Erstmals traten bei den Olympischen Spielen 1992 die Sportlerinnen aus der ehemaligen BRD und DDR als ein gesamtdeutsches Team an. Es war eine Zusammenführung mit zahlreichen Hindernissen, aber auch positiven Geschichten. Vor allem der sportliche Erfolg bei den Spielen in Albertville und Barcelona war außergewöhnlich. "Bei Albertville ist ja wirklich das Kunststück gelungen, das erstmals der bundesdeutsche Sport Platz Eins auf der Medaillenliste errang", erklärt Dr. Jutta Braun vom Zentrum deutscher Sportgeschichte.
Dadurch seien auch Sportler wie Franziska van Almsick zu gesamtdeutschen Stars geworden. Gleichzeitig habe der große Erfolg auch einen gewissen Druck und Medaillenanspruch mit sich gebracht. Die sportliche Wiedervereinigung sei aber vor allem am gemeinsamen Ziel orientiert gewesen, betont Braun: "Also ich glaube, dass es gar nicht unbedingt eine Identifikation jetzt mit einem Menschen aus dem Osten oder Westen ist, sondern wirklich mit dem Erfolg. Das war ja auch jenseits von Olympia so." Dadurch habe man auch in der Bevölkerung eine Begeisterung entfacht.
Doping-Aufarbeitung mit Hindernissen
Doch auch die Euphorie rund um die deutschen Erfolge bei den Olympischen Spiele konnten nicht über die Problematiken hinwegtäuschen, die es in beiden Sportsystemen der BRD und DDR gab. Dazu gehörten vor allem die Doping-Strukturen. Schon vor 1992 habe es Enthüllungen zum Thema Doping gegeben: "Der Molekularbiologe Werner Franke hatte ja schon Ende des Jahres 1990 in Bad Saarow Geheimarbeiten gesichtet. Das war in der Militärakademie und er hat seine Ergebnisse mit seiner Frau Brigitte Berendonk schon 1991 veröffentlicht, in einem Buch wo man vieles nachlesen konnte damals schon, was teilweise heute noch geleugnet wird."
Unter diesem Eindruck habe auch der Deutsche Sportbund Komissionen gegründet, die sich mit der Aufarbeitung von Doping-Vergehen beschäftigen sollten. "Aber im Grunde beschränkte sich das Ganze dann eher auf eine Aufarbeitung Ost und nicht auf eine Aufarbeitung West. Zudem waren die Ergebnisse dieser Kommission geheim. Das Ganze war nicht gerichtsfest." Für einen Moment habe es dennoch einen Diskurs zum Thema gegeben, der aber schnell wieder erlosch.
Viele Trainer und Funktionäre aus dem DDR-Staatsdopingsystem waren auch bei den Olympischen Spielen 1992 noch im Einsatz. "Und der Streit war damals groß, ob verschiedene Trainer weiterarbeiten sollten. Es war was bereits damals eine sehr aufgeladene Atmosphäre, die dann eben sehr schnell auch in eine Diskussion um die deutsche Einheit kippte", sagt Sporthistorikerin Braun.
Die deutsche Wiedervereinigung im Sport aus heutiger Sicht
30 Jahre nach den Olympischen Spielen von 1992 gibt es laut Dr. Jutta Braun aber auch im Sport immer noch Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland: "Die eigentliche Differenz in der Einheit sieht man heute eher im Breitensport, weil immer noch unerklärlicherweise der Organisationsgrad in Vereinen im Osten deutlich niedriger ist als im Westen. Und es ist umstritten, weshalb das so ist." Es gebe unter anderem Stimmen, die den höheren Grad an passiver Mitgliedschaft im Osten für den Unterschied verantwortlich machen.
Die Erfolge bei den Olympischen Spielen 1992 will Braun auch mit Blick auf den heutigen Stand der Wiedervereinigung im Sport nicht überbewerten: "Ich denke, dass es für den Sport schwierig war, diese Einheit zu bewältigen. Bei aller großen Freude über die Freiheit, die damals erzielt wurde und die ja auch den Sport betrifft, vor allem den innerdeutschen Sport, der eben nicht mehr eingeschnürt war in irgendein Korsett, sondern einfach die Tatsache, dass Sportler wieder völlig ungehindert Sport treiben dürfen. Das war ein neues Ausmaß an Befreiung, an dass man immer wieder denken sollte.