dass wir hier eine ambitionierte Klimapolitik machen. Das ist das Ziel. Daran wird sich das auch messen lassen müssen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.