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Olympische Sommerspiele in Tokio
Warum Fans im Stadion immer ersetzbarer werden

Werbung in olympischen Sportstätten ist nicht erlaubt. Für die großen Sponsoren gibt es im Umfeld der Arenen zwar Gelegenheit zu werben, aber dieses Jahr ist dies nur ein Nebenschauplatz. Denn nur einheimische Zuschauer dürfen die Spiele vor Ort verfolgen. Dank der Digitalisierung ist das für die Firmen aber kein Problem.

Von Piet Kreuzer |
Bei Olympia in Tokio werden keine ausländischen Zuschauer zugelassen.
Bei Olympia in Tokio werden keine ausländischen Zuschauer zugelassen. (dpa / picture alliance / Sven Simon )
Keine Fans im Stadion, keine Stimmung bei der Fernsehübertragung. Welche Auswirkungen das auch am Fernsehbildschirm hat, ist seit mehr als einem Jahr bei den sogenannten Geisterspielen zu beobachten. Ein stimmungsvolles Umfeld freut auch die werbenden Unternehmen. Doch für die Sponsoren sind die Fans in den Arenen ohnehin verzichtbar. Die Auswirkungen wird man auch in Tokio erleben können. Bei den Spielen dürfen, wenn überhaupt, nur einheimische Fans ins Stadion.
"Die Frage für Marken ist nun, wie man trotzdem mit den Fans in Verbindung treten kann, wenn sie nicht da sind, wie man das Erlebnis zu Hause und über digitale Medien nachstellen oder noch verbessern kann" sagt Facebook-Manager Andy Childs.

"Mobile ist zu einem dominanten Bildschirm in unserem Leben geworden"

Wovon die Unternehmen profitieren werden: Die Sportfans haben neue Sehgewohnheiten und Verhaltensweisen entwickelt.
"Mobile ist zu einem dominanten Bildschirm in unserem Leben geworden und verändert grundlegend die Art und Weise, wie wir leben."
Das ist auch das Eintrittstor der Firmen zu den Konsumenten.
"Die Sportberichterstattung verlagert sich auf mobile Endgeräte, und laut dem Marktforschungsunternehmen GlobalWebIndex sehen sich mittlerweile bereits 49 Prozent der Sportfans die Live-Berichterstattung und Highlights online an."
Logo von Alibaba
Chinesischer IOC-Sponsor unter staatlicher Regie
Chinas Regierung will Technologie-Gigant Alibaba verstärkt regulieren. Die Sorge, dass das Sponsoring unter den Problemen des Konzerns leidet, scheint sich aber beim IOC in Grenzen zu halten.
Die Zeit des reinen linearen TV-Erlebnisses bei Live-Sportübertragungen sind also vorbei. Dieser Meinung ist auch der Sportökonom Sascha Schmidt: "Laut einer Studie, die wir zusammen mit der Deutschen Fußball Liga gemacht haben, nutzt fast ein Drittel der jungen Leute bereits den Second Screen bei Fußballspielen hier primär für fußballbezogene Inhalte und Aktivitäten."
Professor Sascha Schmidt, Leiter des Center for Sports and Management in Düsseldorf, beim Gespräch im Deutschlandfunk-Studio.
Sascha Schmidt: "Fast ein Drittel der jungen Leute nutzt bereits den Second Screen bei Fußballspielen" (Deutschlandradio - Jessica Sturmberg)
Dieser Wandel im Medienverhalten zeigte sich schon vor der Pandemie, in den Zuschauerzahlen der Sommerspiele 2016 in Rio. 3,2 Milliarden Menschen sahen über eine Kombination aus TV und digitalen Geräten zu.
Digitale Plattformen wie Facebook und Instagram stellen das Sponsoring-Modell auf den Kopf. Die Möglichkeiten für maßgeschneiderte Inhalte und agile, nachverfolgbare Kampagnen erlauben es Marken, ihre Werbung zielgenauer auszurichten und dazu ihren Erfolg schneller zu bewerten.

Das reine Sportereignis rückt in den Hintergrund

Facebook-Manager Andy Childs: "Sport ist ein riesiges Geschäft, das für Marken immer mehr an Bedeutung gewinnt, da es eine hohe Reichweite und ein kulturell relevantes Publikum bietet. Eine Plattform ist heute eine Multi-Milliarden-Dollar-Industrie. Fast zehn Prozent aller Werbeausgaben weltweit im Jahr 2021 entfallen auf das Sportsponsoring."
Am 31. August 2020 in Tokio (Japan): Olympische Ringe als Dekoration im Japanischen Olympia-Museum.
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Dem IOC drohen wegen der verschobenen Spiele in Tokio finanzielle Einbußen. Besonders betroffen ist das Olympische und Paralympische Komitee der USA.
In absoluten Zahlen: 50 Milliarden US-Dollar. Allein der mobile Zugang bedeutet für Sponsoren aber noch nicht, dass sie mehr Reichweite oder Markenbekanntheit erzielen. Sie konkurrieren mit vielfältigen anderen Entertainment-Produkten. Ein Drittel der Zuschauer spielt während der Sportübertragung Spiele oder sucht nach Produkten, die mit dem Geschehen in Verbindung stehen.
"Sponsoren sollten meiner Ansicht nach dem veränderten Konsumverhalten gerade der jüngeren Generation Rechnung tragen, indem sie Inhalte gestalten, die näher an den Bedürfnissen der neuen Generation sind", empfiehlt Sportökonom Sascha Schmidt.
Hinzu kommt noch ein Zweites: Mehr als die Hälfte der Zuschauer chattet parallel mit Freunden und Bekannten und tauscht sich über wichtige Sportmomente aus.
"Dies bedeutet kürzere und stärker personalisierte Inhalte, wie man das beispielsweise in populären Instagram-Storys sieht und um die Sportinhalte teilbar und mit der Community erlebbar zu gestalten."
In den großen Märkten Europa und USA kommt bei den Spielen Tokio auch noch hinzu, dass wegen der Zeitverschiebung viele Wettbewerbe in der Nacht oder morgens stattfinden und so das Live-TV-Erlebnis noch mehr in den Hintergrund rückt.
Ein TV-Kameramann filmt bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio, hinter ihm sind die Olympischen Ringe zu sehen.
Teure Konsequenzen für Werbe- und TV-Partner
Durch die Olympia-Verlegung stehen die TV- und Werbepartner der Spiele vor großen finanziellen Verlusten. Sponsoren müssen nun ihre Werbekampagnen verändern und den TV-Anbietern fallen hohe Werbeeinnahmen weg.