Die Idee klingt immer dann verführerisch gut, wenn enthusiastische Bürgermeister die Werbetrommel rühren. Wir erinnern uns an Klaus Wowereit und Olaf Scholz vor drei Jahren:
Wowereit: "Olympische Spiele sind eine riesige Chance..."
Scholz: "...das sind kompakte, nachhaltige Spiele..."
Wowereit: "...dass viele Dinge schon da sind und die genutzt werden können..."
Scholz: "...ohne sich hemmungslos zu verschulden..."
Woanders klang das damals ganz genauso: in Boston, in Rom, in Budapest. Bis dank ausführlicher politischer Debatten die Einsicht dämmerte: Das schöngefärbte Projekt Olympia ist womöglich ein zu riskantes, und viel zu teures Unternehmen.
Olympia-Rechnung geht nicht auf
Einer der in Boston den Entscheidungsträgern auf die Sprünge half, war Andrew Zimbalist, ein profilierter Wirtschaftswissenschaftler mit dem Spezialthema Sport. Er ist Professor am Smith College in Northampton, nur 150 Kilometer von Boston entfernt. Die Rechnung geht einfach nicht auf, sagt er:
"Alle vier Jahre für Milliarden von Dollar ein Shangri-La mit 35 Sportstätten zu bauen, ein Olympisches Dorf für 17.000 Menschen, einen Medienkomplex mit Fernsehzentrum – das ergibt doch gar keinen Sinn. Und dann noch den Ausrichtern nicht nur die Baukosten aufzubürden, sondern auch noch die für den Unterhalt von Stadien und Hallen, die sie gar nicht mehr brauchen."
"Alle vier Jahre für Milliarden von Dollar ein Shangri-La mit 35 Sportstätten zu bauen, ein Olympisches Dorf für 17.000 Menschen, einen Medienkomplex mit Fernsehzentrum – das ergibt doch gar keinen Sinn. Und dann noch den Ausrichtern nicht nur die Baukosten aufzubürden, sondern auch noch die für den Unterhalt von Stadien und Hallen, die sie gar nicht mehr brauchen."
Dabei wäre es so einfach, sagt Professor Zimbalist, der ein ganzes Buch über die historische Entwicklung der Olympischen Spiele und der Fußball-WM aus noblen, kleinen Anfängen zu gigantischen Sportveranstaltungen mit schweren Langzeitlasten veröffentlicht hat. Es trägt den Titel "Circus Maximus". Er hat einen nachhaltigen Verbesserungsvorschlag:
"Was das IOC tun sollte, ist einen, zwei oder vielleicht auch drei ständige Ausrichterstädte auszuwählen. Es gibt in den USA zum Beispiel eine Stadt, die dafür prädestiniert ist: Das ist Los Angeles. Wäre es ein Gewinn für Los Angeles? Nein. Das nicht. Und es würde bedeuten, dass wir, die Bürger der Vereinigten Staaten, jedes Mal Milliarden für die Sicherheitsmaßnahmen aufbringen müssten. Aber es ist ein Weg, wie wir die Olympischen Spiele und das was sie sein sollten, bewahren könnten: einen Wettbewerb zwischen den besten Athleten der Welt."
"Was das IOC tun sollte, ist einen, zwei oder vielleicht auch drei ständige Ausrichterstädte auszuwählen. Es gibt in den USA zum Beispiel eine Stadt, die dafür prädestiniert ist: Das ist Los Angeles. Wäre es ein Gewinn für Los Angeles? Nein. Das nicht. Und es würde bedeuten, dass wir, die Bürger der Vereinigten Staaten, jedes Mal Milliarden für die Sicherheitsmaßnahmen aufbringen müssten. Aber es ist ein Weg, wie wir die Olympischen Spiele und das was sie sein sollten, bewahren könnten: einen Wettbewerb zwischen den besten Athleten der Welt."
Ein Heiliger Hain von Olympia
Simpel und betriebswirtschaftlich nachvollziehbar. Und logisch, wenn man an das Konzept der Ur-Spiele in der Antike denkt. Die kannten auch nur einen Austragungsort: den heiligen Hain von Olympia. Eine Zeit, in der es noch keine Flugzeuge und kein Satellitenfernsehen gab. Und natürlich auch noch nicht jene naive Theorie von einer Sportveranstaltung, die dort, wo sie stattfindet, egal wo, für "ein positives, nachhaltiges Erbe" sorgt. Das zumindest behauptet Thomas Bach gerne, wie etwa nach der Absage von Rom in einem Brief an den italienischen NOK-Präsidenten.
Dabei ist das Dilemma auch unter den Frauen und Herren der Ringe längst bekannt, wie IOC-Mitglied Richard Peterkin von der Karibikinsel St. Lucia erklärt:
"Ich verstehe den Ausgangspunkt. Das Problem ist, dass es Länder gibt, die die Spiele wollen und sich bewerben. Sie sagen, sie bekommen es hin. Dann ist es auch nur fair, dass wir viele verschiedene Austragungsorte haben. Vorausgesetzt, es nutzt diesen Ländern auch. Allerdings steigt das Risiko, wenn man nicht größere Städte und größere Länder mit einer großen Wirtschaftskraft nimmt. Deshalb müssen wir die Kandidaten stärker kontrollieren. Wir wollen Gutes tun und keinen Schaden verursachen."
"Ich verstehe den Ausgangspunkt. Das Problem ist, dass es Länder gibt, die die Spiele wollen und sich bewerben. Sie sagen, sie bekommen es hin. Dann ist es auch nur fair, dass wir viele verschiedene Austragungsorte haben. Vorausgesetzt, es nutzt diesen Ländern auch. Allerdings steigt das Risiko, wenn man nicht größere Städte und größere Länder mit einer großen Wirtschaftskraft nimmt. Deshalb müssen wir die Kandidaten stärker kontrollieren. Wir wollen Gutes tun und keinen Schaden verursachen."
Olympisches Feuer auf Sparflamme drehen
Was aber würde Richard Peterkin ändern angesichts der Anzeichen dafür, dass das Ende der olympischen Fahnenstange erreicht ist? Der Wirtschafsprüfer würde das olympische Feuer auf Sparflamme herunterdrehen:
"Ein Teil des Problems ist: Die Spiele sind zu groß und stehen unter dem Druck, immer noch größer zu werden. Statt die Ausrichtung auf drei oder vier feste Standorte müssen wir vermutlich die Zahl der Sportarten reduzieren. Damit das Ganze nicht zu einer Last für die Länder wird und sie zwingt, nagelneue Stadien zu bauen und Milliarden in den Ausbau der Infrastruktur zu stecken."
"Ein Teil des Problems ist: Die Spiele sind zu groß und stehen unter dem Druck, immer noch größer zu werden. Statt die Ausrichtung auf drei oder vier feste Standorte müssen wir vermutlich die Zahl der Sportarten reduzieren. Damit das Ganze nicht zu einer Last für die Länder wird und sie zwingt, nagelneue Stadien zu bauen und Milliarden in den Ausbau der Infrastruktur zu stecken."
Dass Richard Peterkin sich damit durchsetzt, ist allerdings unwahrscheinlich. Er wird im nächsten Jahr 70 und scheidet automatisch aus dem IOC aus.