Olympia 2024
Sportswashing - missbrauchen Sponsoren die olympische Bühne?

Die Olympischen Spiele sind eine attraktive Sponsoring-Plattform. Das liegt zum einen am Millionenpublikum, aber auch an den Werten, für die die olympische Bewegung steht. Doch genau das birgt die Gefahr für Sportswashing.

Von Felix Lill | 27.07.2024
Ein blauer Löwe und eine Flagge von Olympia-Sponsor Coca Cola stehen vor dem Stadion in Lyon, wo bei den Olympischen Spielen Fußballspiele ausgetragen werden.
Unter anderem Coca Cola steht als Sponsor der Olympischen Spiele in Paris 2024 in der Kritik. (IMAGO / PanoramiC / IMAGO / Sandrine Thesillat)
Alles strotzt vor Dynamik: Ein Athlet mit Prothese macht sich für den Sprint bereit. Eine Turnerin schwingt sich am Reck, ein Turmspringer wippt auf dem Sprungbrett. Menschen jubeln. Paris wird aus der Vogelperspektive gezeigt, als könnte diese Weltstadt ohne den Namen, der kurz darauf im Video eingeblendet wird, nicht funktionieren: ArcelorMittal. Zu Ende dieses PR-Videos prangt der Satz: "Stolz darauf, die Olympischen und Paralympischen Spiele von Paris 2024 zu unterstützen."
Der internationale Stahlkonzern ArcelorMittal zählt zu den wichtigsten Sponsoren der Spiele von Paris. Aber er ist auch seit Jahren umstritten – vorgeworfen werden dem Konzern Klimaschädlichkeit und Menschenrechtsverletzungen. Zuletzt forderte eine Allianz nachhaltigkeitsorientierter NGOs im Juni diverse Banken dazu auf, kein Geld mehr an ArcelorMittal zu verleihen.

40 ArcelorMittal-Mitarbeiter sterben bei Brand

In Südafrika, Liberia, Mexiko und Brasilien seien diejenigen, die sich für Umweltschutz einsetzen, Gewalt ausgesetzt. Der Konzern vernachlässige zudem die Gesundheit seiner Arbeiter und der lokalen Umgebung. Ende 2023 starben beim Brand einer Mine in Kasachstan mehr als 40 Arbeiter.
Und das Geld von Banken ermöglicht auch, dass sich der Stahlriese Aufmerksamkeit kauft – als Sponsor von Olympia, dem größten Sportevent der Welt.
ArcelorMittal betont auf seiner Website, Menschenrechte und Klimaschutz ernstnehmen zu wollen. Andrew Simms von der Kampagne Badvertising, die auch Sportsponsoring kritisiert, ist misstrauisch. In einem Interview im Juli sagte der Ökonom: "Mehrere Sportgroßevents, auch die Olympischen Spiele, versprechen in letzter Zeit, die grünsten jemals zu werden. Aber wenn man sich den Sport ansieht, verlässt er sich auf die Fossilindustrie, den Autosektor oder Fluglinien. Es gibt einen riesigen Konflikt, wenn Sport von den Verschmutzern gesponsert wird, die mit ihren Emissionen sogar die Grundlage für den Sport selbst zerstören. Sie verschmutzen ja sogar die Luft, die Athletinnen atmen."

Vorwurf des Sportswashing

Gerade wegen ihrer Auswirkungen aufs Klima – die nicht zuletzt auch die Gesundheit von Menschen beeinflussen – stehen neben ArcelorMittal vor allem Air France und Toyota in der Kritik. Hinzu kommen Sponsoren wie Coca Cola, deren Kernprodukte sich kaum positiv auf den menschlichen Körper auswirken.
In diesem Zusammenhang kommt immer wieder der Begriff Sportswashing auf, erklärt Sebastian Uhrich, Sportökonom an der Deutschen Sporthochschule Köln: "Sportswashing wird jetzt verwendet für eine Situation, wo Marken ein zweifelhaftes Image haben, irgendwie in der Kritik stehen, und man jetzt davon ausgeht, dass diese explizit negativen Assoziationen, die man mit dieser Marke hat, eben verbessert sollen oder übertüncht werden sollen. Insofern beschreibt es letztlich einen völlig normalen Prozess, dass man also Imageentwicklung betreibt mit dem Sponsoring für den speziellen Fall, dass die Marke von vornherein ein eher negatives Image hat."

