Dopingverdacht gegen China
Sportpolitiker Mayer (CSU): WADA-Präsident Banka "nicht der Richtige"

Im Skandal um möglicherweise vertuschte Dopingverdachtsfälle im chinesischen Schwimmen ist die Welt-Anti-Doping-Agentur das Ziel scharfer internationaler Kritik. Stephan Mayer, sportpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, fordert im Deutschlandfunk-Gespräch den Rücktritt von WADA-Präsident Witold Banka.

Stephan Mayer im Gespräch mit Maximilian Rieger | 04.08.2024
Witold Banka, Präsident der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) blickt bei einer Pressekonferenz in Paris konzentriert drein
Hat China von der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) in den letzten Jahren mehrfach Vorzugsbehandlungen bekommen? WADA-Präsident Witold Banka muss seit Monaten viele kritische Fragen beantworten. (IMAGO / Bildbyran / IMAGO / MAXIM THORE)
Die Welt-Anti-Doping-Agentur, so sieht es der Name eben vor, soll für sauberen Hochleistungssport sorgen. Zur Erfüllung dieser Mission bekommt sie viel Geld vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und nationalen Staatsregierungen. Doch der Skandal um nicht ausreichend aufgeklärte oder womöglich vertuschte Dopingverdachtsfälle in Chinas Schwimm-Elite lässt viele an der WADA zweifeln.
"Das Vertrauen in die WADA ist sehr erschüttert worden durch die sehr nachlässige Behandlung des Dopingskandals aus China", betont Stephan Mayer (CSU) im Gespräch mit dem Dlf.

WADA muss laut Mayer personelle Konsequenzen ziehen

"Ich bin persönlich der Überzeugung, dass die WADA nach den Olympischen Sommerspielen in Paris einen Neustart benötigt, weil wenn alles so bliebe wie jetzt, das Vertrauen in die unabhängige Welt-Anti-Doping-Agentur nicht mehr gegeben ist."
Der sportpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag unterstreicht dabei auch die Notwendigkeit eines personellen Neuanfangs: "Ich habe den Eindruck, dass Präsident Banka ganz offen gesagt nicht der richtige Mann ist, um die WADA dahin zu führen, wo sie hingehört. Nämlich in eine stärkere, unabhängige Rolle, die sich auch stärker loslöst vom IOC, aber auch unabhängiger wird von China."

Verdachtsfälle mit positiven Tests auf Herzmittel und Steroid

Recherchen der ARD-Dopingredaktion hatten im April aufgedeckt, dass im Jahr 2021 bei einem nationalen Wettkampf 23 chinesische Schwimmerinnen und Schwimmer positiv auf ein Herzmittel getestet worden waren. Eine Sperre durch die chinesische Anti-Doping-Agentur (CHINADA) blieb aus und die WADA ermittelte daraufhin nicht selbst, sondern glaubte der chinesischen Erklärung einer "Massenkontamination" durch verunreinigtes Essen in einer Hotelküche.
Jüngst kamen weitere Verdachtsfälle im Zusammenhang mit Steroid-Missbrauch hinzu: Die New York Times und die ARD berichteten Ende Juli über positive Tests aus dem Jahr 2022. Tang Muhan und He Junyi hatten damals das anabole Steroid Metandienon im Körper. Die beiden Schwimmer wurden vorläufig von der CHINADA gesperrt, dann aber freigesprochen. Erneut wurde alles mit einer Essenskontamination erklärt. Wieder winkte die WADA laut der Recherchen die heimlichen Freisprüche ohne Vorlage konkreter Beweise durch.

