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Olympische Spiele in Tokio
"Wenn die Spiele stattfinden, wird es auch ein Team D geben"

Die Absage an die ausländischen Zuschauer bei den Olympischen Spielen in Tokio sei bedauerlich, die Sicherheit gehe aber vor, sagte DOSB-Präsident Alfons Hörmann im Dlf. Für eine generelle Absage der Spiele sieht er keinen Grund. Er vertraue in professionelle Hygienekonzepte und das Verantwortungsbewusstsein der Athleten.

Alfons Hörmann im Gespräch mit Maximilian Rieger |
Düsseldorf: Alfons Hörmann, Präsident DOSB, spricht nach seiner Wiederwahl auf der Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes.
Alfons Hörmann, Präsident des DOSB, nach seiner Wiederwahl (Guido Kirchner/dpa/picture-alliance)
Maximilian Rieger: Herr Hörmann, Japan hat entschieden, dass keine ausländischen Fans zu den Olympischen Spielen reisen dürfen. Wie bewerten Sie diese Entscheidung?
Alfons Hörmann: Die Entscheidung hat sich ja in den vergangenen Tagen/Wochen abgezeichnet und ist für uns in keiner Weise überraschend. Wenn man über Sicherheitskonzepte für die Spiele nachdenkt und solche konzipiert, dann liegt es nahe, gerade den internationalen Reise-Tourismus deutlich einzuschränken. Für die Olympia-Fans weltweit natürlich eine Enttäuschung, aber für die Athletinnen und Athleten, ob im Team D oder alle anderen Nationen, aber auch für die Betreuerinnen und Betreuer und nicht zuletzt für die Bürger von Tokio ein wichtiges Signal, weil damit sicher ein wesentlich besseres, ein professionelleres Hygienekonzept umsetzbar ist, als das mit Zehn- oder Hunderttausenden internationalen Gästen der Fall gewesen wäre.

"An der Stelle geht einfach die Sicherheit vor"

Rieger: Welche Folgen hat das aus ihrer Sicht für den Charakter der Spiele? Olympische Spiele sind ja auch immer eine Art Völkerverständigung. Jetzt dürfen die Völker praktisch nicht einreisen. Kann man es dann nicht gleich lassen?
Hörmann: Aus unserer Sicht ist zuallererst einmal wichtig, dass die Völkerverständigung im olympischen Dorf stattfindet. Wenn 10.000 Athletinnen und Athleten über 206 Nationen verteilt, im olympischen Dorf diesen völkerverbindenden Charakter praktizieren, ist es ein entscheidendes Kernelement der Olympischen Idee. Wenn circa 20 bis 30.000 Betreuer und sonstige Verantwortungsträger das Gleiche tun, dann wird der internationale Geist gelebt. Dass es herzlich gerne natürlich auch über viele Zuschauer umgesetzt werden sollte, ist vollkommen klar.
Aber an der Stelle geht einfach die Sicherheit vor. Und dann gilt, bestimmte Kompromisse einzugehen. Oder man könnte auch sagen, bestimmte Opfer zu bringen. All unsere Befragungen der Athletinnen und Athleten zeigen deutlich und klar, dass die Athleten dafür werben, egal wie, die Spiele sollten, wenn irgend möglich stattfinden.
Eine aufgestellte Skulptur der Olympischen Ringe in einer Strasse von Tokio wirft lange Schatten
Olympische Spiele in Pandemiezeiten - Nur scheinbare Wahlfreiheit für Athleten und Athletinnen
Spätestens die massenhaften Ansteckungen bei der Leichtathletik-EM zeigen: Die Hygienemaßnahmen wirken nicht so, wie sie sollen. Und deshalb sind Olympische Spiele eine schlechte Idee, kommentiert Marina Schweizer. Für die Sportler geht es um Karriere und Gesundheit, sie stecken in einer Zwangslage.
Rieger: Jetzt haben Sie das Stichwort Sicherheit gerade schon angesprochen. Auch darüber wurde in den vergangenen Tagen viel diskutiert. Denn nach der Leichtathletik-EM in Torun hat es mehr als 50 positive Fälle unter Athletinnen und Athleten und Betreuern gegeben. Dazu auch nach dem Fecht-Weltcup in Budapest. Auch da ungefähr 30 Infizierte. Ist es da jetzt nicht an der Pflicht des DOSB zu sagen, wir schützen unsere Athletinnen und Athleten, weil es offensichtlich nicht möglich ist, internationale Sportwettbewerbe durchzuführen, ohne ein Superspreading zu riskieren und zu sagen, wir fahren nicht nach Tokio.
Hörmann: Man muss genau solche Fälle kritisch analysieren und sachgerecht bewerten. Wir vergleichen diese Veranstaltungen mit unzähligen weiteren, die in den vergangenen Wochen und Monaten national wie international erfolgreich umgesetzt worden sind. Alles, was aus den ersten Berichten und Voruntersuchungen erkennbar wird, deutet darauf hin, dass vor Ort in den beiden Fällen zum Teil verantwortungslos agiert wurde, dass Funktionäre beispielsweise auch hochrangige oder höchstrangige, Foto-Einheiten absolviert haben, dass die Abstände zwischen den Sportlern und den Betreuern nicht ansatzweise so konzipiert waren, wie man das in Pandemiezeiten erwarten kann.
Und deshalb sind wir fest davon überzeugt, dass professionelle Hygienekonzepte gebündelt oder verbunden mit einem hohen Maß an Verantwortungsbewusstsein und der notwendigen Sensibilität sowohl der Athletinnen und Athleten als auch der anderen Betreuer und Besucher dazu führen können, dass sichere Veranstaltungen umsetzbar sind. Also wir sehen keinerlei Grund, eine generelle Absage an irgendwelche Sportveranstaltungen auszusprechen, sondern ganz im Gegenteil, rufen all diejenigen, die in der Verantwortung sind und auch unsere Athletinnen und Athleten dazu auf, in der Professionalität und Verantwortungs-Orientierung unterwegs zu sein, wie man das in Zeiten wie diesen erwarten kann.

