Es sind kostbare Momente der Freiheit, in diesen Tagen in Tokio: Einmal kurz raus zum Frischluft schnappen, Kaffee holen, ein paar Meter zu Fuß gehen. Nach 15 Minuten muss man wieder zurück sein und sich nach vorigem Austragen wieder auf einer Liste eintragen.
So sind die Regeln für Einreisende aus dem Ausland, die im Zuge der Olympischen Spiele nach Japan kommen. 14 Tage lang müssen Journalisten und Offizielle in einem vom Organisationskomitee vorgegebenen Hotel bleiben. Besucht werden dürfen nur offizielle Olympiaspielstätten. Öffentliche Verkehrsmittel sind tabu.
"Frühstück dürfen Sie während der ersten drei Tage nicht im Hotel essen - wegen der Sicherheit", erklärt die Mitarbeiterin im Hotel. Deshalb wohl die Erlaubnis, für 15 Minuten rauszugehen und sich etwas zu besorgen. Auch die Zimmerreinigung ist während der ersten Tage ausgesetzt – für die Sicherheit der Reinigungskräfte. Täglich muss man Fieber messen und mögliche Coronasymptome in einer App melden. Diese Überwachungs-App erinnert alle, die irgendwie mit Olympia zu tun haben, jeden Morgen an die nötigen Schritte. Befolgt man sie nicht, droht der Entzug der Akkreditierung.
Die Olympischen Spiele von Tokio stehen unter strenger Beobachtung der ganzen Welt. Gesundheitsexperten warnen davor, dass "Tokyo 2020" zu einem Superspreadingevent wird. Die Organisatoren halten dagegen: "Sicherheit ist die oberste Priorität", heißt es immer wieder.
Anpassungen für Athleten, die Kontakt zu Infizierten hatten
Inwieweit diese Beteuerungen der Wahrheit entsprechen, ist schon lange fraglich. Ende Juni haben die Veranstalter beschlossen – entgegen der Einschätzung diverser Gesundheitsexperten – dass Zuschauer aus dem Inland in die Spielstätten kommen sollen.
Und dann ist da noch die Frage nach der Quarantäne von Athleten, die in Kontakt mit einer infizierten Person waren. Mitte dieser Woche erklärt ein Regierungsvertreter gegenüber der Opposition das hier:
"Wenn ein Athlet engen Kontakt mit einer infizierten Person hatte, muss auch diese Kontaktperson für 14 Tage in Quarantäne gehen. Das ist die Regel in Japan. Allerdings finden die Olympischen Spiele alle vier Jahre nur einmal statt. Über lange Zeiträume haben die Athleten alles gegeben, um hier dabei sein zu können. Und wenn sie jetzt wegen der Infektion einer anderen Person in Quarantäne wären, müssten sie auch den Wettkämpfen fernbleiben. Daher wird gerade nach Anpassungen gesucht, damit diese Athleten dennoch teilnehmen können."
Die Worte ernten Empörung. Denn es klingt nicht danach, als stünde Sicherheit hier wirklich an erster Stelle. Und der Fall ist kein hypothetischer. Als Ende Juni die ugandische Delegation nach Japan einreist, werden zwei Personen positiv getestet. Würde so etwas kurz vor Beginn der Spiele noch einmal passieren, gäbe es für die Wettkampfteilnahme offenbar keine Folgen.
Viele Tests, Impfungen unerheblich
Kritiker halten das für verantwortungslos. Tadanori Yokosawa, einst paralympischer Athlet und jetzt Abgeordneter für die linksliberale Verfassungsdemokratische Partei, sagt dazu:
"Das ist kein Problem von Japan allein, sondern eines für die ganze Welt. Es ist ein Problem, das auch alle Athleten genau verfolgen. Unter den Sportlern wird das für Verwirrung sorgen. Nehmen wir mal an, Kontaktpersonen von Infizierten dürfen bei Wettkämpfen teilnehmen, und dann verbreitet sich das Virus weiter. Gegen so eine Regelung werden doch auch die Athleten sein. Ich möchte Sie bitten, dass Sie da eine bessere Lösung finden."
Lösungen zur Sicherheit werden derzeit vor allem dort gefunden, wo sie weniger wirkungsvoll erscheinen. Wer dieser Tage für die Olympischen Spiele nach Japan kommt, muss kurz vor der Abreise zwei negative PCR-Tests gemacht haben, direkt bei der Einreise noch einen. Ob man aber geimpft ist oder nicht, spielt bei keinem Schritt eine Rolle.
Außerdem müssen sich die Akkreditierten auf drei verschiedenen Plattformen eintragen und dort Dokumente hochladen: für den eigenen Aktivitätsplan während der ersten zwei Wochen, für die Unterkunft, und für die Ein- und Ausreisedaten. Täglich kommen neue Emails mit neuen Aufforderungen, etwas noch einmal auszufüllen.
PCR-Test jeden Tag
Und dann steht – vielleicht als vermeintlicher Impfersatz – täglich ein weiterer PCR-Test an. Die Hotelangestellte erklärt:
"Hier kommen Ihre Testampullen. Wir haben Ihnen erstmal sechs gegeben. Und da sehen Sie die Barcodes, die müssen Sie dann draufkleben."
Am Vortag hat es noch geheißen, die Tests wären nur während der ersten drei Tage nach Ankunft nötig.
Die Hotelangestellte sagt: "Mir wurde gesagt, Sie müssen es jeden Tag machen. Tut mir leid. Aber wenn Sie einmal kurz raus aus dem Hotel wollen, können Sie das ja für eine Viertelstunde tun. Wir geben Ihnen eine Stadtkarte, auf der Cafés eingezeichnet sind."
Sicherheit spielt dieser Tage für alle eine große Rolle in Tokio. Verwirrung aber auch. Und es scheint nicht so, als hätte irgendwer den großen Plan, wie sich bei "Tokyo 2020" die Weitergabe des Virus vermeiden lässt.