Mitte des vergangenen Jahrzehnts war Akio Toyoda noch begeistert, die Olympischen Spiele zu sponsern: "Das Internationale Olympische Komitee hat das olympische TOP-Sponsorenprogramm auf die Produktkategorie Mobilität ausgeweitet. Und es bereit mir große Freude, heute zu verkünden, dass Toyota ein TOP-Partner in dieser neuen Mobilitätskategorie für die nächsten zehn Jahre wird."
Diese Worte stammen aus dem Jahr 2015. Der Chef des Konzerns Toyota hatte feierlich eine Pressekonferenz einberufen, um der Welt auf kaum subtile Weise mitzuteilen: Mit seinem Sponsoringvertrag habe der Autobauer sein Image als Premiummarke unterstrichen. Toyota, ohnehin ein weltweit führender Autobauer, war stolz.
Und heute? Offenbar nicht mehr so ganz. Anfang Oktober zitierte die Nachrichtenagentur Associated Press Akio Toyoda, wie er über das IOC dies sagte: "Ehrlich gesagt bin ich mir nicht sicher, ob sie wirklich darauf bedacht sind, die Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Für mich sollte es bei den Olympischen Spielen einfach darum gehen, Athleten aus allen Gesellschaftsschichten mit allen Arten von Herausforderungen dabei zuzusehen, wie sie ihr Unmögliches erreichen."
Olympia als Nachteil für japanische Sponsoren
Für die Aufnahme in den erlesenen Kreis der „TOP-Sponsoren“ – der Unternehmen in ihrem Geschäftsbereich das exklusive Werberecht mit den olympischen Ringen einräumt – soll Toyota seit 2015 rund 835 Millionen US-Dollar gezahlt haben. Vor kurzem aber hat der Konzern angekündigt, den Vertrag nicht mehr verlängern zu wollen. Und damit ist das Unternehmen mittlerweile in guter Gesellschaft.
Der japanische Sender Nihon Terebi fasste die jüngsten Entwicklungen rund um das Olympia-Sponsoring Anfang Oktober so zusammen: "Der Reifenhersteller Bridgestone, der seit 2014 das IOC in der höchsten Kategorie gesponsert hat, verkündet, dass er sein Engagement beendet. Auch der Autobauer Toyota und der Elektronikkonzern Panasonic haben vor kurzem diesen Schritt gemacht. Damit ist kein japanischer TOP-Sponsor übrig. Bridgestone hat angekündigt, stattdessen in Zukunft 'nachhaltigen Motosport' sponsern zu wollen."
Ein wichtiger Hintergrund, dass nun ausgerechnet die japanischen Konzerne aussteigen, sind die Sommerspiele von Tokio 2021, die am Ende sehr unbeliebt waren. Das lag längst nicht nur daran, dass die Spiele pandemiebedingt um ein Jahr verschoben wurden und letztlich im Ausnahmezustand vor leeren Rängen stattfanden.
„Tokyo 2020“ erfüllte diverse Versprechen nicht: Anders als von den Organisatoren behauptet, blieben es bei weitem keine Spiele, die die Steuerzahler nichts kosteten. Nach dieser seltsamen Sportparty ohne Feierstimmung versank das Event in einem Korruptionssumpf. Mehrere der Sponsoren und Organisatoren wurden verurteilt.
Und obwohl Japan viele Medaillen holte, war nach Umfragen rund die Hälfe der Menschen im Land der Meinung, die Spiele hätten nie stattfinden sollen. Olympia wurde sogar so unpopulär, dass das nordjapanische Sapporo seine Bewerbung für die Ausrichtung der Winterspiele 2030 zurückzog.
Für Sponsoren ist das ein Desaster, sagt Koichi Nakano, Politikprofessor an der Sophia Universität in Tokio: "Beim IOC und den Olympischen Spielen bemerken zumindest in den Demokratien der Welt immer mehr Menschen, dass dieses Sportereignis nicht ganz so toll ist, wie es scheint. Wo immer Olympischen Spiele stattfinden, gibt es später Skandale. Sehr deutliche Korruption, die oft nicht mal sonderlich versteckt ist. Die Veranstalter lassen sich auch kaum kontrollieren. Das bringt nicht nur Regierungen in Schwierigkeiten, sondern auch Unternehmen, die die Bilder von Olympia für ihr eigenes Image nutzen wollen. Und Unternehmen aus Japan, wo die Gesellschaft misstrauischer geworden ist, müssen eben abwägen, ob sie sich Olympia-Sponsoring dann noch leisten können."
Nachrücker kommen oft aus China und dem Mittleren Osten
Insgesamt sollen die japanischen Konzerne dem IOC in den vergangenen zehn Jahren mehr als eine Milliarde Dollar überwiesen haben. Ein Finanzloch, dass das IOC jetzt schließen muss. Als der Elektronikkonzern Panasonic seinen Ausstieg aus dem Sponsoring verkündet hat, zeigte sich IOC-Präsident Thomas Bach in einem gemeinsamen Statement enttäuscht, aber offenbar auch unbeeindruckt: "Das IOC versteht und respektiert völlig, dass die Panasonic-Gruppe ihre Geschäftsstrategie anpassen muss. Daher endet diese Partnerschaft auf respektvolle und freundschaftliche Weise."
Bleibt die Frage, wer die Japaner als Geldgeber ersetzt. Bisher sind die meisten TOP-Sponsoren Konzerne aus liberalen Demokratien, von Visa aus den USA über Allianz aus Deutschland bis zu Samsung aus Südkorea. Mit Alibaba kam 2017 der erste chinesische Konzern dazu. Generell haben chinesische Unternehmen ihr Sportsponsoring seitdem deutlich verstärkt. Ähnlich sieht es mit den Staaten aus der Golfregion aus. Katar ist Großsponsor der Fifa und hat Ambitionen, einst Olympische Spiele auszurichten.
Und mit Saudi-Arabien hat eine weitere Diktatur, die schwere Menschenrechtsverletzungen zu verantworten hat, zuletzt die Bande mit dem IOC gestärkt. 2025 wird dort das erste Esport-Olympia steigen. Koichi Nakano meint einen Trend zu erkennen: "Chinesische Unternehmen wollen ihre Marken etablieren oder stärken. In Saudi-Arabien will man seine Reputation verbessern. Und diese Länder sind keine Demokratien mit freier Meinungsäußerung. Insofern besteht auch eine Asymmetrie, dass Unternehmen wie Mercedes Benz oder Visa von Olympiasponsoring wohl nicht mehr auf gleiche Weise profitieren könnten wie Betriebe aus diesen Ländern."
So wäre Koichi Nakano nicht erstaunt, wenn in den nächsten Jahren weitere Konzerne aus demokratischen Ländern ihr Engagement für das IOC auslaufen ließen. Was allerdings nicht bedeutet, dass sie das Sportsponsoring einstellen. Toyota hat etwa angekündigt, in Zukunft verstärkt individuelle Athletinnen und Athleten zu finanzieren.