Es dauert eine Weile, bis sich beim Gang durch Futaba etwas zeigt, das optimistisch stimmen könnte. Links liegt ein zerfallenes Ziegeldach, das mal das Prachtstück eines buddhistischen Tempels war. Rechts ein alter Fleischerladen. Die Fenster zersprungen, drinnen ist die Decke eingestürzt. Daneben ein Uhrengeschäft, in dem jetzt streunende Tiere leben.
Dann aber ist Tatsuhiro Yamane an seinem Lieblingsort angekommen. Ein kleiner, stolzer Schrein – ein heiliger Ort für Japans Urreligion Shinto:
"Das ganze Dorf ist zwar seit Jahren verlassen. Aber die Einwohner haben Geld gesammelt, um wenigstens ihren Schrein zu restaurieren, damit die Götter wiederherkommen können. Das alte Dach haben sie auf eine neue Struktur gesetzt. Und der Eingangsbereich ist auch ganz neu. Das rührt mich jedes Mal, wenn ich hier bin."
"fukkou gorin"
Tatsuhiro Yamane ist Gemeinderatsmitglied in Futaba, dem vielleicht berühmtesten Dorf Japans. Denn hier liegt das Atomkraftwerk Fukushima Daiichi, die wiederum weltweit berüchtigte Atomruine. Bei einem Erdbeben und Tsunami starben vor zehn Jahren 20.000 Menschen, Hunderttausende verloren ihr Zuhause. Außerdem kam es eben in drei Reaktoren des Atomkraftwerks zu Kernschmelzen. Der gesamte Umkreis von 30 Kilometern musste evakuiert werden.
Aber zehn Jahre später sollte der Wiederaufbau eigentlich gelungen sein, könnte man denken. Schließlich finden jetzt die Olympischen Spiele von Tokio statt, die die Organisatoren immer wieder "fukkou gorin" genannt haben – Spiele des Wiederaufbaus. Bei der Tokioter Olympiabewerbung sagte der damalige Premierminister Shinzo Abe im September 2013 vor dem IOC:
"Einige von Ihnen könnten Sorgen haben wegen Fukushima. Aber lassen Sie mich Ihnen versichern: Die Lage ist unter Kontrolle."
Betreten nur tagsüber erlaubt
Mit dieser Botschaft beginnen die Spiele von Tokio schon am Mittwoch im Azuma Stadion in Fukushima-Stadt. Dort treffen im Softball Japan und Australien aufeinander. Aber die Präfektur Fukushima ist in etwa so groß wie Schleswig-Holstein, und Fukushima-Stadt war von der Atomkatastrophe nie wirklich betroffen. Von der Küstenregion, in der Nähe der Atomkraftwerksruine, bleiben wegen der weiterhin hohen Strahlung mindestens 40.000 Menschen evakuiert. Nur tagsüber darf man in einige Zonen des Ortes kommen.
Gemeinderatsmitglied Tatsuhiro Yamane, der mittlerweile eine Walking Tour durch Futaba anbietet, sagt:
"Dass die Olympischen Spiele wie versprochen den Wiederaufbau vorantreiben, spürt man hier in der Gegend wenig. Das viele Geld, das in Olympia investiert wurde, ist hier kaum angekommen. Das Haus, in dem meine heutige Frau damals wohnte, bis sie evakuiert wurde, steht immer noch da wie vor zehn Jahren. Wir überlegen, ob wir es jetzt abreißen lassen."
Slogan als PR
Direkt am Wasser, wo vor zehn Jahren der Tsunami alles verschluckte und die Strahlung auch wegen des Windes nicht ganz so hoch ist, eröffnete letztes Jahr das Erinnerungsmuseum der Großen Katastrophe. In einem Foodcourt davor arbeitet Takanori Asami:
"Diesen Slogan der Wiederaufbauspiele haben sie doch vor allem zur PR genutzt. Man muss nur da rüber ins Museum gehen und dann einen Spaziergang durch Futaba machen. Dann sieht man sofort, dass der Wiederaufbau hier nicht angekommen ist. Ich war früher selbst Boxer, habe 1996 für Atlanta trainiert. Sport ist mir wichtig. Aber diese Spiele von Tokio passen mit dem Thema Wiederaufbau doch nicht zusammen."