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Olympische Spiele in Tokio
Ist die Olympia-Eröffnungsfeier noch zeitgemäß?

Die Sommerspiele von Tokio mit der traditionellen Feier offiziell eröffnet worden. Von den Eröffnungsfeiern gehe eine enorme symbolische, emotionale und politische Kraft aus, meint Matthias Friebe. Marina Schweizer hält dagegen, das Event strotze nur vor Selbstüberhöhung des IOC. Ein Pro und Contra.

Von Marina Schweizer und Matthias Friebe |
    Die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Tokio.
    Die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Tokio. (IMAGO / AAP)
    Zum ersten Mal in der Geschichte der Olympischen Spiele war das Stadion bei der traditionellen Eröffnungsfeier leer. Aufgrund der Corona-Pandemie finden die Spiele in Tokio in diesem Jahr komplett ohne Zuschauer statt. Zudem sind auch nicht alle Athleten vor Ort. Deutschlands Handballer, das Dressur-Team und die Segler verzichten etwa auf eine Teilnahme. Für IOC-Präsident Thomas Bach ist die Feier dagegen ein "Moment der Freude und der Erleichterung". Ist eine solche Eröffnungsfeier - vor allem in Pandemie-Zeiten - noch zeitgemäß? Ein Pro und Contra.
    Players - Podcast zu Olympia
    Welche finanziellen Verluste bringen diese „Corona-Spiele“? Wie offen ist das IOC inzwischen für politische Proteste? Und wie viel Weltpolitik wird hinter den Kulissen gemacht? „Players – der Podcast zu Olympia“ beantwortet diese und viele weitere spannende Fragen zu den Olympischen Spielen in Tokio. (Deutschlandradio)

    Pro von Matthias Fiebe: "Die Olympische Kraft ist immer noch da"

    Am 15. September 2000, kurz nach 23 Uhr Ortszeit entzündet Cathy Freeman das Olympische Feuer im Olympiastadion von Sydney. Noch heute, mehr als 20 Jahre danach, bekomme ich beim Anblick dieser Bilder eine Gänsehaut.
    Ein Moment, in dem alles passte. Ein historischer Moment, der zeigt, welch enorme Kraft von der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele ausgeht. Symbolisch, emotional und sogar politisch. Es ist ein Abend, an dem nicht nur Menschen aus aller Welt zuschauen. Es ist eine Feier für die ganze Welt, die gerade ihren Reiz aus dem Pathos und der festen, quasi-liturgischen Struktur der Rituale zieht. Apropos Feier, im Grundgedanken finden diese Spiele nicht nur statt. Es ist offiziell die "Feier der Spiele der soundsovielten Olympiade".
    Zuallererst für die Sportlerinnen und Sportler. Die ehrliche, fast kindliche Freude manch eines Sportlers, der fast schon Purzelbäume schlagend ins Stadion kommt ist ansteckend. Das alte, schon abgedroschene Motto "Dabei sein ist alles", entfaltet unter ihnen noch immer eine enorme Kraft, obwohl viele von ihnen auch laut und offen die IOC-Politik kritisieren.
    A couple takes a selfie in front of the Olympic Rings in Tokyo, Japan, 23 July 2021. The Olympic Games, Olympische Spiele, Olympia, OS will be held from 23 July to 08 August 2021. The Olympic Games Tokyo 2020 ACHTUNG: NUR REDAKTIONELLE NUTZUNG PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: xKaixFöersterlingx EVE511 20210723-50381ece204d59327052c19caf40b724e304f192
    Wie Japan trotz Corona-Pandemie Olympia durchziehen möchte
    Die Olympischen Spiele in Tokio stehen ganz im Zeichen der Corona-Pandemie. Wie ist die Stimmung im Land? Wie viel kosten die Pandemie-Spiele? Welche Corona-Maßnahmen gibt es? Fragen und Antworten.
    Sie wissen um die Schattenseiten der Spiele, darum, dass viele die Eröffnung für IOC-Propaganda halten. Das Problem ist aber nicht die ritualisierte Feier, das Problem sind nicht die zugegeben triefend-pathetisch Hymne, die Fackel, die Ringe oder der Eid, das Problem ist das IOC.
    Denn die olympische Kraft ist immer noch da, die Gedanken der gemeinsamen "Feier" der Spiele, des Olympischen Friedens und der Völkerverständigung sind aktueller denn je. Wenn das IOC sie nur besser nutzen und in Szene setzen würde.
    Denn so häufig gehen die hehren Ziele unter in der Gier nach Geld und Gewinn. Eine weise Entscheidung haben die olympischen Gründer aber getroffen: Das Staatsoberhaupt darf nur eine karge, wortwörtlich festgeschriebene Eröffnungsformel sprechen, die nicht geändert werden darf. Danach folgt der Eid – und mit der Feuer-Entzündung ist dann wieder Zeit für Gänsehaut.

