Jeder Vierte der brasilianischen Olympioniken hat Corona-Todesfälle im Bekanntenkreis zu beklagen. Das ergibt eine aktuelle Umfrage, bei der ebenso viele äußerten, die Austragung der Spiele im Juli für verfrüht zu halten. Die Stimmung in Südamerika und auch die Vorbereitung auf die Wettkämpfe könnte besser sein. Etwas Mut versuchte vergangene Woche Brasiliens Gesundheitsminister Marcelo Quieroga zu machen:
"Wir haben gute Nachrichten zu verkünden: Wir werden unsere Olympiateilnehmer und die Betreuerteams impfen. Damit sie so ihren Sport in Tokio so gut wie nur möglich ausüben können und mit vielen Medaillen den großartigen brasilianischen Sport weiter schmücken. Das Ganze wird mit gespendeten Impfdosen gemacht ohne Beeinträchtigung für das nationale Impfprogramm."
Impfkampagnen für Olympioniken
Mit knapp 300 Athletinnen und Athleten schickt Brasilien das größte südamerikanische Team nach Tokio. Ob mit oder ohne Unterstützung des IOC: Gerade weil die meisten Länder der Region kaum zehn Prozent der Bevölkerung auch nur einmal geimpft haben, sind die Impfkampagnen das große Thema,
"Wir haben schon den ersten Antrag gestellt und werden dann bald geimpft, damit wir nach Japan einreisen können", berichtet Gewichtheber Santiago Rodallegas aus Kolumbien.
"Ich denke, die Sportler werden vorgezogen, weil sie ihr Land repräsentieren. Es ist ja nicht so, dass wir wegen etwas Schlechtem Priorität haben. Wenn jetzt nicht Olympia wäre, würden wir warten. Jetzt ist das ein Sonderfall."
Eigentlich ist in Tokio keine Impfpflicht vorgesehen. Aber wer nur irgendwie kann, besorgt sich das Vakzin. Chile galt zwischenzeitlich als Impfweltmeister und hat mittlerweile 40 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft. Die Skateboarderin Josefina Tapia Vargas war nicht dabei, konnte das aber während der Vorbereitung zum letzten Qualifikationsturnier in den USA nachholen.
Einige machen die Vorbereitung in den USA oder Europa
In Südamerika ist der finanzielle Spielraum der Sportler*innen zwischen den Disziplinen extrem unterschiedlich. So mancher leistet sich eine Vorbereitung in Nordamerika oder Europa. Andere sind in der Heimat durch die Pandemie weiterhin stark beeinträchtigt. Und das gilt gerade auch für Qualifikationswettbewerbe.
Das panamerikanische vorolympische Boxturnier musste Anfang Mai in Argentinien kurzfristig abgesagt werden. Als Quali für die Faustkämpfer aus 42 Ländern wird nun ein für viele undurchsichtiges Amerika-Ranking herangezogen. Luis Romio, Präsident des argentinischen Boxverbandes, klingt in einem Radio-Interview resigniert.
"So ist das jetzt leider. Wir mussten nun mal auf dieses… naja, 'Gewürfel' ausweichen und dann hoffen, dass unserer dabei gewinnt."
Ganz allein im Kampf um eine Medaille
Anders bei den Gewichthebern, dort konnte die Panamerikameisterschaft noch mit strengen Hygienevorschriften ausgetragen werden. Der Kolumbianer Rodallegas gewann Gold und gilt auch für Tokio als Medaillenanwärter – auch wenn er dann mehr denn je auf sich allein gestellt sein wird:
"Ich versuche mich jeden Tag zu Olympia zu informieren und hab natürlich mitbekommen, dass es kein Publikum geben wird. Bei den Wettbewerben werden auch keine Mannschaftskameraden dabei sein. Da sind dann nur die Kampfrichter, der Trainer, ein Masseur oder Physiotherapeut, ein Arzt… Das ist dann deine Mannschaft (schmunzelt). Aber kein Teamkollege wird an der Plattform sein. Man ist dann ganz allein."
Unter diesen Umständen hätte man die Spiele gar nicht austragen sollen, resümiert der argentinische Boxveteran und Verbandspräsident Romio.
"Ich persönlich hätte nicht gedacht, dass die Olympischen Spiele stattfinden. Jetzt wird es nur darum gehen, eine Marke zu erreichen. Ohne Publikum, ohne Leute, die dich unterstützen. Der Sport ohne Publikum – das gibt's doch eigentlich gar nicht."