Olympische Spiele in Paris Umweltschutz: Konflikt um Surf-Wettkämpfe auf Tahiti
Bei den Sommerspielen 2024 in Paris ist Surfen zum zweiten Mal Teil des Olympischen Programms. Gesurft wird aber nicht an der französischen Atlantikküste, sondern auf Tahiti, der größten Insel Französisch-Polynesiens, gut 15.000 Kilometer von Paris entfernt. Dort regt sich nun Widerstand in der lokalen Bevölkerung.
Anfang Dezember veröffentlicht der Instagram-Kanal der kleinen Ortschaft Teahupo‘o mehrere Live-Videos auf dem Meer. Zu sehen ist ein großer Lastkahn, der mitten in einem Korallenriff vor der Küste Tahitis feststeckt. Das Video zeigt eindeutig, dass die Schiffsschraube mehrere Korallen beschädigt hat.
"Ich muss feststellen, dass der Test heute schiefgelaufen ist. Ich bereue das wie alle anderen auch", sagt der Präsident der Inselgruppe Französisch-Polynesien Muhai Brotherson danach im polynesischen Fernsehen. Der Testlauf Anfang Dezember sollte eigentlich den Beginn der Bauarbeiten sein, für einen Turm aus Aluminium, der extra für die Olympischen Spiele vor der Küste der Ortschaft Teahupo’o im Meer errichtet wird – für Wertungsrichter und TV-Kameras.
Redaktionell empfohlener externer Inhalt
Mit Aktivierung des Schalters (Blau) werden externe Inhalte angezeigt und personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt. Deutschlandradio hat darauf keinen Einfluss. Näheres dazu lesen Sie in unserer Datenschutzerklärung. Sie können die Anzeige und die damit verbundene Datenübermittlung mit dem Schalter (Grau) jederzeit wieder deaktivieren.
Umweltschutzorganisation sagt: Bevölkerung wurde übergangen
"Wir waren überrascht davon, weil die Behörden das uns nicht angekündigt haben", erzählt Astrid Drollet, Generalsekretärin der Umweltschutzorganisation VAI ARA O TEAHUPOO. 2019 haben sich die Organisatoren dafür entschieden, die Surf-Wettbewerbe bei den Olympischen Spielen nächsten Sommer nicht etwa in Frankreich an der Atlantik-Küste auszutragen, sondern über 15.000 Kilometer vom Olympischen Dorf entfernt in Teahupo’o auf Tahiti.
Nach Angaben der Organisatoren sei Teahupo’o die nachhaltigste Option gewesen. Tahiti liegt mitten im Südpazifik, die meisten Teilnehmenden an den Surf-Wettbewerben stammen aus Ozeanien oder Nordamerika, dementsprechend ist die Anreise deutlich kürzer als nach Mitteleuropa.
Die lokale Bevölkerung hat aber niemand nach ihrer Meinung gefragt, erzählt Astrid Drollet: "Wir waren zu diesem Zeitpunkt weder dafür noch dagegen, weil uns niemand über die Vor- und Nachteile aufgeklärt hat. Zu Hause wurde die lokale Bevölkerung nicht in den Prozess mit eingebunden."
Konflikt um alten Holzturm vor der Küste Teahupo’os
"Als Französisch-Polynesien sich für die Organisation der Surfwettbewerbe bewarb, waren wir direkt von der Qualität dieses Ortes, dieser mythischen Welle, begeistert", schwärmt Tony Estanguet, der Chef des Organisationskomitees der Spiele, im polynesischen Fernsehen. Die Ortschaft Teahupo’o auf Tahiti gilt als einer der schönsten Surf-Spots der Welt, seit Jahren finden hier regelmäßig professionelle Surf-Weltcups statt.
Anfang der 2000er wurde deshalb ein Turm aus Holz für Wertungsrichter vor der Küste installiert, der seitdem auch bei allen Wettbewerben genutzt wird. "Wir sind eigentlich davon ausgegangen, dass für die Olympischen Spiele der bereits bestehende Holzturm für die Wertungsrichter wiederverwendet wird", sagt Astrid Drollet.
