Matthias Friebe: Warum ist Los Angeles so positiv gegenüber Olympia 2028?
Daniel Durbin: Es gibt mehrere Gründe, warum LA glücklich über Olympia 2028 ist. Einer ist, dass es ein finanzielles Entgegenkommen durch das IOC gibt. Das heißt, wir gehen kein Risiko ein für die nächste Generation der Angelinos. Und wir haben mehr Zeit zur Entwicklung der Infrastruktur. LA hat schon eine sehr gute Infrastruktur und in den nächsten drei Jahren auch ein brandneues Stadion. Aber eine Schwachstelle ist das öffentliche Verkehrssystem. 2028 gibt uns die Chance, ein für Olympia besser geeignetes System zu entwickeln. Das ist einer der großen Anreize für 2028. Und das IOC bekommt zwei Olympische Spiele hintereinander in den größten und besten Städten der Welt. Es ist ein Gewinn für alle Seiten.
Friebe: Sie klingen wie jemand vom IOC…
Durbin: Nein, ich denke es ist einfach nur ein überzeugendes Argument für das IOC. Sie wissen, das IOC wird stark kritisiert, weil es für Olympia nach einem Blankoscheck fragt. Städte in nicht-diktatorischen Regimen sorgen sich, dass sie einen Nachteil haben, weil die Bevölkerung die Politiker aus den Ämtern wählen kann, wenn es Probleme durch Olympia gegeben hat. Die Spiele in Los Angeles und Paris zu haben, in zwei der größten demokratischen Städte der Welt, wird dem IOC langfristig helfen.
Friebe: 2028 ist also kein fauler Kompromiss für Los Angeles?
Durbin: Nein, es ist ein vernünftiger Schritt. Was man manchmal vergisst ist das historische Argument. 2024 wird es genau 100 Jahre her sein, dass Paris zum letzten Mal olympische Spiele ausgerichtet hat. Es macht einfach Sinn, dass Paris dann Ausrichter ist. Ich glaube nicht, dass es das Gefühl in LA gab, wirklich mit Paris um 2024 zu konkurrieren, solange auch 2028 möglich war. Und außerdem, LA ist doch bekannt dafür, eine sehr gelassene Stadt zu sein. Also warten wir vier Jahre länger, haben mehr Zeit für die Infrastruktur und die Finanzierung. Alles gut so.
"Als Bürgermeister gehört es zu deinem Job auch PR-Agent für deine Stadt zu sein"
Friebe: Eric Garcetti, der Bürgermeister, spricht von einem großen Erfolg. Will er sich nur selbst ins rechte Licht rücken?
Durbin Natürlich. Alles, was du als Politiker sagst, soll dich in ein gutes Licht rücken. Und als Bürgermeister gehört es zu deinem Job auch PR-Agent für deine Stadt zu sein. Los Angeles hatte offensichtlich 1984 überragend erfolgreiche Spiele, eine der wenigen Spiele, mit denen am Ende Geld verdient wurde. Das lag daran, dass wir viele Schauplätze hatten. Wir hatten Events praktisch von San Diego hoch bis Santa Barbara. Es gibt also diese Austragungsorte, wir müssen kein Vogelnest bauen wie in Peking oder die ganzen Sportstätten wie Rio es musste. Eines der Probleme für Olympia heute ist, dass es 1984 große Kooperationen gab, zum Beispiel mit Coca-Cola. Dort war man bereit, eine hohe Summe zu bezahlen, um überall die Marke zu präsentieren. Sie hatten einen Slogan 1984, dass sie LA rot anstreichen wollten. Alles gesagt, alles, was du rund um die Stadt gesehen hast während Olympia waren Coca-Cola-Logos. Damals hatten sie dafür das Geld, heute nicht mehr und auch nicht mehr diese dominante Rolle auf dem Markt. Die Unternehmen, die so eine dominante Rolle damals hatten, Coca-Cola, Chrysler, Ford, manche sind schwächer geworden. Heute müssen Sie neue Kooperationen finden mit Unternehmen, die viel Geld bezahlen, um ihre Logos zu präsentieren.
Friebe: Warum ist LA so positiv gegenüber dem IOC und Olympia? Woher kommen diese positiven Gefühle?
Durbin: Gute Frage. Niemand hat etwas Negatives zu sagen in LA, das ist überraschend. Denn, wie Sie wissen, macht das Negative die Hälfte, vielleicht 90 Prozent der politischen Kultur aus. Aber hier sieht niemand die Nachteile so stark wie die Möglichkeiten, die man durch 2028 bekommt. Und die Werbung durch den Bürgermeister und im Stadtrat war sehr positiv und effektiv. Zum jetzigen Zeitpunkt dreht sich alles noch um Werbung. Es gibt keinen Grund jetzt über die anderen Sachen nachzudenken. Lassen Sie uns noch einmal zwei Jahre vor den Spielen darüber sprechen, wenn alle Sorgen bekannt sind und auch Negatives in den Zeitungen stand. Aber jetzt ist es weit genug weg, vor allem die Möglichkeiten zu sehen.
"Es war ganz sicher nicht unmöglich, Nein zu sagen!"
Friebe: Im Deutschlandfunk haben wir mit einem Ihrer Kollegen gesprochen, mit Jules Boykoff. Und der hat gesagt, Los Angeles hat eine sehr, sehr gute Position, um für die Bereitschaft sich auf 2028 zu konzentrieren eine Gegenleistung vom IOC zu fordern. Hat man diese Chance verspielt?
Durbin: Einer der Gründe für 2028 waren ja die finanziellen Gegenleistungen des IOC, mit denen man andere Aktivitäten im Umfeld Olympias bezahlen kann …
Friebe: …aber es ist nicht viel mehr Geld als für Rio 2016?
Durbin: Ja, aber nochmal. Wir sind zwölf Jahre davor. Wie diese Zahlungen dann aussehen, ist immer noch offen. Und im Endeffekt schaut man in Los Angeles mit der Perspektive, in der Geschichte kein Geld mit Olympia verloren zu haben. Zweimal war Olympia hier und finanziell ist es zweimal gut gegangen. Es ist also kein Nullsummenspiel wie in anderen Städten, die einen Blankoscheck ausstellen mussten. Wenn dann irgendetwas falsch läuft, müssen die Städte und die Steuerzahler dafür zahlen und es endet mit leeren Stadien, die Millionen oder Milliarden gekostet haben und nicht mehr gebraucht werden. In Los Angeles haben wir mit dem Colosseum ein Stadion, dass schon für Olympia 1932 und Olympia 1984 gebraucht wurde, in dem immer noch Football gespielt wird und das auch 2028 noch genutzt werden kann. Ein 100 Jahre altes Stadion, das wieder für Olympia genutzt wird, das ist kosteneffizient.
Friebe: Um es noch einmal zusammenzufassen. Eric Garcetti sagte so etwas wie: "Wir konnten nicht Nein sagen!"
Durbin: Du kannst immer Nein sagen.
Friebe: Er sagte: "Wir konnten nicht Nein sagen!"
Durbin: Sie konnten Nein sagen, aber Garcetti und der Stadtrat haben so viel aufs Spiel gesetzt in Sachen Olympia und das mit ihren Namen verknüpft. Sie mussten etwas präsentieren. So viel Geld und Zeit zu investieren, um in diesen Zeiten mit einer Olympia-Bewerbung durchzukommen und dann mit nichts dazustehen, wäre peinlich für sie gewesen. Sie mussten Ja sagen. Die Stadt Los Angeles braucht Olympia nicht wirklich. Es war ganz sicher nicht unmöglich, Nein zu sagen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.