Georg Ehring Höher - schneller - weiter - teurer: Mit jeder neuen Auflage brechen die Olympischen Spiele Rekorde, auch und gerade bei den Kosten – und vielleicht auch bei den Erträgen, denn das Weltereignis ist längst ein Wirtschaftsfaktor erster Güte. Und darüber möchte ich jetzt sprechen mit Wolfgang Maennig. Er war im Jahr 1988 Olympiasieger im Rudern und ist heute Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hamburg. Herr Professor Maennig, auch 1988 in Seoul waren die Spiele nicht frei von wirtschaftlichen Interessen, aber wo liegt der größte Unterschied zwischen damals und heute?
Wolfgang Maennig: Es gab, seitdem die Spiele in Barcelona 1992. Und die waren ein großer Erfolg für die Stadtentwicklung von Barcelona. Es ist den Planern dort gelungen, die Stadt klar nach vorne zu bringen, der Stadt das Meer wiederzugewinnen, Straßen unter Tage zu legen und so weiter und so fort. Das Problem ist, dass seitdem die Bürgermeister in aller Welt sich eigentlich nicht mehr um die Spiele bewerben, weil sie die besten Sportler für zwei Wochen beheimaten wollen, sondern weil sie eigentlich nur hoffen, in eine Situation zu kommen, wo sie ihrer Landesregierung ein paar Milliarden erpressen können, um dann Stadtentwicklung betreiben zu können. Und Stadtentwicklung ist das Teuerste, was man sich so ungefähr vorstellen kann, und deshalb sind die Budgets, die olympischen Budgets so in die Höhe gegangen.
Ehring: Wie sieht es denn dieses Mal aus in Rio?
Maennig: Ja, Rio ist durchaus nach vorne gekommen, auch wenn die Berichte in Deutschland nicht so positiv bisher sind. Es gibt eine langersehnte Verlängerung der U-Bahn, es gibt eine langersehnte Wiedergewinnung des Hafenviertels, wo eine hässliche Hochstraße durchführte. Die hat man abgerissen, unter Tage verlegt, das ist jetzt eine wunderbare Fußgängerzone, an der ein tolles neues Museum errichtet worden ist. Es sind neue Wohnbauten entstanden - es ist eine ganze Menge passiert. Es ist nicht alles passiert, was man sich erhofft hatte. Man hatte zum Beispiel erhofft, dass in dem Segelrevier, in der Bucht, 100 Prozent aller Schmutzabwassereinleitungen beseitigt werden würden, das hat man nicht erreicht, man hat es nur um 50 Prozent reduziert, aber immerhin.
Ehring: Im Mittelpunkt der Spiele sollen ja die Sportler stehen . wie sieht denn für die die Bilanz aus?
Maennig: Das ist jetzt noch zu früh, das zu sagen, aber ich habe bisher zwar vereinzelt gehört, dass die Athleten nicht so zufrieden waren mit dem olympischen Dorf. Es ist hier flexibel reagiert worden - so, wie die Brasilianer sind. Ich habe bisher nicht gehört, dass irgendwelche nicht so fairen Bedingungen herrschen. Die Ruderer haben teilweise gesagt, sie haben Angst vor Gräsern im Wasser, das die Boote behindern könnte - dafür gibt es entsprechende Mähmaschinen, die das beseitigen werden, das werden die Brasilianer hier auch machen.
Ehring: Olympia ist ja eine Marke, mit der längst nicht jeder Werbung machen darf. Viele Sportler würden vielleicht auch gerne damit Werbung machen, dürfen es aber nicht unbedingt. Werden die Athleten in der Hinsicht fair behandelt?
Als Athleten keine Werbung machen
Maennig: Das ist eine Frage, die ist wirklich sehr grundsätzlicher Natur, und ich als ehemaliger Athlet habe natürlich eine Sicht, die sagt, ich könnte mir schon vorstellen, dass man auch noch mehr direkt die einzelnen Olympiateilnehmer partizipieren lässt. Wir dürfen ja hier als Athleten keine Werbung machen, wir dürfen auch vor Ort, außerhalb der Wettkampfstätten, keine Werbung machen. Viele andere - und ich fang mal an jetzt bei den Medien, aber auch bei den Sponsoren und bei den Austragern hier - verdienen Geld, verdienen vielleicht angemessen Geld, vielleicht auch sehr viel Geld, nur die Athleten dürfen nichts verdienen, und ich finde schon, darüber könnte man mal nachdenken, ob das so richtig ist.
Ehring: Insgesamt das Fazit - war der Weg der Durchkommerzialisierung Olympische Spiele richtig oder war er falsch?
Maennig: Ich glaube, wir müssen den Zusammenhang sehen. 1976 waren die Olympischen Spiele in Montreal ein finanzielles Desaster. Daraufhin gab es dann für die Spiele 1984 nur noch einen einzigen Bewerber, das war aus Los Angeles eine völlig privat finanzierte Initiative ohne jegliche staatliche Zuschüsse. Das IOC war in einer Art Zwangslage und hat das akzeptieren müssen, war erpressbar geworden und hat sich einfach vorgenommen, nicht mehr erpressbar zu sein. Und das Ziel des IOC ist einfach, so viel Geld anzusparen, dass man zur Not eine Olympiade ausrichten kann, auch wenn kein Staat bereit ist, irgendetwas zu finanzieren. Und auf diesem Weg sind sie, das ist fast erreicht. Man wollte also unabhängig sein, und das kann man halt in unserer Welt, so wie wir sind, insbesondere auch, wenn man hinreichend finanzielle Sicherheit hat. Insofern habe ich Verständnis dafür, dass die olympische Familie versucht hat, ordentliche Rücklagen aufzubauen.
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