Auf einer Seine-Brücke gehörte eine Modenschau zum Programm des Abends, in einer kurzen Sequenz sieht man mehrere Dragqueens an diesem Laufsteg sitzen. Bildsprache und Bildaufbau lösen bei manchen Christen Assoziationen zur berühmten Darstellung des Letzten Abendmahls von Leonardo da Vinci aus.
Bischof Stefan Oster, für den Sport zuständig in der Deutschen Bischofskonferenz, hat zwar "ein eindrucksvolles Fest und ein großes Spektakel für alle Sinne" gesehen, sieht in dieser Szene aber einen Tiefpunkt der Feier, die ihm persönlich deutlich gemacht habe, "wie sehr im Grunde unser christliches Menschenbild auf dem Spiel steht".
Laute Kritik aus den USA
Aus Frankreich, von Osters Mitbrüdern im Bischofsamt, war zu hören, Christen seien durch die Provokationen der Feier verletzt worden. Die lauteste Kritik kam, und das recht schnell, aber aus den Vereinigten Staaten.
"Ich kann sie ein bisschen nachvollziehen, teilen kann ich sie nicht", sagt Heiner Bielefeldt im Deutschlandfunk. Der Professor für Menschenrechte an der Universität Erlangen war von 2010 bis 2016 Sonderbeauftragter der Vereinten Nationen für Fragen der Religionsfreiheit. Er beklagt vielmehr, "dass die Religionsfreiheit, fälschlich, das möchte ich betonen, in eine solche Polarisierung mit hineingezogen wird. Und damit ihr Charakter als Freiheitsrecht, das Räume und Debatten eröffnen will, dass diese Dimension überschattet wird."
Überschattet sahen viele Kritiker, wie Sportbischof Oster, die Feier durch die antireligiöse Symbolik an dieser kurzen Stelle der Eröffnungsfeier. "Für mich wird deshalb hier in einem einzigen Moment deutlich, dass diejenigen Christen, die ihren Glauben auch in diesem Punkt des Menschenbildes ernst nehmen, dass die der eigentliche Gegner einer Gesellschaft sind, die sich im atemberaubenden Tempo selbst säkularisiert."
Bielefeldt: Kirche muss eigene Probleme aufarbeiten
Den Niedergang der kirchlichen Glaubwürdigkeit aber an Bildern von olympischen Eröffnungsfeiern festzumachen, hält Experte Heiner Bielefeldt für fragwürdig. Vielmehr müssten die Kirchen ihre eigenen Probleme aufarbeiten, insbesondere die schwere Vertrauenskrise durch die unzähligen Missbrauchsfälle. "Dann wäre hier die Stellschraube, mehr Glaubwürdigkeit zu gewinnen, statt sich zu erregen an Feierlichkeiten mit vielleicht grenzwertigen ästhetischen Manifestationen. Daran jetzt die Krise der Kirche festzumachen, finde ich eher peinlich."
Thorsten Latzel, Sportbeauftragter der evangelischen Kirche in Deutschland, sieht keine Blasphemie, eher eine "religiös ideologisierte Überhöhung von Sexualität".
Olympia-Organisatoren mit dem Versuch einer Entschuldigung
Nach dem die Kritik international laut wurde, meldeten sich die Olympia-Organisatoren am Wochenende zu Wort. Anne Descamps, Sprecherin des Organisationskomitees, wandte sich schließlich mit dem Versuch einer Entschuldigung an die Öffentlichkeit: "Es war nie die Intention, respektlos gegenüber religiösen Gruppen zu sein. Wir wollten Zusammenhalt und Toleranz feiern. Wir glauben, das ist uns gelungen. Wenn Menschen sich angegriffen fühlen, tut uns das leid."
Ob das als echte Entschuldigung gemeint ist oder nur eine politische Erklärung, darf diskutiert werden. Regisseur Thomas Jolly bekannte sich auch noch einmal zum Laizismus in Frankreich: "Wir dürfen hier alles glauben und auch nichts glauben." Er erklärte inzwischen auch, es sei nicht auf das letzte Abendmahl angespielt worden, sondern auf ein anderes Bild aus der griechischen Mythologie.
Die deutsche Bischofskonferenz teilt am Montag mit, überzeugt sei sie von dieser Argumentation nicht. Aber die Erklärung des IOC, dass es keine religiösen Menschen vor den Kopf stoßen wollte, trage zur Beruhigung der Diskussion bei. In diesem Sinne hoffe man auf Wochen der friedlichen Verständigung von Völkern und Kulturen und dass die Leistungen der Sportler im Mittelpunkt stehen werden.