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Kommentar zu Olympia-Plänen
Olympia-Hype zur falschen Zeit

In diesen Tagen wird angesichts des Erfolgs der European Championships der Ruf nach einer deutschen Olympiabewerbung wieder laut. Doch es sei der falsche Zeitpunkt und der falsche Ansatz, ein neues olympisches Fass aufzumachen, kommentiert Bianka Schreiber-Rietig.

Ein Kommentar von Bianka Schreiber-Rietig |
Olympische Ringe stehenin München vor dem Plakat der European Championships
Wegen der Begeisterung rund um die European Championships in München gibt es wieder Forderungen nach einer deutschen Olympiabewerbung (picture alliance / firo Sportphoto / Jürgen Fromme)
Olympische Spiele und die Deutschen: Das ist eine vertrackte Beziehungs-Kiste. Sieben vergebliche Bewerbungs-Anläufe seit 1986 erzählen eine Geschichte vom Scheitern und vom Unvermögen, das Land davon zu überzeugen, dass es Spiele braucht. Dennoch: Olympia-Bewerbungen stehen nach wie vor beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) auf der To-do-Liste weit vorne.
Und nun sehen sich Sport-Lobbyisten animiert, die Münchener European Championships hochzuhypen als eine gelungene Referenzveranstaltung, die belege, dass 2036 in Deutschland mal wieder Olympia steigen könnte – denn die Deutschen könnten Spiele.
Die Olympia-Enthusiasten sollten mal genauer hinschauen: Dieses Münchener Championships-Event hat mit den vom IOC diktierten Olympischen Spielen so viel zu tun wie ein Blasmusikkonzert mit einer Aufführung eines Symphonieorchesters. Auch wenn viele von „Little Olympia“ sprechen: Die bunten fröhlichen Spiele bis zum Terroranschlag am 5. September 1972 Jahre sind nicht wiederholbar – auch wenn das nun manche vor allem aus kommerziellen Interesse gerne suggerieren möchten.

Olympisches Euphorie-Dauerfeuer

Der Sport ist nicht mehr das, was er war. Auch die Spiele sind mittlerweile zum lukrativen Geschäftsmodell geworden. Und München ist nicht mehr die Weltstadt mit Herz, sondern eine Stadt, die viele sich nicht mehr leisten können. So wird das Nostalgie-Feeling, das die Championships auslösten, nur kurzfristig anhalten und vor allem beim Publikum kein olympisches Euphorie-Dauerfeuer entfachen. Das hat nämlich andere Sorgen.
Auch der Sportwelt – die oft die andere Welt da draußen ignoriert – dürfte nicht entgangen sein, dass rund herum um sie nichts in Ordnung ist: Die Pandemie ist immer noch da. Der Angriffskrieg der Russen gegen die Ukraine dauert an, hat nicht nur Leid und Zerstörung in diese Länder gebracht, sondern weltweit Probleme ausgelöst: Inflation und Energiekrise. Und da ist dann noch die Klimakrise, die uns diesen Sommer Tag für Tag vorführt, was auf uns noch zukommen wird.

Eigener Problemlöser

Der Sport ist ja nun ebenso unmittelbar von diesen Krisen betroffen – und sollte sich vor allem da als Löser eigener Probleme hervortun. An dieser Stelle müsste den Sportverantwortlichen klar sein, dass Sport nicht weit vorne auf der politischen Prioritätenliste im Krisenmanagement steht – sondern eine Nebenrolle spielt, bei der sich überzogene Forderungen verbieten; der Ruf nach Olympischen Spielen angesichts des stetig wachsenden Schuldenbergs erst recht.
Es ist der falsche Zeitpunkt und der falsche Ansatz, ein neues olympisches Fass aufzumachen: Zuerst muss der Sport mal die hausgemachten Aufgaben erledigen, die er seit Jahren vor sich herschiebt. Dafür braucht es eine saubere, ehrliche Fehler- und Problemanalyse. Die hat die Athletenvereinigung Deutschland – und nicht der DOSB – in dieser Woche vorgelegt.
Und es braucht die schon zigfach angemahnte Diskussion mit Politik und Gesellschaft, wo und wie die Reise des deutschen (Spitzen-)Sports hingehen soll. Es wird vermutlich eine lange Reise werden. Das Ziel könnte Olympia sein – aber vielleicht auch ein ganz anderes. Times are changing.