Es wäre schön gewesen für den Spitzensport, wenn es geklappt hätte: Wenn Hygienekonzepte funktionierten, die Mutationen keine Rolle spielten und die dritte Welle einfach nicht gekommen wäre. Man hätte es auch dem Sport gönnen können. Sei es, weil Menschen dort ihr Geld verdienen. Sei es, weil damit Lebensträume weitergeträumt werden können. Aber diese Pandemie hat keinen Platz für Träume, auch nicht im Jahr 2021. Es ist – wie schon im vergangenen März – höchste Zeit, aufzuwachen.
Lange genug sind Ansteckungen beim Sport-Reisezirkus weggeredet worden. Spätestens mit den massenhaften Ansteckungen bei der Leichtathletik-Hallen-EM schlägt es für den Olympischen Sport zwölf. Es ist einfach eine Tatsache: Die Hygienemaßnahmen wirken zu diesem Zeitpunkt der Pandemie nicht so, wie sie sollen.
Infektionen trotz Hygienekonzept und größter Vorsicht
Das zeigt auch der Fecht-Weltcup im Hoch-Inzidenzgebiet Budapest: Selbst wenn Athleten die Hygienerichtlinien des eigenen Weltverbandes sogar noch übertreffen wollen, wenn sie Kontakte bei der Reise noch weiter einschränken und sogar aus Angst vor Ansteckung in der Kantine Essen aus Deutschland mitbringen: Sie infizieren sich trotzdem.
Jetzt steht wie im vergangenen Jahr das Großereignis des Sports vor der Tür. Die Olympischen Spiele in Tokio. Und trotz des Impfstarts scheint es utopisch, dass den Olympioniken aus der ganzen Welt bis zum Sommer ein sicheres Impfangebot gemacht werden kann. Viele Athleten und Athletinnen wollen sich ohnehin nicht vordrängeln.
Natürlich wird niemand in Ketten gelegt und mit nach Tokio geschleppt. Natürlich haben Athletinnen und Athleten – wie bei allen Spielen – die Möglichkeit, zu sagen: Ich komme doch nicht mit. Die Wahlfreiheit ist aber rein theoretisch. Athletinnen und Athleten richten sehr oft ihre Sportkarrieren an dieses Event alle vier Jahre aus. Das ist nicht einfach eine kleine Dienstreise. Von einer wirklich freien Wahl kann keine Rede sein.
Bei der Handball-Weltmeisterschaft zu Beginn des Jahres haben sich einige Spieler der deutschen Nationalmannschaft dagegen entschieden, unter Pandemiebedingungen nach Ägypten zu reisen. Allesamt gut bezahlte Handballprofis, die im Vergleich zu anderen Olympia-Athleten in Ihrer Karriere schon viele Erfolge und auch große Bühnen hatten, Europa- und Weltmeisterschaften, Olympia in Rio. Ihre Entscheidung "aus familiären Gründen" verdient höchsten Respekt, aber bei Weitem nicht alle angehenden Olympioniken sind in dieser Lage.
DOSB hat die Möglichkeit abzusagen
Auch nach einem Jahr Erkenntnisgewinn aus der Pandemie bleiben Olympische Sommerspiele und Paralympics eine schlechte Idee. Vor genau einem Jahr hat das Team Kanada gesagt: Wir werden keine Athleten nach Tokio senden, wenn die Spiele 2020 stattfinden. Und auch der Deutsche Olympische Sportbund sollte sich das jetzt schleunigst überlegen. Denn das IOC gibt sich bisher entschlossen, das alles trotzdem durchzuziehen.
DOSB-Präsident Alfons Hörmann hat schon 2020 versprochen, auch 2021 werde die Gesundheit über allem stehen. Nur wenn die Durchführung der Spiele nach bestem Wissen und Gewissen für die Weltgemeinschaft möglich sei, werde das deutsche Team teilnehmen.
Der DOSB hat die Möglichkeit, zu sagen: Wir können das zum jetzigen Zeitpunkt nicht verantworten. Wenn die Erkenntnisse zu Sicherheit und Unsicherheit von Sportgroßveranstaltungen da sind, wenn die Pandemielage sich absehbar nicht entscheidend verbessert, dann muss die Verantwortung gegenüber der Gesundheit von Athleten und Betreuerinnen überwiegen. Athletinnen und Athleten sind so lange in einer Zwangslage, wie der eigene Verband sagt: Wir fahren. Oder so lange, wie das IOC sagt: Wir ziehen die Spiele trotz der Pandemie durch.