Politiker Mayer befürwortet strukturelle Reform der WADA

Mayer bezeichnet diese beiden Verdachtsfälle als "möglicherweise nur die Spitze eines Eisbergs". Der sportpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion führt aus: "Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass insbesondere nach diesem enthüllten Vorfall von 2021 die WADA die Sache im wahrsten Sinne des Wortes ad acta legt und zur Tagesordnung übergeht. Das ist kein seriöser Stil."
Stephan Mayer, Stephan Mayer, sportpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, spricht im Bundestag
Stephan Mayer, sportpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, fordert eine Reform der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) und den Rücktritt von Präsident Witold Banka. (IMAGO / dts Nachrichtenagentur / IMAGO / dts Nachrichtenagentur)
Deshalb sei es mit personellen Veränderungen alleine nicht getan, sondern es brauche auch strukturelle Reformen der Institution, die für sich reklamiert, weltweit die höchste Autorität im Kampf gegen Doping zu sein. Der CSU-Sportpolitiker erklärt: "Ich glaube auch, dass es eines Reformprozesses bedarf, der die WADA stärker macht als sie heute ist. Weil ansonsten natürlich die Gefahr besteht, dass in chinesische Athletinnen und Athleten kein Vertrauen mehr gesetzt wird und dass immer ein fader Beigeschmack vorhanden ist, wenn sie auf dem Treppchen stehen."
In der jetzigen Struktur ist die WADA massiv von der Unterstützung des IOC abhängig. Der Sport-Weltverband finanziert die Hälfte des WADA-Etats, die andere Hälfte kommt von den Regierungen der Mitgliedsländer und damit aus Steuergeldern. Darüber hinaus gibt es personelle Verflechtungen. In den Gremien der WADA sitzen mehrheitlich IOC-treue Sportfunktionäre. In der Vergangenheit waren auch beispielsweise die Ex-Präsidenten Richard Pound und Craig Reedie IOC-Mitglieder.

Deutschland sollte WADA laut Mayer weiter unterstützen

Der Wunsch nach einer unabhängigen, effektiven WADA beginnt also mit der Frage nach der Finanzierung. Stephan Mayer ist dabei "nicht der Auffassung, dass es richtig wäre, die Unterstützung durch Deutschland zu reduzieren". Im Moment zahlt Deutschland pro Jahr 1,25 Millionen Euro an die WADA.
Der CSU-Politiker ergänzt: "Wir brauchen eine WADA, die Vertrauen genießt und sich unabhängiger macht vom Tropf des IOC. Da muss man mit Sicherheit auch unter den entscheidenden Nationen, da gehören die US-Amerikaner zu, aber auch die westeuropäischen Länder, sich Gedanken machen, wie diese neue Aufstellung der WADA aussehen könnte."
Mayer wies darauf hin, dass Deutschland durchaus ein gewichtiges Wort mitzusprechen habe. "Wir sind mit einer der wichtigsten Finanzierer der WADA und haben demenstprechend Einfluss. Insbesondere in den USA gibt es ebenso große Vorbehalte gegenüber der WADA in der jetzigen Aufstellung. In der nächsten Zeit muss es darum gehen, genügend Mitstreiter zu finden, die bereit sind, den Druck zu erhöhen."

Olympia 2040: Könnte Deutschland es sich mit dem IOC verscherzen?

Traditionell sehen Sportverbände es allerdings überhaupt nicht gerne, wenn sich Staaten und ihre Politikerinnen und Politiker sich in ihre Angelegenheiten einmischen. Michael Mronz, deutsches IOC-Mitglied, sprach sich zuletzt im Dlf dafür aus, es müsse die Autonomie des Sports anerkannt werden. Jüngst erklärte nun die Bundesregierung, eine Bewerbung für die Olympischen Sommerspiele zu unterstützen. Auch Mayer ist "ein großer Befürworter einer Bewerbung Deutschlands".
Aber könnten scharfe Töne aus der Politik gegenüber der WADA vielleicht dazu führen, dass es sich Deutschland mit dem IOC verscherzt und damit die Olympia-Bewerbung aussichtslos ist? "Das sehe ich so unmittelbar nicht", sagt Mayer. "Man muss schon zwei Dinge auseinanderhalten. Die eine Frage ist: Haben nationale Regierungen die Aufgabe, leitend einzugreifen in Reformprozesse? Oder nehmen nationale Regierungen inhaltlich auf die Arbeit der WADA Einfluss? Und letzteres verbietet sich natürlich, damit wird auch die Autonomie des Sports gewahrt."

jti