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Olympiaboykott vor 40 Jahren
"Es verlief ein scharfer Riss durch die Sportbewegung"

Es war eine umstrittene Entscheidung: Vor 40 Jahren boykottieren mehrere Staaten die Olympischen Sommerspiele 1980 in Moskau. Auch das Nationale Olympische Komitee der Bundesrepublik schließt sich dem von der USA angeführten Boykott an. Die Folgen sind bis heute spürbar.

Jutta Braun und Diethelm Blecking im Gespräch mit Matthias Friebe |
NOK-Präsident Willi Daume (am rechten Bildrand) spricht am 15.5.1980 auf der NOK-Mitgliederversammlung in Düsseldorf, wo das Nationale Olympische Komitee für Deutschland nach rund vierstündiger Beratung und Abstimmung mit 59:40 Stimmen beschließt, die Olympischen Sommerspiele 1980 in Moskau zu boykottieren.
Mit 59:40 Stimmen beschließt das Nationale Olympische Komitee der Bundesrepublik Deutschland im Frühjahr 1980, die Olympischen Sommerspiele in Moskau zu boykottieren. (picture-alliance/dpa/Hartmut Reeh )
Es war ein politisch motivierter Boykott inmitten des Kalten Krieges und ein Boykott, der "die gesamte Olympische Bewegung verändert" habe, sagt Diethelm Blecking, Sporthistoriker an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, im Dlf-Sportgespräch.
Nachdem die Sowjetunion Ende 1979 in Afghanistan einmarschiert war, verkündet US-Präsident Jimmy Carter als Reaktion darauf einen Strafenkatalog, in dem neben verschiedenen Embargos auch ein möglicher Boykott der Olympischen Sommerspiele 1980 in Moskau erwähnt wird.
Im April 1980 stimmt dann zunächst das US-amerikanische Nationale Olympische Komitee für den Boykott. Kurze Zeit später schließen sich die Komitees mehrerer weiterer Staaten an: unter anderem Japan, Norwegen, Kanada, Kenia - und auch die Bundesrepublik Deutschland.
Umstrittene Entscheidung
Längst nicht alle folgen ihrem Beispiel: Am Ende nehmen 81 Nationen an den Spielen in Moskau teil, darunter die DDR, Großbritannien, Spanien, Neuseeland, Dänemark, Australien, Portugal - und schließlich auch Afghanistan.
"Ich glaube, es war eine hochkritische Situation für den deutschen Sport", sagt Jutta Braun vom Zentrum deutsche Sportgeschichte im Sportgespräch mit dem Dlf. "Denn man war sich ja durchaus uneinig, ob man dieser Boykottforderungen nachkommen sollte."
Nicht nur in der Politik und Bevölkerung habe damals eine geteilte Stimmung geherrscht - auch unter den Athleten und Sportverbänden. Durch die Sportbewegung sei ein "scharfer Riss" verlaufen, so die Historikerin Jutta Braun, "einige Fachverbände waren für einen Boykott, andere waren dagegen."
Guido Kratschmer auf der Zuschauertribüne während der Olympischen Spiele in Moskau.
Der deutsche Zehnkampf-Weltrekordler Guido Kratschmer als Zuschauer bei den Spielen in Moskau. (Picture Alliance / dpa - Sportreport / Frank Leonhardt)
Sportler und Sportlerinnen, die sich gerade auf ihrem Leistungshöhepunkt befanden, hatten sich nun vergeblich auf die Spiele vorbereitet. Darunter auch einige Goldfavoriten wie etwa der Zehnkämpfer Guido Kratschmer oder die Handballmannschaft der Männer, damals amtierende Weltmeister.
Weitreichende Folgen
Willi Daume, der damalige NOK-Päsident der Bundesrepublik Deutschland, war gegen den Boykott, wollte ihn eigentlich verhindern - doch die Entscheidung der NOK-Mitgliederversammlung am 15.05.1980 in Düsseldorf fiel anders aus, wenn auch knapp: Nach rund vierstündiger Beratung entscheiden die Mitglieder mit 59:40 Stimmen, sich dem Boykott anzuschließen.
NOK-Chef Daume wollte eigentlich noch im selben Jahr IOC-Präsdent werden - das wurde dann aber ein anderer: Der Spanier Juan Antonio Samaranch, "der die gesamte Olympische Bewegung auf eine ganz neue Spur gesetzt hat", wie Diethelm Blecking im Dlf-Sportgespräch konstatiert.
Vom Amateursport zum Neoliberalismus
Als eine der folgenreichsten Änderungen gilt, dass das IOC unter Samaranch die Amateursportler-Regelung abschafft und fortan Profis zu den Wettbewerben zulässt. "Er hat im Grunde eine neoliberale Wirtschaftspolitik entworfen für die olympische Bewegung, die die gesamte Olympische Bewegung dann stark verändert hat", erklärt Blecking.
"Diese Neoliberalisierung der olympischen Bewegung", so Blecking, "hat natürlich Tendenzen, leistungsfördernde Mittel zu implementieren - also auf Deutsch Doping-Tendenzen - und natürlich auch die Bewegung politisch zu instrumentalisieren, noch stärker pointiert."