Olympia 2024
Wie Russland und die Ukraine auf die Sommerspiele schauen

Wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine waren nur 32 Sportlerinnen und Sportler aus Belarus und Russland als neutrale individuelle Athlet:innen in Paris dabei. Die Spiele lösten in Russland und der Ukraine unterschiedliche Echos aus.

Von Gesine Dornblüth |
Die russischen Tennisspielerinnen Mirra Andreeva und Diana Shnaider tragen bei der Medaillenzeremonie die Kleidung der neutralen individuellen Athlet:innen.
Die russischen Tennisspielerinnen Mirra Andreeva und Diana Shnaider haben als neutrale individuelle Athletinnen bei den Olympischen Spielen in Paris die Silbermedaille im Doppel gewonnen. (IMAGO / ZUMA Press Wire / IMAGO / Oscar J Barroso)
Weder in Belarus noch in Russland wurden die olympischen Wettkämpfe im Fernsehen übertragen. In den Nachrichten der staatlichen Propagandasender war vor allem das Drumherum Thema, und die Macher gaben sich alle Mühe, die Spiele in den schwärzesten Farben darzustellen. Es begann mit der Eröffnungsfeier:
"Wer den ersten Schock überwand und nicht ausschaltete, nachdem der abgeschnittene Kopf Marie Antoinettes zu Heavy Metal gesungen hatte, den erwarteten noch weitere Überraschungen. Eine verfettete Frau auf dem Platz von Christus, Transgender, nackte Männer – die Organisatoren schreckten nicht davor zurück, fast zweieinhalb Milliarden gläubige Christen zu beleidigen."
Dass der Regisseur der Eröffnungsfeier nicht etwa Jesus und das Abendmahl parodierte, sondern ein heidnisches Fest, erwähnte der Staatssender Rossija nicht.

Lob von Eiskunstlauftrainerin, aber Staatssender üben Kritik

Dabei gab es in Russland durchaus Lob für die Eröffnungszeremonie. Sie sei schön und originell gewesen und habe die kulturellen und historischen Besonderheiten des Gastgeberlandes berücksichtigt, fand die Eiskunstlauftrainerin Tatjana Tarasowa.
Die Fernsehnachrichten aber blieben auch in den kommenden zwei Wochen bei den Negativschlagzeilen. Fehlende Klimaanlagen in den Unterkünften der Athleten waren eine Meldung wert, ebenso der Startverzicht des schwedischen Marathonschwimmers Viktor Johansson, dem die Seine zu schmutzig war: "Neue Skandale bei Olympia in Frankreich: (…) Französische Medien warnen, dass das Wasser im Fluss zu schmutzig ist. Aber die Machthaber beteuern, es sei alles in Ordnung."

Bekannte russische Sängerin legt sich mit Politikerin an

Die Medaillen der russischen, unter neutraler Flagge startenden Athleten wurden im Staatsfernsehen nur in aller Kürze abgehandelt. Schon vor Beginn der Spiele hatten führende russische Sportfunktionäre dazu aufgerufen, die Wettkämpfe zu ignorieren, weil Russland nicht vertreten sei.
Als dann die russischen Tennisspielerinnen Mirra Andreeva und Diana Shnaider Silber im Doppel holten, kommentierte Svetlana Schurova, ehemalige Eisschnellläuferin und jetzige Abgeordnete der Duma (russisches Unterhaus der Föderationsversammlung), mit den Worten, die beiden hätten die Medaillen "für sich" gewonnen. Mit dem Land habe das "überhaupt nichts zu tun".
Die bekannte russische Sängerin Zemfira, die im Ausland lebt, riet der Politikerin daraufhin, in die Banja (russisches Dampfbad/Badehaus) zu gehen und die Boshaftigkeit von sich abzuwaschen. Sie habe sehr wohl mit den Spielerinnen mitgefiebert.

Ukraine bejubelt Charlan-Goldmedaille frenetisch

Ganz anders war die Bedeutung der Olympischen Spiele in der Ukraine. Dort wurde jede ukrainische Medaille frenetisch gefeiert, angefangen mit Gold für die Säbelfechterin Olga Kharlan. Im ukrainischen Fernsehen wurde die Szene so kommentiert: "Wir gratulieren der gesamten Ukraine, wir gratulieren der Siegerin, das ist einfach unglaublich!"
Säbelfechterin Olha Charlan jubelt über Gold bei den Olympischen Spielen in Paris.
Säbelfechterin Olha Charlan lässt die ganze Ukraine jubeln: Sie gewinnt bei den Olympischen Sommerspielen in Paris Gold im Säbelfechten. (IMAGO / Xinhua / IMAGO / Zhang Hongxiang)
Die Goldmedaille der deutschen Gymnastin Darja Varfolomeev indes sorgte in der Ukraine für Verstimmung. Varfolomeev wurde in Russland geboren, hat einen deutschen Großvater und kam mit zwölf Jahren nach Deutschland. Vor drei Jahren nahm sie an einem Wettkampf auf der schon damals von Russland besetzten Krim teil – eine Verletzung ukrainischen Rechts. Ihre Medaille erhielt sie in Paris auch noch ausgerechnet aus der Hand des ukrainischen Sportfunktionärs Sergej Bubka, der wegen mutmaßlicher Geschäfte in den von Russland besetzten Gebieten in der Kritik steht.
Der ukrainische Skeleton-Pilot Vladyslav Heraskevych beurteilt den Umgang des IOC mit den neutralen Athletinnen und Athleten unter dem Strich dennoch positiv: Immerhin hätten sie keine Plattform bekommen, um Propaganda zu verbreiten.