Archiv

Olympische Spiele in Tokio
"Es besteht große Gefahr, dass es zu einem Superspreader-Event wird"

Die Athleten, die zu Olympia nach Tokio reisen, werden zwar zum Großteil geimpft sein, aber sie sind nur die kleinste Gruppe. Niemand habe die Volunteers, Medienleute, Funktionäre und Trainer im Blick, kritisierte Barbara Holthus vom Deutschen Institut für Japan-Studien in Tokio, im Dlf.

Barbara Holthus im Gespräch mit Matthias Friebe |
Fußgänger in Osaka gehen mit Mundschutz spazieren.
Japan stemmt sich derzeit gegen die vierte Corona-Welle - dabei sollen in zwei Monaten die Olympischen Spiele beginnen (www.imago-images.de)
110.000 Volunteers sind für Olympia in Tokio eingeteilt. Geimpft werden sie nicht, stattdessen gibt es ein Corona-Sicherheitspaket, das seinen Namen nicht verdient: Zwei dreilagige Stoffmasken, eine Flasche Desinfektionsspray und ein Ratgeberbuch.
Die Uniformen der Freiwilligen für die Olympischen und Paralympischen Spiele in Tokio.
Ausländische Helfer fühlen sich zurückgewiesen
Olympische Spiele wären ohne Zehntausende freiwillige Helferinnen und Helfer nicht zu stemmen. Aber mit dem Ausschluss von ausländischen Zuschauern werden auch die ausländischen Helfer nicht mehr gebraucht.
"Wir Freiwilligen und lokal Beschäftigten befinden uns eben nicht in der Blase", sagte Barbara Holthus, stellvertretende Direktorin des Deutschen Instituts für Japan-Studien in Tokio im Deutschlandfunk, die bei den Spielen auch als Volunteer eingeteilt ist. "Wir fahren zu den Sportstätten und abends wieder nach Hause, deswegen ist die Gefahr, dass wir das, was wir uns auffangen, nach Hause bringen, in die Familien und die Kinder das weiter in die Schulen tragen."
"Es besteht die große Gefahr, dass es zu einem Superspreader-Event wird", sagte die Wissenschaftlerin, "es gibt keine absolute Sicherheit". Die Athleten seien zwar zum Großteil geimpft, aber sie seien nur die kleinste Gruppe. "Sie haben gerade bekannt gegeben, dass 78.000 weitere Menschen nach Japan kommen werden, Funktionäre, Coaches, Trainer, Medienleute und wie viel von denen geimpft sind, das ist ja überhaupt nicht klar."
Die Dimensionen bei den Olympischen Spielen seien ganz andere, als die anderen Sportevents, die bisher in der Pandemie ausgetragen worden sind, sagte Holthus. Das sei nicht vergleichbar und könne nicht als Beispiel herangezogen werden, sagte die Japan-Kennerin.
Eine Japanerin mit Mundschutz läuft an den Loos der Olympischen und Paralympischen Spielen in Tokio vorbei
Virologen und Intellektuelle schlagen Alarm
In Japan steigen die Infektionszahlen seit Wochen verstärkt an. Die Olympia-Organisatoren betonen, Sicherheit habe oberste Priorität. Kritiker halten dagegen, dass die Spiele trotzdem ein Superspreading-Event werden könnten.

Volle Züge, wenig Homeoffice, kaum Tests

Trotz der mittlerweile vierten Welle der Corona-Pandemie seien die Züge in Tokio zu 80 bis 90 Prozent voll, sagte Holthus. Ein Problem sei, dass die Menschen nur sehr wenig Telearbeit hätten und weiterhin viele Menschen zur Arbeit fahren und den öffentlichen Nahverkehr nutzen.
Holthus kritisierte auch, dass die vielen Tausenden von freiwilligen Helfer überhaupt nicht im Blick seien. Von Test für sie, sei noch keine Rede. "Das IOC sieht gar nicht, dass die Volunteers irgendwie bedacht werden. Ich habe so dass Gefühl, dass es immer nur um die Athleten geht." Die Impfkampagne sei in Japan "frustrierend langsam angelaufen", sagte Holthus. Selbst das medizinische Personal sei noch nicht vollständig durchgeimpft, viele hätten noch nicht mal die Erstimpfung erhalten.

Sie hoffe, dass die Spiele abgesagt werden, sagte Holthus. "Weil ich es moralisch für verwerflich halte", begründete sie ihre Meinung. Allerdings sieht sie die Chance für eine Absage nur bei zehn Prozent. "Der Drang des Geldes, die Macht des IOC, ist doch zu stark."
Olympische Flagge in Japan
"Diese Spiele finden nur noch wegen des Sponsoringgeldes statt"
Für die Organisatoren steht eine Olympia-Absage trotz Corona nicht zur Debatte. Die Sponsorengelder seien der einzige Grund, warum überhaupt noch über die Spiele gesprochen werde, sagt der Finanzexperte Michael Naraine.