"Kein Athlet wird gezwungen, an den Olympischen Spielen teilzunehmen"

Rieger: Aber jetzt hatten die deutschen Fechter einen eigenen Campingkocher mit, um nicht in das Hotelrestaurant zu müssen. Sie haben sich komplett abgesondert, berichten sie. Sie standen sogar in der Halle an einer eigenen Ecke und hatten keinerlei Kontakt. Und trotzdem sind zwei deutsche Fechter infiziert. Und die glauben, sie haben sich tatsächlich beim Sport machen infiziert, dem einzigen Moment, wo sie keinen Mundschutz anhatten. Das muss doch eine Konsequenz haben. Und wenn es eine Konsequenz hat, kann es doch eigentlich nur heißen: Anscheinend kann man sich eben doch beim Sport infizieren. Und dann ist es nicht sicher, Olympische Spiele durchzuführen, zumindest nicht innerhalb von geschlossenen Räumen.
Hörmann: Alle Erfahrungen der vergangenen zwölf Monate zeigen, dass Sport treiben in hoher Verantwortung und entsprechender Professionalität nicht dazu führt, dass irgendwelche Superspreading-Ereignisse entstehen. In den beiden konkreten Fällen gilt es jetzt kritisch zu prüfen. Gilt es auch bei der Fechtmannschaft nochmal selbstkritisch darüber nachzudenken, ob tatsächlich alles dafür getan wurde, nicht infiziert zu werden.
Eine Dosis Impfstoff wird vorbereitet, um Senioren in einem Pflegheim gegen Corona zu impfen.
Impfen - Steffel (CDU): Sportlern eine klare Antwort geben
Sollten deutsche Athleten vor den Olympischen Spielen geimpft werden? Ja, meint Frank Steffel, CDU-Obmann im Sportausschuss. Er sagte im Dlf, dass der Sport an dieser Stelle offensiver sein müsste.
Rieger: Aber Herr Hörmann, wie viel mehr kann man denn machen, als sich einen Campingkocher mitzunehmen, um das Hotel zu meiden? Also wieviel mehr kann man denn auch im Olympischen Dorf machen? Die bisherigen Play-Books für die Athletinnen und Athleten haben genau die gleichen, relativ allgemeinen Hygienekonzepte wie Händewaschen, Abstand halten und Maske tragen. Da ist nichts Besonderes entwickelt worden, um zum Beispiel auch auf die britische Mutante reagieren zu können.
Hörmann: Wir sind fest davon überzeugt, dass die japanischen Organisatoren und das IOC alles dafür tun werden, dass sichere Spiele umgesetzt werden können. So wie zig andere Veranstalter genau das Gleiche getan haben. Wir sind fest davon überzeugt, dass die Teams, die dort anreisen und unser Team D auch mit voller Unterstützung und absolut professioneller Betreuung durch uns und durch die betroffenen Fachverbände mit dem notwendigen Fingerspitzengefühl und Augenmaß unterwegs sind. Ob das bei den Fechtern jetzt der Fall war, können wir nicht beurteilen.
Wir waren weder in der Verantwortung noch vor Ort. Am Ende, um es aber auch einfach auf den Punkt zu bringen, wird kein Athlet, weder einen Fechter noch sonst wer, wird gezwungen, an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Es obliegt jedem einzelnen für sich zu entscheiden, ob er sich unter den gegebenen Rahmenbedingungen, ob er sich unter den gegebenen Umständen nach Tokio begeben wird oder nicht.

"Wenn die Spiele stattfinden, wird es auch ein Team D geben, das an den Spielen teilnimmt"

Rieger: Ab wann ist denn der Punkt erreicht, wo sie als die DOSB sagen, jetzt ist zu viel. Jetzt fahren wir nicht mehr. Gibt es darüber schon Diskussionen? Haben sie da Szenarien entworfen, wann sie diese Entscheidung treffen würden?
Hörmann: Wir sehen keinerlei Grund, der dazu führen könnte, dass wir für uns eine solche Entscheidung treffen, sofern das IOC und Japan zu sicheren Spielen einladen. Das heißt, dann wenn die Spiele stattfinden, wird es auch ein Team D geben, das an den Spielen teilnimmt.
Rieger: Würde der DOSB auch noch aus Japan abreisen, wenn man vor Ort merkt, dass die Hygienemaßnahmen zu lax sind oder nicht eingehalten werden?
Hörmann: Wir haben keinerlei Zweifel, dass dieser Zustand nicht entsteht.*
*Auf Nachfrage nach Ausstrahlung des Interviews stellte der DOSB klar, dass er damit rechnet, dass die Hygienemaßnahmen eingehalten werden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.