    Contra von Marina Schweizer: "Feier soll Zuschauer ablenken"

    Eine olympische Liturgie – so lässt sich am besten beschreiben, was die Olympischen Eröffnungsfeiern sind: Eine Aneinanderreihung von Ritualen, Symbolen und Musik, um eine quasi-religiöse Ergriffenheit zu erzeugen. Ein Event, das vor Selbstüberhöhung des Internationalen Olympischen Komitees strotzt.
    Gegen eine unterhaltsame Feier, die dem Milliardenpublikum die Kultur des Gastgeberlandes nahebringt, wäre nichts einzuwenden. Japanische Künsterinnen und Künstler, japanische Musik, japanische Traditionen. Auch nichts gegen den Einmarsch derer, um die es bei solchen Spielen eigentlich geht: den Athletinnen und Athleten.
    Vielleicht wäre es sogar schlau, dass der Staatchef des Gastgeberlandes eine Rede halten darf. Dann würde noch mehr auffallen, mit wem das IOC Deals macht. Und das IOC würde sich vielleicht zweimal überlegen, ob es diese Bühne an Diktatoren gibt. Stattdessen hält der IOC-Präsident eine Willkommensrede und wirft mit seinen Worten die IOC-Marketing- und Umdeutungs-Maschine an.
    Eine Skulptur im neuen Museum für Afroamerikanische Geschichte zeigt die ikonische Protestgeste der beiden Olympiagewinner Tommie Smith und John Carlos mit erhobener Faust.
    "Ist an der Zeit die politische Lebenslüge des Sports zu beenden"
    Der Politologe Peter Filzmaier glaubt nicht, dass die Spiele die politischsten Spiele aller Zeiten werden, auch wenn den Sportlern politische Meinungsäußerungen nun eingeschränkt gestattet seien.
    Bei der Eröffnungsfeier in Tokio wird es dann nicht mehr alleine darum gehen, dass jetzt ein globales Sportereignis losgeht. Dass Sportlerinnen und Sportler fair sein sollen. Und dass sich dafür alle alles Gute wünschen. Das wäre angemessen und würde völlig ausreichen.
    Aber das genügt dem Eigentümer der Spiele nicht. Dass IOC will eine teure und exklusive Marke pflegen. Will weiter inszenierte Träume verkaufen, die mehr sein sollen als Sport. Deswegen bezeichnet das IOC die Spiele in Japan auch bei jeder Gelegenheit als "Leuchtfeuer der Hoffnung", das für eine friedlichere und bessere Zukunft steht. Als Licht am Ende des Tunnels der Pandemie. Und will damit vergessen machen, dass die Spiele in Japan IN der Pandemie durchgezogen werden. Die Eröffnungsfeier soll die Zuschauer davon ablenken, aber mit dem Wissen von heute kann ich dieses Zeremoniell nicht mehr unbeschwert wie früher als Kind ansehen. Die Inszenierung verfängt nicht mehr. Eine schlankere Feier ohne überzogene Rituale würde den Blick auf die Wirklichkeit freier machen.