Die erste große Boykottbewegung in der Olympischen Geschichte gibt es vor den Nazispielen 1936 in Berlin. In Großbritannien und Skandinavien entstehen Protestbewegungen. Deutsche Intellektuelle, die im Exil in Frankreich leben, gründen ein olympiakritisches Netzwerk. Den größten Widerstand gibt es in den USA. Tausende Menschen fordern dort auf Demonstrationen einen Boykott ihrer Sportler. Avery Brundage, damals Präsident des Nationalen Olympischen Komitees der USA und später Präsident des IOC, kann die US-Teilnahme in Berlin durchsetzen.
Spanien bleibt den Spielen in Berlin fern. Die linksgerichtete Regierung plant für Juli 1936 eine „Volksolympiade“ in Barcelona, als Protest gegen den Faschismus. 6000 Athleten aus 22 Ländern sagen ihre Teilnahme zu. Viele von ihnen stammen aus Gewerkschaften und kommunistischen Parteien. Doch am Tag der Eröffnungsfeier putscht das Militär. Der Beginn des Spanischen Bürgerkrieges – und das Ende der „Volksolympiade“.
China zieht sich 1956 für lange Zeit zurück
Im Oktober 1956 schlägt die sowjetische Armee den „Volksaufstand“ in Ungarn brutal nieder. Dennoch dürfen Sportler der UdSSR wenige Tage später an den Olympischen Spielen in Melbourne teilnehmen. Daraufhin sagen die Niederlande, Spanien und die Schweiz ihre Teilnahme ab.
1956 ist auch das Jahr, in dem der ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser den Suezkanal verstaatlicht. Israel, Großbritannien und Frankreich marschieren in Ägypten ein und wollen den Schifffahrtskanal unter Kontrolle bringen. Die Sportler der Invasoren dürfen an den Spielen in Melbourne teilnehmen. Daraufhin verkündet Ägypten einen Boykott. Irak, Kambodscha und der Libanon schließen sich an.
Und auch China boykottiert die Spiele von Melbourne. Grund sind die Spannungen zwischen den Kommunisten in Peking und den Nationalisten in Taiwan. Beide Staaten wollen bei Olympia in Melbourne das „wahre China“ repräsentieren. Die Volksrepublik will die Symbole Taiwans nicht anerkennen und kehrt erst wieder 1980 auf die olympische Bühne zurück, bei den Winterspielen im US-amerikanischen Lake Placid.
Neuseeland bricht die Vereinbarung
Ab den Sechziger Jahren steht die Apartheidpolitik im Zentrum von Boykottdebatten. Sportler aus Südafrika dürfen nicht mehr an Olympia teilnehmen und sollen international isoliert werden. 1976 bricht das neuseeländische Rugbyteam diese Vereinbarung und reist für Testspiele durch Südafrika. Dennoch darf Neuseeland an den Olympischen Spielen 1976 in Montreal teilnehmen. Daraufhin erklären mehr als zwanzig afrikanische Staaten einen Boykott.
Anfang der Achtziger Jahre wird Olympia dann erneut Schauplatz für den Kalten Krieg. Die USA und mehr als vierzig andere Staaten bleiben den Spielen in Moskau 1980 fern. Vier Jahre später boykottieren die Sowjetunion und weitere sozialistische Staaten die Spiele von Los Angeles.
Der „diplomatische Boykott“ dürfte erhalten bleiben
Vor den Spielen 1988 in Seoul möchte das IOC die Ära der Boykotte hinter sich lassen. Allerdings unterhalten viele sozialistische Staaten keine diplomatischen Beziehungen zu Südkorea. Auch auf Anregung des kubanischen Staatschefs Fidel Castro bemüht sich Nordkorea um eine Beteiligung.
Pjöngjang, das noch nicht so isoliert ist wie heute, wünscht sich eine gesamtkoreanische Mannschaft und etliche Olympia-Wettbewerbe auf eigenem Territorium. Die Verhandlungen mit dem IOC scheitern. Nordkorea boykottiert die Spiele 1988. Fünf Staaten schließen sich an, unter anderem Kuba und Nicaragua.
Vor den Winterspielen in Sotchi 2014 bricht die Boykott-Diskussion wieder aus. Wegen Repressionen gegen Zivilgesellschaft und Medien. Wegen der russischen Unterstützung des syrischen Diktators Assad. Die westlichen Demokratien schicken 2014 ihre Sportler trotzdem nach Sotschi. Aber etliche Staatschefs bleiben fern, auch aus Deutschland, Frankreich und den USA. Die Rede ist von einem „diplomatischen Boykott“. Ein Begriff, der auch in Zukunft eine Rolle spielen dürfte.