Man fährt als US-amerikanischer Athlet nicht einfach zu Olympischen Spielen. Man segelt auf einer Welle aus Erwartungen und Anfeuerungspathos. Im Werbevideo sieht man deshalb Lindsey Vonn irgendwo in den Bergen. Sie hat die Augen geschlossen und lässt noch mal alles Revue passieren: Die Kinderzeit auf Skiern, die Erfolge, die Stürze und die Narben von den Operationen. Musik? Alicia Keys: "This girl is on fire".
Olympionike made in America - das ist eine Heldenrolle mit Ecken und Kanten. Im Fall von Snowboarder Shaun White kommt der Soundtrack aus der Grabbelkiste zorniger alter Männer. Black Sabbath: "Iron Man".
Es geht um die Show
Es geht schließlich nicht um Realität, so weiß man beim Fernsehsender NBC seit vielen Jahren, sondern um Show. Sonst lassen sich Übertragungsrechte von mehr als einer Milliarde Dollar nicht mehr über die Werbeminuten refinanzieren. Schon gar nicht bei einer Olympiastadt in einer Zeitzone 14 Stunden und mehr entfernt. Also verzichtet der Sender lieber fast komplett auf eine Live-Berichterstattung und zerhackt das Material zu einem magazinigen Cocktail aus Teasern und Häppchen. Im Mittelpunkt: die Teilnehmer aus dem eigenen Land.
Gerne garniert mit ein paar Tränen, wie sie Mikaela Shiffrin im Zielraum vergoss, als feststand, dass sie im Riesenslalom gewonnen hatte. Oder mit einer Lindsey Vonn, die bei einer Pressekonferenz an ihren Großvater erinnert wurde. Der hatte am Korea-Krieg teilgenommen und war vor wenigen Monaten gestorben: "Ich hatte gehofft, dass er das hier noch erlebt", so Vonn, "aber ich weiß, dass er zuschaut. Und ich weiß, dass er mir helfen wird."
Emotion pur. Aber kaum Spannung. Motivation destilliert aus Trauer. Journalismus bleibt dabei oft auf der Strecke. Zum Beispiel, als bekannt wurde, dass sich Snowboarder Shaun White unlängst mit einer Musikerin aus seiner Band außergerichtlich geeinigt hatte. Es ging um Anschuldigungen sexueller Belästigung.
White bügelte nach dem Gewinn der Goldmedaille die einzige dazu gestellte Frage einfach ab: "Ich bin hier, um über die Olympischen Spiele zu reden, nicht über Klatsch und Tratsch."
TV vs. Print
Die Claqueure und Cheerleader vom US-amerikanischen Fernsehen und die überwiegend distanziert auftretenden und kritischen Printjournalisten betrachten die Vorgänge so unterschiedlich, als besäßen sie zwei verschiedene Objektive. So wie im Umgang mit US-Vizepräsident Mike Pence, der bei der Eröffnungszeremonie demonstrativ nicht aufstand, als die gesamtkoreanische Mannschaft einmarschierte. Nur die Zeitungen erinnerten daran, dass der Politiker bei einem NFL-Spiel im Herbst aus Protest das Stadion verließ, weil Profis knieten und nicht standen, während die Hymne gesungen wurde.
Was die knapp 20 Millionen, die dieses für die Prime Time zusammengebaute Programm einschalten, womöglich gar nicht interessiert. Hört man sich stichprobenartig im Land um, überwiegt das Gefühl: Man ist offensichtlich froh, mal den ständig neuen Nachrichten aus Washington zu entfliehen, die fast so hektisch wie die Sportberichterstattung die vielen umstrittenen Entwicklungen der Trump-Ära thematisieren. Wer in den Bildern aus Korea versinkt, kann von etwas träumen, wonach man sich in dem politisch zerrissenen Land immer stärker sehnt: Symbolbilder für Nationalstolz und Gemeinschaftssinn. Mögen sie noch so fabriziert wirken.
NHL boykottiert Olympia
Nicht alles läuft wie gewünscht: Die US-Boys verloren zum Beispiel im Auftaktspiel gegen den Eishockey-Zwerg Slowenien. Entschuldigung? Keine. Denn die USA müssen so wie jedes andere Teilnehmerland auch auf die Besten verzichten, weil die National Hockey League Olympia boykottiert. Ihr Kontrastprogramm läuft ungebremst weiter.
Eine überraschende Seite hatten die Spiele allerdings doch. Und zwar für die amerikanische Rockband O.A.R. Ihre Initialen - sie stehen für "Of A Revolution" - sind dieselben wie die der "Olympischen Athleten aus Russland", die trotz des Dopingskandals von Sotschi an den Start gehen dürfen.
Die Musiker erhalten seit dem Beginn der Wettbewerbe Anrufe, Emails und SMS-Nachrichten zuhauf. Die Bandmitglieder sind Sport-Fans und freuen sich, dass sie nun vielleicht doch noch berühmt werden. Dazu müssten die Sportler aus Russland aber noch ein bisschen besser abschneiden. Mit bisher zwei Silber- und acht Bronzemedaillen fallen sie kaum auf.