"And we begin at 5 with breaking news: Boston 2024 has a new leader. There he is, the man in the middle. Steve Pagliuca. The Celtics co-owner and Bain Capital executive now approved as chairman ..."
Die Nachricht am Donnerstag in den Bostoner 17 Uhr-Nachrichten kam nicht wirklich mehr überraschend. Steve Pagliuca ist der neue Frontmann der Bostoner Olympia-Bewerbung. Was seit Tagen bereits auf den Straßen der Stadt zu hören war, ist nun Gewissheit. Der Finanzexperte und Miteigentümer des Basketball-Clubs Boston Celtics löst Bau-Magnat John Fish als Vorsitzenden der Privat-Initiative ab, die die Sommerspiele 2024 nach Amerika holen will.
Mit Fish tritt derjenige in die zweite Reihe zurück, der die Bewerbung erst so richtig angetrieben hat. Er war es vor allem, der das nationale Olympische Komitee, USOC, Anfang Januar überzeugte, den Außenseiter ins Olympiarennen zu schicken – und nicht das favorisierte Los Angeles. Fish ist Bostons größter Bauriese – er versteht es wie kein anderer, Dinge anzupacken und an Businessleute zu verkaufen. Doch er ist daran gescheitert, den Bostoner Bürgern klarzumachen, warum die Spiele in neun Jahren genau das richtige für sie sind.
Nun soll Pagliuca die Bewerbung vorantreiben. Er ist in Boston bestens bekannt und geschätzt. Chris Dempsey von der Initiative "No Boston Olympics" bleibt trotz des Führungswechsels kritisch: Gegenüber dem Deutschlandfunk sagt er:
"Boston 2024 hat unserer Meinung nach kein Führungsproblem, sondern ein Produktproblem. Die Bewerbung ist grundsätzlich eine Herausforderung und wir glauben, dass es sehr schwer sein wird, dies zu ändern – egal, wer da der Verantwortliche für ist. Wir haben noch nicht das Gefühl, dass der Weg geändert oder der Plan substanziell verbessert wird"
Olympia nur schwer zu vermitteln
Boston ist zwar Amerikas erfolgreichste Sportstadt des 21. Jahrhunderts – das größte Sportereignis der Welt ist hier dennoch nur schwer zu vermitteln. Die letzte Umfrage in April ergab nur 40 Prozent Zustimmung. Das USOC hat die Zahlen gesehen und in dieser Woche im Rahmen eines Treffens mit der Stadtverwaltung klargestellt, dass es keine Garantie für Boston gebe.
"The US Olympic Committee has admitted, Boston is not guaranteed to be the final choice when that bid is formaly submitted to the International Olympic Committee in september."
Etwas weniger als vier Monate vor Bewerbungsschluss am 15. September ist also offen, ob Amerika tatsächlich Boston gegen Hamburg, Rom und Paris ins Rennen schicken will – eventuell Los Angeles nachrückt oder man sich gar zurückzieht.
Letzteres käme nach den früh gescheiterten Bewerbungen von New York für die Spiele 2012 und Chicago für 2016 einer Farce gleich. USOC-Geschäftsführer Scott Blackmun betont, dass man 100-prozentig hinter Boston stehe. Diese Worte kommen nicht jedoch überraschend. Allerdings könnte sich ein Punkt als fatal erweisen, den sein Verband erstmals in der inneramerikanischen Bewerbung empfohlen hat, wie Blackmun im Januar erläuterte:
"Wir haben bei den Geboten für die Spiele 2012 und 2016 gesehen, dass das Offenlegen der Pläne die Preise in die Höhe treibt. Da hatten einige Städte bereits mehr als zehn Millionen Dollar ausgegeben. Um Geld zu sparen, wollten wir diesmal einen formloseren Prozess. Und so haben wir die Städte aufgefordert, die öffentlichen Diskussionen gering zu halten – weil es eben nur um Entwürfe geht."
Bemühen um Öffentlichkeit
Dies hat sich in Boston zum Boomerang entwickelt. Das Bewerbungskomitee ist eifrig bemüht, das Vorhaben bei öffentlichen Infoabenden vorzustellen. Am Dienstag hörte sich das in Dorchester, einem sozialen Brennpunkt der Stadt, so an:
"Guys, guys, these is getting out of hand already ...."
Anstatt miteinander zu diskutieren, wurde geschrien, geschimpft und sogar gedroht. Es hat den Anschein, je mehr die Leute erfahren, desto skeptischer sind sie. Vor allem das Versprechen, dass die Spiele privatfinanziert und keine Steuergelder in Anspruch genommen werden sollen, macht sie misstrauisch. Chris Dempsey sieht die Mitschuld auch beim USOC.
"Es ist ganz klar, dass das USOC die Menschen in Massachusetts unterschätzt hat. Die dachten, die können das hier einfach durchdrücken, weil die Leute hier sportverrückt sind. Was sie aber nicht verstanden haben, ist, dass sich die Einwohner hier genau mit Dingen der öffentlichen Ordnung beschäftigen und sich genau dafür interessieren, wie ihre Steuergelder ausgegeben werden."
Der Geschäftsführer von Boston 2024, Richard Davey, war in Dorchester. Er hat zweieinhalb Stunden lang versucht, den Menschen anhand von bunten Bildern zu zeigen, was die Sommerspiele für sie bedeuten könnten. Davey hat sich den Fragen gestellt, Sorgen und Bedenken vernommen. Gegenüber dem Deutschlandfunk meinte er anschließend.
"Dies ist eine ziemlich komplizierte Sache. Die Menschen in Boston befassen sich zum ersten Mal mit Olympischen Spielen. Wir müssen geduldig sein, unsere Informationen verbreiten. Wir haben steigende Umfragewerte gesehen. Ich denke, unsere Botschaft wird verstanden – aber wir haben noch Arbeit vor uns."
Doch haben sie auch noch genügend Zeit? Gouverneur Charley Baker hat eine Frist gesetzt. Im Juni will er konkrete Pläne zur Finanzierung sowie den genauen Standorten der Wettkampfstätten sehen. Bislang hat Baker noch nicht gesagt, ob er für oder gegen die Spiele ist. Die Meinung des mächtigsten Mannes von Massachusetts wird wegweisend sein, auch für das USOC – und sie ist nur noch eine Frage von Wochen.