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Wobei die Gründe, Olympiasponsor zu werden, vielfältig sind, sagt Sportökonom Uhrich: "Zugang zu seinen Konsumenten kann ein Motiv sein. Ein anderes Motiv kann aber durchaus doch sein, dass man sich mit dem assoziiert, was ein Event wie eben die Olympischen Spiele ausmacht an Attributen, dass man diese versucht auf die Marke zu übertragen. Sportlichkeit ist eine Sache. Aber bei Olympischen Spielen gibt es natürlich weitere Dinge. Wir haben Verbindung zwischen Völkern, wir haben Fröhlichkeit, wir haben hoffentlich friedliche Spiele. Wir haben starke Emotionen. Das sind verschiedene Attribute, die auch für Marken interessant sein können."

IOC im Spagat zwischen Werten und Geschäft

Immerhin will die olympische Bewegung für diverse Werte stehen, die in der modernen Welt geschätzt werden: Es geht um Fairness, Respekt und ständige Arbeit an sich selbst. In der Präambel der Olympischen Charta heißt es: "Der Olympismus strebt die Schaffung einer Lebensweise an, die auf der Freude an der Anstrengung, dem pädagogischen Wert des guten Beispiels, sozialer Verantwortung und der Achtung international anerkannter Menschenrechte und universeller ethischer Grundprinzipien im Rahmen der Olympischen Bewegung basiert."
Zugleich sind Sponsoreneinnahmen für das Internationale Olympische Komitee ein Milliardengeschäft, das auch noch wächst. Mit den sogenannten TOP-Sponsoren, die das IOC in ihrem Geschäftsbereich exklusiv sponsern, spielte das IOC Mitte des vergangenen Jahrzehnts erstmals eine Milliarde US-Dollar ein. Für die aktuelle, mit den Spielen von Paris endende Periode, sollen Einnahmen von drei Milliarden angepeilt werden.

Bei Geldquellen nicht wählerisch?

Nur wenn man so viel Geld einnehmen will: Setzt man sich dann nicht fast automatisch der Kritik aus, nicht sonderlich wählerisch bei den Geldquellen zu sein?
Sebastian Uhrich erkennt ein grundsätzliches Spannungsfeld: "Das Problem ist allerdings, wo man hier welche Grenzen zieht. So ein Staat, wo es jetzt Menschenrechtsverletzungen gibt, da haben wir vielleicht noch einen Konsens, dass das kein guter, passender Sponsor ist. Bei einem Fastfoodhersteller, da mag es auch Leute geben, die sagen, das passt eigentlich nicht zu Olympischen Spielen dazu. Andere argumentieren aber vielleicht, naja, ich möchte aber einen Burger essen, während ich Olympische Spiele schaue."

PR-Manager empfiehlt Medientraining für Personal

Viel Aufmerksamkeit also, aber auch viel Potenzial zur Empörung. In der PR-Welt hat man dies längst verstanden. Im Branchenmagazin Sports Business Journal empfahl daher Arthur Solomon, ein Manager bei der PR- und Lobbyfirma Burson, in einem Aufsatz letzten Monat: Sponsoren sollten ihr Personal auf kritische Fragen aus den Medien vorbereiten und trainieren, auch was Vorwürfe des Sportswashing angeht: "Es ist außerdem eine gute Idee, bei Olympischen Spielen eine Person mit umfangreicher Erfahrung im Bereich Medientraining vor Ort zu haben, die den Sprecher vor einem Interview an die während der Trainingseinheiten gewonnenen Erkenntnisse erinnert und die Interviews währenddessen kritisch begleitet."
Ob dies ausreicht, um die öffentliche Aufmerksamkeit nur auf die schönen Seiten von Olympia und seinen Geldquellen zu fokussieren, wird sich in den kommenden Wochen zeigen.