Viermal Gold bei Olympia
Reitsport-Nation Deutschland: Erfolgsfaktor Pferdezucht

Ohne die Reiterinnen und Reiter sähe der Medaillenspiegel für Deutschland anders aus. Sie sind bei Olympia mit viermal Gold und einmal Silber das Aushängeschild. Einer der Gründe dafür ist die lange Tradition der Pferdezucht in Deutschland.

Von Julian Tilders |
    Deutschlands Springreiter Christian Kukuk jubelt nach der Siegerehrung auf seinem Pferd Checker.
    Springreiter Christian Kukuk hat bei den Olympischen Sommerspielen in Paris die vierte deutsche Goldmedaille im Pferdesport geholt. Sein Westfalen-Wallach Checker trug ihn zum Sieg. (picture alliance / dpa / Rolf Vennenbernd)
    Am letzten Tag der Reit-Wettbewerbe bei den Olympischen Spielen ist es nochmal zu großem Jubel im deutschen Lager gekommen. Christian Kukuk sorgte auf Checker mit seinem Olympiasieg für das erste deutsche Einzel-Gold im Springreiten seit 1996. Es war die dritte Pferdesport-Goldmedaille in Paris, nachdem schon Michael Jung auf Chipmunk in der Vielseitigkeit, das deutsche Dressur-Team sowie Jessica von Bredow-Werndl im Einzel auf Dalera triumphiert hatten.

    Deutscher Reitsport in ewiger Olympia-Tabelle ganz vorne

    Im Medaillenspiegel stehen nun acht Goldmedaillen für Deutschland (Stand: Dienstag, 06.08.2024). Die Reiterinnen und Reiter sind also für die Hälfte der Gold-Erfolge in Paris verantwortlich. Rechnet man mit Silber und Bronze alle bisherigen deutschen Medaillen (17) zusammen, kommt der Reitsport immer noch auf einen Anteil von fast 30 Prozent.
    Und ein Blick in die Geschichte zeigt, dass der deutsche Reitsport nicht erst seit Paris die Weltspitze bildet, sondern praktisch schon immer. In der ewigen Tabelle der Olympischen und Paralympischen Spiele liegt Deutschlands Reitsport (Springen, Dressur und Vielseitigkeit) mit 48 Gold-, 25 Silber- und 27 Bronzemedaillen vorne, erst weit dahinter kommen das in Paris leer ausgegangene Schweden (18/13/14) und Großbritannien (15/12/18).

    Viele Olympia-Erfolgspferde kommen aus Deutschland

    Vier der fünf Erfolgspferde der deutschen Equipe kommen auch aus der deutschen Pferdezucht. Springpferd Checker (Reiter: Christian Kukuk) ist ein Westfale, gezüchtet von Wolfgang Knipp. Vielseitigkeitspferd Chipmunk (Michael Jung) ist ein Hannoveraner aus der Zucht von Sabine und Dr. Hilmer Meyer-Kulenkampff.
    Jessica von Bredow-Werndls Trakehner-Stute Dalera wurde von Silke Druckenmüller gezogen, die drei Jahre in Folge, zuletzt posthum, vom internationalen Weltzuchtverband (WBFSH) die Auszeichnung für die Züchterin des besten Dressurpferdes bekam. Der Oldenburger Bluetooth OLD, geritten von Frederic Wandres beim Team-Gold in der Dressur, kommt vom Gestüt Lewitz. Lediglich Isabell Werths Wendy de Fontaine ist ein dänisches Warmblut.
    Auch hinter den Erfolgen anderer Nationen steckt teils die deutsche Pferdezucht. So etwa bei Großbritanniens Triumphen in der Vielseitigkeit, die zwei Holsteiner-Pferden zu verdanken sind: London 52, geritten von Laura Collett beim Team-Olympiasieg und bei ihrer Einzel-Bronzemedaille, wurde von Ocke Riewerts auf der Insel Föhr gezüchtet. JL Dublin von Tom McEwen kommt aus der Zucht von Volker Göttsche-Götze. Und beim britischen Team-Olympiasieg im Springreiten war mit Baloutine (Hannoveraner/Züchter: Heinrich Meyer) ein weiterer deutscher Wallach beteiligt.
    Die Liste ließe sich weiterführen. Und die Beteiligung deutscher Pferde am Erfolg zieht sich durch viele weitere Turniere der Vergangenheit. Auch bei den Spielen in Tokio 2021 holten Pferde aus deutscher Zucht fast ein Drittel der 36 möglichen Medaillen, wie die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) damals stolz mitteilte.

    Pferdezucht in Deutschland: Konkurrenz in Westeuropa

    Entsprechend verwundert es nicht, dass die Zucht von Sportpferden schon lange ein Millionengeschäft ist – und zwar ein kostenintensives, das maßgeblich von einem Mäzenatentum abhängig ist, in dem etwa auch der Fußballspieler Thomas Müller mitmischt. Christian Kukuks Gold-Pferd Checker gehört dem Bayern-Star und Ex-Reiterin Madeleine Winter-Schulze, der einflussreichsten Mäzenin im deutschen Pferdesport. Kukuk bedankte sich bei ihnen in der ARD: "Sie haben mir die Möglichkeit gegeben, das Pferd weiterreiten zu können und dass er nicht verkauft wird eines Tages."
    Nicht nur in Deutschland ist die Pferdezucht ein Markt, sondern auch international, wobei der Reitsport fest in (west-)europäischer Hand ist. In der Olympia-Tabelle der erfolgreichsten Pferdesport-Nationen seit 1912 finden sich unter den Top-Ten als Nicht-Westeuropäer lediglich die Vereinigten Staaten (5.), die Sowjetunion und Australien (geteilter 8. Platz).
    Und auch speziell in der Zucht dominiert Westeuropa. Deutschland hat aus Belgien, Frankreich und den Niederlanden längst Konkurrenz bekommen. Schon seit 2017 stellen in der Dressur-Rangliste des Weltzuchtverbandes die Niederländer (KWPN), die auch den berühmten Hengst Totilas hervorbrachten, die erfolgreichsten Pferde. 2023 reihte sich dahinter der Oldenburger Verband ein, auf Platz drei landeten die Hannoveraner.
    Im Springreiten waren 2023 Frankreichs Pferde am erfolgreichsten, danach kamen die Holsteiner aus Deutschland, dann Belgien. Und in der Vielseitigkeit lag im letzten Jahr Irland vorne, gefolgt von Frankreich und den Niederlanden.

    Dressurpferd Dalera soll Talent an nächste Generation vererben

    Bei diesem internationalen Wettstreit kommt es nicht von ungefähr, dass der deutsche Reitsport die Gene der erfolgreichsten Pferde nach ihrem Karriereende in der Zucht weitergeben will. So erklärte Olympiasiegerin Jessica von Bredow-Werndl, dass Trakehner-Stute Dalera ihr Talent weitervererben soll: "Ich würde sie gerne nächstes Jahr besamen, in der Hoffnung, dass sie Mama werden kann."