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Olympia 2022 in Peking
Chinas Führung möchte keine kritischen Fragen

In einem Jahr sollen in Peking die Olympischen Winterspiele 2022 beginnen. Kritische Fragen, etwa zur Covid-Problematik und zu Chinas Einreisesperren, werden vom chinesischen Olympischen Komitee nicht beantwortet. International rufen immer mehr Menschenrechtsorganisationen zu einem Boykott der Spiele auf.

Von Steffen Wurzel |
Das Maskottchen steht im Schnee vor dem Stadion.
Maskottchen der Winterspiele 2022 vor dem Olympiastadion von 2008 (Qianlong/picture alliance/dpa)
Der kleine Wintersport-Ort Chongli liegt gut 150 Kilometer nordwestlich der chinesischen Hauptstadt Beijing. In den vergangenen Jahren ist hier, in den Bergen des chinesischen Landesteils Hebei, quasi aus dem Nichts ein beeindruckendes Skigebiet enstanden. Der 47-Jährige Xiong Lei kommt in den Wintermoten regelmäßig hierher, erzählt er im Gespräch mit der ARD.
"Ich sehe es sehr positiv, was sich in den letzten Jahren getan hat in Sachen Wintersport. Die Wintersport-Orte entwickeln sich und mehr und mehr Leute fahren Ski. Und unser Vorsitzender Xi Jinping sagt, dass landesweit 300 Millionen Menschen für den Wintersport begeistert werden sollen. Das ist doch etwas Tolles! Skifahren hat eine große Zukunft in China."
Traditionell spielt Wintersport in China quasi keine Rolle. Aber mit dem Zuschlag für die Olympischen Winterspiele in Beijing 2022 hat sich viel getan: Vor allem im Norden des Landes wurden weitläufige Skigebiete errichtet und Lifte aufgestellt. Immer mehr Mittelstandsfamilien aus den großen Städten entdecken den Wintersport für sich.
Jubel in Peking nach Bekanntgabe des Zuschlags für die Olympischen Winterspiele 2022.
Britischer Politiker Smith: "Regierungen sollten sagen: Wir nehmen nicht teil"
Der britische Politiker Iain Duncan Smith fordert einen Boykott der Spiele, um ein Zeichen gegen Chinas "aggressive und diktatorische" Politik zu setzen. Auch Deutschland sieht er in der Pflicht.

Chinesische Staatsmedien sorgen für Vorfreude

Dass im wärmeren und dicht besiedelten Süden Chinas Wintersport immer noch kaum eine Rolle spielt, wird von den staatlich orchestrierten Medienberichten zum Thema weitgehend ignoriert. Mitte Januar hat Staats- und Parteichef Xi Jinping die Winterolympia-Gebiete besucht. Staatliche Medien zeigten Bilder und mit Musik untermalte Videos: Xi Jinping umringt von enthusiastisch klatschenden Sportlerinnen und Sporlern.
In aufwendig produzierten Hochglanz-Werbevideos kommen Athleten wie Eisschnelläufer Ren Ziwei und die Spitzencurlerin Han Yu zu Wort, sie äußern sich vollauf begeistert.
Kritische Stimmen zu Olympia gibt es in China keine, zumindest keine öffentlichen. Die Winterspiele 2022 sind hochpolitisch, was auch daran zu erkennen ist, dass es für Journalistinnen und Journalisten zunehmend schwieriger wird, sich zum Thema zu informieren, zu recherchieren und Interviews zu führen.

"Massenüberwachung noch viel schlimmer geworden"

Das Organisationskomitee antwortet auf Medienanfragen mit vorgefertigten Standardantworten. In den Olympia-Gebieten nördlich von Beijing werden ausländische Reporter zum Teil von Polizisten der Staatssicherheit verfolgt und behelligt. Kritik daran, dass ausgerechnet die Diktatur China die Olympischen Winterspiele 2022 ausrichtet, kommt dafür umso mehr aus dem Ausland.
"Die Behauptung, dass Olympische Spiele in Unterdrückerstaaten wie in China etwas Gutes bewirken, ist einfach falsch", sagt Wenzel Michalski von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.
"Die Olympische Winterspiele finden in einem Land statt, in dem die Unterdrückung der Menschenrechte und die Massenüberwachung seit den letzten Olympischen Spielen im Sommer 2008 noch viel schlimmer geworden sind."
Die Vergabe der Spiele nach China sei ein schwerer Fehler gewesen, sagen internationale Menschenrechtsgruppen. Sie werfen dem Internationalen Olympischem Komitee (IOC) vor, sich beim Thema Menschenrechte nicht an die eigenen Vergaberegeln zu halten.

Menschenrechtsorganisationen fordern Boykott der Spiele

"Das IOC hat sich selbst ein Nachhaltigkeitskonzept gegeben. Darin geht es etwa um Frauenrechte, um Arbeitsrechte, die eingehalten werden sollen. Chinas Führung hält sich nicht daran," sagt der Hongkonger Menschenrechtsaktivist Johnson Yeung.
"Die internationalen Beteiligten sollten die chinesische Führung deutlicher als bisher kritisieren und sie auf die Einhaltung des IOC-Nachhaltigkeitskonzepts verpflichten."
IOC-Präsident Thomas Bach und der Pekinger Bürgermeister Wang Anshun bei der IOC-Sitzung auf der Peking als Austragungsort für die olympischen Winterspiele 2022 bestimmt wurde.
Human Rights Watch: "China und der olympische Gedanke passen nicht zusammen"
Wenzel Michalski, Deutschland-Direktor von Human Rights Watch, erwartet, dass sich das IOC angesichts der Menschrechtsverletzungen in China nicht wegduckt und auf eine Verbesserung durch Olympia hofft.
Ein Jahr vor Beginn der Winterspiele haben sich weltweit 180 Menschenrechtsgruppen und Aktionsforen zusammengetan: Sie fordern einen internationalen Boykott der Winterspiele. Dass die chinesische Führung auf die Kritik eingehen oder gar etwas ändern wird, kann ausgeschlossen werden.
Chinas nationales Olympische Komitee ist eng verknüpft mit der Staats- und Parteiführung, obwohl das klar der Olympia-Charta des IOC widerspricht: Diese verbietet ausdrücklich politische Einflussnahme der Politik auf die Nationalen Olympia-Komitees. Chinas Nationales Olympisches Komitee besteht allerdings fast vollständig aus Funktionären und Kadern der Kommunistischen Partei.