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Olympia
Gratis-Tickets gegen leere Arenen

Selbst bei olympischen Kernsportarten wie Leichtathletik bleiben viele Plätze leer. Dabei sagen IOC und Organisationskomitee, nach Anfangsschwierigkeiten seien inzwischen an die 90 Prozent aller Tickets verkauft. Wo also sind die Zuschauer?

Von Carsten Upadek |
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    Leere Tribünen beim Turmspringen während der Olympischen Spiele in Rio (Carsten Upadek)
    Gestern kurz vorm Turmspringen-Halbfinale vom Drei-Meter-Brett. Auf dem Weg dahin im Olympiapark ist Juliana, zwölf Jahre alt und im Armenviertel Providência groß geworden.
    "Ich kenne den Sport nicht. Aber ich war schon zweimal beim Basketball. Zwei andere wollten nicht hierher, also bin ich wieder mitgekommen. Mal schauen, ob ich es mag."
    Juliana und andere Kinder wurden von Sávio Resende zum Olympiapark gebracht. Er ist Kontaktsoldat zwischen Militärpolizei und den Bewohnern von Julianas Favela, ist also für das gute Verhältnis zuständig.
    "Die Kinder, die heute hier sind, kommen aus wirklich armen Familien. Deshalb ist das hier eine einmalige Möglichkeit, die die Kinder inspirieren kann und wer weiß, vielleicht kommt einer von ihnen ja auch mal dahin."
    Dahin auf das Drei-Meter-Brett beim Olympia-Turmspringen zum Beispiel. Trotz Halbfinale, ist die Arena Maria Lenk halb leer. Und sie ist nicht die einzige, bilanziert Deutschlands Verbandspräsident Alfons Hörmann.
    "Das ist der negative Eindruck, den man hier mitnimmt, dass in zahlreichen Stadien einfach viele freie Plätze sind, selbst die Spitzenwettbewerbe nicht voll sind."
    Das ist merkwürdig, denn das Olympia-Organisationskomitee beharrt darauf, dass viele Wettbewerbe ausverkauft seien. Ein Erklärungsversuch von Sprecher Mario Andrada:
    "In vielen Fällen dürfen die Menschen die Wettbewerbe verlassen, um Essen und Getränke zu holen. Und wir haben bemerkt, dass Menschen Eintrittskarten für einen bestimmten Wettbewerb kaufen, aber dann mehr daran interessiert sind, ihre Zeit im Olympiapark zu verbringen."
    Heißt also, die Brasilianer Essen und schlendern lieber, als Olympia-Wettbewerbe zu verfolgen. Einen anderen Grund hat US-Autor Ken Hanscom gefunden: Sponsoren würden von ihren hunderttausenden Eintrittskarten bis zu 43 Prozent verfallen lassen, schreibt der Ticket-Experte. Schon Olympia-Ausrichter London vor vier Jahren habe ähnliche Probleme gehabt. Die Lösung: die Briten schickten Funktionäre und Studenten in die Stadien, um die Tribünen im Kamerabild zu füllen. Probiert das Rio nun also mit Kindergruppen? Kontaktsoldat Sávio Resende:
    "Nein, diese Kinder haben die Chance wichtige Modalitäten zu sehen. Wenn wir zeigen, wie gut das läuft, ist unsere Hoffnung, dass das Komitee noch mehr Tickets freigibt, damit wir das Finale der Olympischen Spiele in unserer Stadt sehen können."
    Die zwölfjährige Juliana spielt mit ihrem Handy. Ihre Bilanz vom Turmspringen:
    "Die einen springen besser, die anderen schlechter. Nur gerade ist einer ganz schön hässlich auf dem Bauch gelandet."
    Nicht weit von Juliana und ihren Begleitern sitzt auf der gleichen Tribüne etwas höher eine andere Gruppe – 50 Kinder aus einem Pflegeheim, die ebenfalls Gratistickets bekommen haben. Diese Tribüne ist als einzige der Arena relativ voll. Es ist die, die gegenüber den Fernsehkamaras liegt.