Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hatte im Herbst 2023 ambitioniert angefangen: Es gab in allen Städten, die an einer möglichen Olympia-Ausrichtung interessiert wären, Dialogforen. Also in Berlin, München, Hamburg, Leipzig und Düsseldorf stellvertretend für die Region Rhein-Ruhr. Zum Gespräch stehen Olympische und Paralympische Spiele 2036 oder 2040.
Die Besucher der Dialogforen konnten sich vor Ort informieren und ihre Meinung loswerden. Denn es solle eine Bewerbung Made by Germany werden, man meine es ehrlich mit der Bürgerbeteiligung, versicherte Stephan Brause, Leiter der Stabstelle Olympia-Bewerbung, noch vor einem Jahr im Deutschlandfunk.
Bürgerbeteiligung wird häufig als Buzzword genutzt
Man müsse aber genau definieren, was unter Bürgerbeteiligung zu verstehen ist, sagt Politikwissenschaftler Christian Huesmann von der Bertelsmann Stiftung: "Bürger*innenbeteiligung ist so ein bisschen Buzzword geworden wie Nachhaltigkeit, Globalisierung und so, wo viele Personen vieles drunterpacken."
Bei der dialogischen Demokratie werden auf informelle Art Bürger im Dialog informiert und beteiligt. Und bei der direkten Demokratie, also bei Bürgerentscheiden bzw. Referenden, gibt es eine klare bindende Abstimmung durch die Bürger und Bürgerinnen: Olympia in Deutschland – ja oder nein?
Im Fall eines Neins wären auch die jetzigen Bewerbungsvorstellungen Geschichte. Der DOSB spricht zwar immer wieder von Referenden, durchführen kann sie schlussendlich aber nur die austragende Stadt.
Berlin ist für Dialogforen
"Wir wollen Dialogforen machen“, kündigt Iris Spranger an, Senatorin für Inneres und Sport in Berlin, "weil da kann man am besten konkret mit denjenigen, die sich dafür interessieren, auch wirklich ins Gespräch kommen. Und das ist das Beste, was man machen kann. Man kann direkt in den Kontakt eintreten. Man kann direkt die Fragen stellen, als wenn ich nur sage Ja oder Nein. Also für mich ist immer der Kontakt mit den Berlinerinnen und Berlinern wichtig. Und solche Dialogforen finde ich wesentlich besser."
Dafür sei für 2025 auch schon Geld eingeplant worden. Die anderen interessierten Städte halten sich zurück, was Pläne für einen weiteren Einbezug der Bürger angeht. Da sei noch nichts festgelegt, heißt es.
Und auch die für den Sport zuständige Bundesinnenministerin Nancy Faeser bleibt unkonkret, als sie im Interview der Woche des Deutschlandfunks auf den Einbezug der Bürgerinnen und Bürger angesprochen wird: "Naja, es gibt ja verschiedene Möglichkeiten der Einbeziehung. Man kann mit einem Bürgerentscheid, wie man es klassisch macht, man kann aber auch Foren bilden, sie einladen, gucken, sich ein Meinungsbild holen. Ich glaube, da gibt es schon viele Möglichkeiten."
Einbezug von Bürgern muss klar definiert werden
Aber passen sie auch zu dem Versprechen des DOSB "wir alle für Olympische Spiele in Deutschland"?
Gerade in einer Zeit, wo es Vertrauensverluste in die demokratischen Strukturen gibt, warnt Huesmann davor, mit dem Wording zu spielen: "Wir haben da nicht so viele Pfeile im Köcher, die wir verschießen können. Bürger*innenbeteiligung ist ein Pfeil, den wir haben. Wenn wir aber diese Pfeile verschießen, Scheinbeteiligung machen, Ergebnisse vorwegnehmen, wenn Beteiligungen zu PR-Veranstaltungen verkommen, dann verschießen wir das, und der Pfeil ist auch weg. Sobald da einmal das Vertrauen weg ist in diese Form der Beteiligung, dann ist es erstmal unwiederbringlich weg.“
Jede Methode sei für sich völlig legitim, aber Ziel, Methode und die Art, inwiefern sich Bürger einbringen können, muss klar definiert und kommuniziert werden, so Huesmann: "Das heißt, das ist wirklich etwas, womit man vorsichtig sein muss, Bürgerbeteiligung um der Bürgerbeteiligung willen, nur um da jetzt ein Buzzword zu haben, da würde ich tatsächlich auch vor warnen wollen."
In der Frankfurter Erklärung des DOSB, das Dokument, in dem die Eckpunkte des Bewerbungsprozesses nach den Dialogforen und Fachtalks im Dezember festgehalten worden sind, heißt es noch: "Die Frage nach proaktiven, regionalen Bürgerreferenden müsse nach der Erstellung eines Bewerbungskonzepts bewertet werden."
Bürgerbeteiligung: beim DOSB jetzt online
Seitdem ist es ruhig geworden. Der DOSB hat einen Podcast veröffentlicht und wirbt damit, dass man sich über die Sozialen Netzwerke und digital weiterhin beteiligen könne. Über sechs Millionen Menschen will er so schon erreicht haben. Die Videos von den Fachtalks haben im Schnitt pro Video aber lediglich 217 Aufrufe.
Man habe jetzt vor allem an Grobkonzepten gearbeitet, heißt es von Seiten des DOSB. Zu einem Interview zum gesamten Bewerbungsprozess sei man aktuell aber nicht bereit. Eine Deutschlandfunk-Recherche in den interessierten Städten hat ergeben, dass man sich in einer AG "Wann und Wo" immer wieder austausche und jetzt eine Konzeptvorlage vom DOSB abwarte.
Austragungsorte müssen noch mit IOC abgeklärt werden
„Es darf nur eine nationale Bewerbung werden. Ansonsten werden wir uns nicht beteiligen“, stellt Iris Spranger in Berlin klar. Sie sei schon von einzelnen Städten, auch von Hamburg angesprochen worden, ob man sich ein Tandem vorstellen könne. Oder ein Trio mit beispielsweise Kiel, Leipzig und Berlin.
Wie das das IOC findet, das am Ende die Spiele final vergibt, muss im Gespräch ausgelotet werden, so DOSB-Präsident Thomas Weikert auf der Pressekonferenz zum Olympia-Auftakt: "Das werden wir aber nach den Spielen mit dem IOC genau absprechen, auch mit der zuständigen Ministerin, mit Frau Faeser. Wir werden sicherlich nach Paris fahren, möglichweise auch mit dem Finanzminister, und dann eben vor Ort abklären, wie unsere Bewerbung konkret aussehen darf."
Bundesregierung sichert finanzielle Unterstützung zu
Die Spiele werden mittlerweile dezentraler vergeben, aber es kann auch sein, dass nur eine deutsche Stadt als alleiniger Ausrichter akzeptiert wird.
Zumindest finanzielle Unterstützung ist dem Verband mittlerweile sicher: Bis 2027 will sich die Bundesregierung mit insgesamt 6,95 Millionen Euro am Bewerbungsprozess beteiligen. Und auch das Kabinett hat beschlossen, eine Absichtserklärung zu unterschreiben.