Sie sei überrascht gewesen, als die Organisatoren plötzlich die Pläne veröffentlicht haben. Dort war der bereits bestehende Holzturm für die Spiele durch einen neuen Turm aus Aluminium ersetzt. Drollets Umweltschutzorganisation kümmert sich seit 15 Jahren um den Schutz des Meeresbiotops vor der Küste Teahupoos. Der Neu-Bau des Wertungsrichterturms mitten im Korallenriff birgt aus ihrer Sicht große Gefahren:
Weil der Turm in der Lagune in einem Gebiet installiert wird, das für Boote schwer zugänglich ist. Die Korallen existieren dort seit mehr als 100 Jahren und laufen jetzt Gefahr, von den Motorpropellern der Boote abgeschnitten zu werden, die für den Transport der Materialien verwendet werden, die für den Bau dieses neuen Turms erforderlich sind. Das Projekt würde vier Monate dauern, mit täglichen Fahrten zwischen Land und dem Turm.
Astrid Drollet, Generalsekretärin der Umweltschutzorganisation VAI ARA O TEAHUPOO
Sie befürchtet außerdem, dass die Korallen durch die Bauarbeiten extrem unter Stress gesetzt werden. Für den Bau des neuen Turms müssen zwölf Betonplatten auf dem Meeresboden platziert werden, auf denen dann die Pfeiler des Turms stehen. Dafür bräuchte es hunderte neue Löcher am Meeresgrund. "Und natürlich besteht mittel- oder langfristig das Risiko, dass durch Bauarbeiten an mehreren Standorten, die teilweise 200 Meter voneinander entfernt sind, Fehler entstehen. Wir glauben, dass die Organisatoren unsere wichtigsten Umweltbelange nicht berücksichtigt", betont Drollet.
Organisatoren der Spiele beharren auf Turm-Neubau
Wie gefährlich der Bau für das Korallenriff ist, hat die Testfahrt des Lastkahns Anfang Dezember gezeigt, bei der genau das eingetreten ist, was die Generalsekretärin von VAI ARA O TEAHUPOO befürchtet hat. Die Bauarbeiten ruhen deshalb. In einer Petition hat Drollets Organisation inzwischen schon über 200.000 Unterschriften gegen den Neu-Bau eines Aluminium-Turms gesammelt, auch mehrere Profi-Surfer haben sich schon gegen die Pläne ausgesprochen.
Trotzdem bleiben die Organisatoren der Spiele weiterhin dabei, den Turm zu bauen –allerdings sollen leichtere Materialien verwendet werden und der Turm deutlich kleiner ausfallen. So soll ein kleinerer Lastkahn zum Einsatz kommen, der im Idealfall die Korallen nicht beschädigt. Dass der bisher bestehende Holzturm für die Spiele verwendet wird, sei aber weiterhin ausgeschlossen, zu groß sind die Sicherheitsbedenken, sagt der französisch-polynesische Präsident Moetai Brotherson:
Ich sage es ein letztes Mal: Diese Vorrichtung kann nicht verwendet werden. Ich selbst werde keine Verantwortung dafür übernehmen, Leben in Gefahr zu bringen. Heute haben wir ein paar Korallen zerstört. Wenn wir morgen den alten Turm verwenden, sind Menschenleben potenziell gefährdet. Ich werde diese Verantwortung nicht übernehmen.
Moetai Brotherson, Präsident von Französisch-Polynesien
Drollets Gegenvorschlag: Aluminiumturm an der Küste
Astrid Drollet teilt diese Bedenken nicht. Sie erzählt: Der Holzturm werde jährlich geprüft und erneuert, erst 2020 hätte der Turm erneut ein Sicherheitszertifikat erhalten. Sicherheitsprobleme habe es in über 20 Jahren nie gegeben. Für sie ist deshalb klar:
"Die beste Lösung wäre, den aktuellen Holzturm auf den vorhandenen Fundamenten für die Wettbewerbsrichter zu verwenden und den Aluminiumturm an der Küste für Kameras und VIPs zu bauen. Die Lösung, die die Organisatoren jetzt gewählt haben, wird vielleicht die Probleme der TV-Sender und der Wertungsrichter lösen, aber nicht das Umweltproblem, das durch den Bau neuer Fundamente aus Kunststoff entsteht."
Dennoch: In dieser Woche wurden die Bauarbeiten fortgesetzt, in naher Zukunft soll ein zweiter Testlauf mit einem kleineren Schiff gestartet werden. Auch die französische Sportministerin hat bereits betont: Es gibt keinen Plan B.
Obwohl auch an der französischen Atlantikküste mehrere Standorte für die Wettbewerbe zur Verfügung stehen würden.