Die Pose wirkt gestellt. Und so als ginge es nur darum, ein paar Accessoires ins Bild zu rücken. Die deutsche Fahne etwa, wie eine riesige Stola um die Schultern gelegt. Der Schriftzug auf der Schirmmütze ist der Name eines bekannten amerikanischen Golfausrüsters. Das andere auffällige Detail: ein großhubiger Schläger, den der Hersteller nach einem Artilleriegeschütz aus dem Ersten Weltkrieg benannt hat: Dicke Bertha.
Das Ganze, inszeniert in einem Foto, kann man seit zwei Wochen im Internet finden. Auf Instagram. Dort wo Sandra Gal fleißig Bilder aus ihrem abwechslungsreichen Leben publiziert. Darunter schrieb sie, die derzeit beste deutsche Golferin, sie fühle sich "so geehrt", ihr Land bei den Olympischen Spielen in Rio zu vertreten.
Mehr als tausend Betrachter haben das Bild schon "geliked", wie das auf Neudeutsch heißt. Und über 50 hinterließen ermunternde Kommentare, darunter auch "Olympiamannschaft", der Name, unter dem der Deutsche Olympische Sportbund in diesem Teil der Welt – den sogenannten sozialen Medien – Präsenz zeigt.
Verstoß gegen Regel 40
Besonders dieser Zuspruch mag verwirren. Denn theoretisch verstößt Gal mit dieser Produktwerbung für ihren Werbepartner gegen die ominöse Regel 40. Eine Regel, die Athleten mit ihrer Unterschrift akzeptieren und mit der das IOC jede Form von Schleichwerbung nicht lizensierter Firmen verhindern will.
Doch der Deutsche Olympische Sportbund, der die Einhaltung hierzulande überwacht, will nicht päpstlicher sein als der Papst in Lausanne. Florian Frank, Marketing-Chef des DOSB, erklärt:
"Vor der 'Frozen Period' haben wir das alles sehr positiv begleitet und haben niemanden abgegrätscht. Das war ja meistens bevor sie überhaupt bei der Einkleidung waren, bevor sie die Möglichkeit hatten, andere Sachen anzuziehen und sich damit zu verbinden. Deswegen haben wir da eigentlich nirgends eingegriffen."
Zum besseren Verständnis: Die sogenannte "Frozen Period", jene kritische Phase eines totalen Verbotes ist ein Zeitraum, der immer erst neun Tage vor den Spielen beginnt.
Glück gehabt, Sandra Gal.
Unternehmen, die solche Milde ebenfalls für sich und an Olympia angekoppelte Werbeaktivitäten in den sozialen Medien beanspruchen wollen, sollten lieber nicht darauf spekulieren. Denn ein sogenanntes Olympiaschutzgesetz gibt dem DOSB Munition, um gegen Verstöße vorzugehen. Obwohl es da Interpretationsspielraum gibt.
Der Düsseldorfer Sportrechtsexperte Dr. Paul Lambertz:
"Der eine Tatbestand ist relativ klar umrissen, nämlich dass ich mit den Olympischen Ringen nicht werben darf. Der andere Teil ist ein bisschen diffuser. Da geht es darum, dass ich – alles immer nur im geschäftlichen Verkehr – nicht vom positiven Image der Olympischen Spiele profitieren darf. Das ist etwas, was dem einen oder anderen Rechtsanwender Schwierigkeiten bereitet. Auch jetzt gerade mit der Diskussion im Social Media, ob das Retweeten bei Twitter schon Werbung ist. Das wird wahrscheinlich noch irgendein Gericht im Laufe des Jahres beschäftigen."
Abmahnungen in den USA
Woanders sind die Sitten sehr viel rauer. In den USA zum Beispiel gerieten Sportler schon vor Wochen in ein Minenfeld. Das amerikanische Olympische Komitee etwa reagiert auf jeden noch so kleinen Textfetzen oder "Hashtag" gleich mit Abmahnungen.
Sally Bergeson von Oiselle, einer kleinen Bekleidungsfirma in Seattle, die die 800-Meter-Läuferin Kate Grace unterstützt:
"Es ist verrückt. Wir haben angefangen, den Begriff "Das große Ereignis in Brasilien" zu verwenden. Unglücklicherweise gibt es in den USA ein spezielles Gesetz, das dem Nationalen Olympischen Komitee einen Monopolstatus zubilligt. Deshalb können sie diese drakonischen Regeln durchsetzen. Sie besitzen die vollständige Kontrolle über diese Markenbezeichnungen."
Auf der anderen Seite tut das amerikanische NOK so gut wie nichts dafür, dass Olympioniken wirtschaftlich überleben können.
"Es sollte für das IOC und das amerikanische NOK eine absolute Priorität sein, Sportler zu bezahlen. Oder wenn nicht, Sponsoren wie uns zu erlauben, dass wir während solcher wichtigen Augenblicke wie den Olympischen Spielen sichtbar sind."
Konsequente Golfer
Eine Konsequenz zeigt sich bereits jetzt: Im Golf der Männer, wo Millionen verdient werden, haben die besten Spieler der Welt einer nach dem anderen auf eine Teilnahme in Rio verzichtet. Als Grund wurde die Angst vor einer Ansteckung durch das von Mücken übertragene Zika-Virus genannt. Ganz offensichtlich spielten andere Überlegungen eine Rolle. Darunter: die Pflicht der Spieler, in Mannschaftsbekleidung von Herstellern antreten zu müssen, mit denen sie vertraglich nicht verbunden sind.
Wie geht man da gegen den Status Quo vor? Sally Bergeson will – nach Rio – die Politiker in Washington in die Pflicht nehmen. Sie sollen das fragliche Gesetz ändern.
"Das muss für die Athleten sehr viel fairer werden. Es ist doch deutlich, wie wenig von der riesigen Summe, die das IOC und das NOK erhalten, an den richtigen Stellen ankommt."