Die Spiele in Japan werfen ihre Schatten voraus. An großen Bahnhöfen seien schon Aufsteller zu sehen, die den Countdown bis zum Start herunterzählen, so Sori Doval, die in Tokio lebt. "Auch die Bauarbeiten gehen voran, wie es der Zeitplan vorsieht und in dieser Woche wurde ein Test gestartet, der überprüfen soll, wie der Verkehr funktioniert", berichtet die Sportdozentin.
Nicht alle Japaner freuen sich auf das Sportevent im kommenden Jahr. "Es gibt ein Gefälle zwischen Tokio und dem Rest des Landes", so Wolfram Manzenreiter, Japanologie-Professor an der Universität Wien. Es gebe das Gefühl, dass die Investitionen nach Tokio und in den Großraum der Stadt fließen, aber nicht den Regionen zugutekomme, die am meisten unter den Problemen der Wirtschaft leiden würden.
Leistungsgedanke ist wichtig im japanischen Sport
In Japan würde Sport sehr leistungsorientiert betrieben, sagt Sori Doval: "Es gibt an Schulen angeschlossene Clubs, in denen der Leistungsgedanke im Vordergrund steht." Allerdings würden die Zahlen der Mitglieder in Sportvereinen zurückgehen – vor allem bei Kinder und Jugendlichen. Verantwortlich dafür sei der Geburtenrückgang, aber auch die Veränderung in der japanischen Gesellschaft: "Man sucht einfach nach anderen Konzepten für die Freizeitgestaltung."
Die japanische Regierung habe seit dem Zuschlag für die Austragung der Spiele im Jahr 2013 ihre Ausgaben für die Förderung des Spitzensportes massiv gesteigert, so Wissenschaftler Manzenreiter. Das Ziel sei Platz drei im Medaillenspiegel. Es habe frisches Geld für die Förderung von Athleten gegeben. "Es steht außer Frage, dass das eine tolle Party werden wird."
Auch Fußball ist in Japan beliebt
Der Breitensport profitiere von der Förderung aber eher nicht. Neben Judo, Sumo und Karate interessierten sich die Japaner auch für Baseball, sagt Sportdozentin Sori Doval. Aber auch Fußball sei ein großes Thema, so Manzenreiter: "Man erinnere sich an die Erfolge der Frauen-Nationalmannschaft. Seitdem hat der Sport eine großen Anhängerschaft gefunden."
Viele Japaner würden selbst aber Sportarten ausüben, die keinen großen Aufwand erfordern, wie zum Beispiel Laufen, Walken oder Gymnastik. Manzenreiter: "Es sagt uns etwas aus über die hohen Anforderungen im beruflichen Alltag der Japaner. Sie haben zu wenig Zeit, um an Teamsportarten teilzunehmen."
Rückstände beim Thema Inklusion von Behinderten
Maja Sori Doval hofft, dass die Olympische Sommerspiele etwas in dem Land verändern: "Japan ist offen für Gäste. Dem Gast wird auch vieles nachgesehen. Die Frage ist: Ist die Gesellschaft offen für nachhaltige Veränderungen?" Sie weist daraufhin, dass es behinderten Menschen im Alltag immer noch deutlich schwerer haben als in Europa. "Barrierefreiheit gibt es hier nur in Ansätzen. Da ist die Entwicklung zwanzig bis dreißig Jahre verspätet."
Erst im März war der Chef des Japanischen Olympischen Komitees (NOK), Tsunekazu Takeda, wegen Korruptionsvorwürfen zurückgetreten. Ein Aufschrei im Land blieb aus. Sori Doval hat das nicht gewundert: "Es gibt hier keine Protestkultur, wie wir sie kennen." Auch nach dem Tsunami und der Reaktorkatastrophe von Fukushima habe sich daran nichts geändert: "Die Medien haben Proteste zum Teil gar nicht verbreitet oder das Bild, das sie vermittelt haben, wurde sehr gesteuert." Am Anfang habe es Proteste von engagierten Leuten gegeben. "Aber langfristig ist nichts passiert. Es ist untergegangen."
Nicht alle Japaner freuen sich auf die Spiele
Zwar bestätigt auch die ehemalige Studentin von Uni-Professor Manzenreiter, die mittlerweile selbst als Hochschuldozentin in der japanischen Hauptstadt lehrt, die Vorfreude in Tokio. Aber: "In der großen Breite nehme ich keine Olympiabewegung wahr. Ich habe meine Studentinnen einen Aufsatz schreiben lassen. Sie sollten ihre Meinung zu Olympia kundtun. Die Hälfte war dagegen. Mit der Begründung, dass die Gelder in Fukushima besser angebracht wären und sie das als großen finanziellen Verlust ansehen."
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.