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Fahnenträger Tiersch bei Olympia 1972
"Das war damals schon ein sehr bewegender Moment"

Gunther Tiersch trug mit 18 Jahren die olympische Flagge bei der Eröffnungsfeier ins Münchner Olympia-Stadion. Bis heute für ihn ein "bewegender Moment" - trotz eines kleinen Fauxpas beim Hissen der Fahne. Für die Zukunft kann er sich auch in Deutschland wieder Olympische Spiele vorstellen.

Gunther Tiersch im Gespräch mit Matthias Friebe |
Die Mannschaft des deutschen Gold-Achter (Rudern) von Mexiko 1968 trägt die Olympische Fahne feierlich ins Stadion: (l-r): Egbert Hirschfelder, Rüdiger Henning, Steuermann Gunther Tiersch, Schlagmann Horst Meyer, Jörg Siebert, Roland Böse, Niko Ott und Dirk Schreyer. Blick in das Münchener Olympiastadion während der Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele am 26. August 1972.
Die olympische Flagge wurde von den Ruderern des Deutschlandachters von Mexiko 1968 ins Stadion getragen (picture-alliance / dpa / Olympische Spiele)
Gunther Tiersch, der über viele Jahre als Meteorologe im ZDF vor der Kamera stand, war gerade mal 14 Jahre alt, als er bei den Olympischen Spielen im Deutschlandachter als Steuermann die Goldmedaille gewann. Vier Jahre später, bei den Olympischen Spielen im eigenen Land, wurde einem der jüngsten deutschen Goldmedaillengewinner erneut eine große Ehre zu Teil: Der 18-Jährige war einer von acht Mitgliedern des Deutschlandachters, der bei der Eröffnungsfeier in München 1972 die olympische Flagge ins Stadion trug.
Olympische Spiele 1968 in Mexiko, Siegerehrung Achter mit Steuermann: Olympiasieger BR Deutschland mit Horst Meyer, Dirk Schreyer, R¸diger Henning, Wolfgang Hottenrott, Lutz Ulbricht, Egbert Hirschfelder, Jörg Siebert, Niko Ott, Gunther Tiersch
Olympische Spiele 1968 in Mexiko: Gunther Tiersch (ganz rechts) gewinnt als Steuermann des deutschen Ruderachters die Goldmedaille (imago / WEREK / imago sportfotodienst)
"Das war damals schon ein sehr bewegender Moment", Gunther Tiersch rückblickend. Denn anders als bei den Spielen zuvor, wurde die Fahne nicht von Marinesoldaten oder Polizisten, sondern von den weiß gekleideten Ruderern des Deutschlandachters von Mexiko 1968 ins Stadion getragen.

Kleiner Fauxpas bei der Eröffnungsfeier

Bereits Wochen vor der Eröffnung hatte Tiersch mit seinen Ruderkameraden geprobt. Im Takt der Musik marschierten sie mit der Fahne ins Stadion und platzierten sie mit dem letzten Ton oben auf dem Fahnenmast. Doch der "großartige Moment" hatte seine kleinen Schattenseiten, erinnert sich Tiersch heute mit einem Lachen: "Während der Eröffnungsfeier standen wir um den Fahnenmast drumrum und dann haben wir diese Fahne hochgezogen. Einer von uns war ein bisschen langsam. Wir haben ihm gesagt, er soll ein bisschen schneller ziehen. Aber er hat sich nicht aus der Ruhe bringen lassen und dann war die Musik zu Ende und die Flagge hing also 1,50 Meter unterhalb der Spitze." Am nächsten Tag saß die Fahne dann dort, wo sie sitzen sollte: ganz oben auf dem Mast.
Bildnummer: 06845782  Datum: 26.08.1972  Copyright: imago/Ferdi HartungDie Mitglieder des vier Jahre zuvor siegreichen Deutschland Achters hissen die Olympiafahne: Horst Meyer, Rüdiger Henning, Dirk Schreyer, Egbert Hirschfelder, Jörg Siebert, Niko Ott, Roland Boese und Gunther Tiersch - Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele 1972 in München; 203-1 TeilA vsw vneg xub hoch  o0 OS Spiele Sommer Eröffnung Eröffnungsfeier Totale Zeremonie Os Sommer München Olympische Sommerspiele Spiele o0 BR BRD Rudern Herren 8er Objekte Fahne ZuschauerImage number 06845782 date 26 08 1972 Copyright imago Ferdi Hartung The Members the Four Years before victorious Germany Achters Hoisting The Olympic flag Horst Meyer Rüdiger Henning Dirk Schreyer Egbert Hirschfelder Jörg Siebert Nikolaos Ott Roland Boese and Gunther  Opening ceremony the Olympic Summer Games 1972 in Munich 203 1  Vsw Vneg xub vertical o0 OS Games Summer Opening Opening ceremony long shot Ceremony OS Summer Munich Olympic Summer Games Games o0 BR Germany Rowing men 8er Objects Flag Spectators
Die Flagge hing 1,50 m unterhalb der Spitze, erinnert sich Fahnenträger Gunther Tiersch (imago sportfotodienst / imago sportfotodienst)

München zeigte ein anderes Deutschland

Neben dieser Anekdote blieb bei ihm von den Olympischen Spielen vor 50 Jahren vor allem ein "freundliches Bild hängen" - trotz des Attentats. "Deutschland hat sich erstmals ganz anders präsentiert. Man hat versucht, Deutschland anders darzustellen und das ist ja auch gelungen - 1936 war das ja noch anders", sagt Gunther Tiersch.

Mit dem Attentat verflog die Heiterkeit

Der damals 18-Jährige erlebte heitere Tage und Spiele in München, bis zu jenem 5. September 1972. Damals entführen palästinensische Terroristen die israelische Delegation. Elf Israelis, fünf Geiselnehmer und ein Polizist starben. Ein schwarzer Tag, für die olympische Bewegung, für Gastgeber Deutschland und natürlich auch für Israel. 50 Jahre später sollen die Angehörigen der Opfer nun entschädigt werden. Tiersch begrüßte im Deutschlandfunk den ersten Schritt einer Ausgleichszahlung für die Hinterbliebenen des Olympia-Attentats von 1972. "Aber ich glaube, es ist noch viel aufzuarbeiten, von dem, was in Fürstenfeldbruck bei dem Befreiungsversuch der Polizei tatsächlich schief gelaufen ist. Wir haben noch die Schuld, das aufzuarbeiten", sagt der ehemalige Olympia-Teilnehmer.

Deutschland als Ort für andere Spiele?

Dennoch bleibt für ihn das großartige Erlebnis von Olympischen Spielen in Deutschland. Für den Sport und die Gesellschaft sei es wichtig, dass es solche Großereignisse weiter gebe. Tiersch gilt als Befürworter von Olympischen Spiele in Deutschland. "Vielleicht kann man ja versuchen, diese zukünftigen Olympischen Spiele wieder ein bisschen runterzufahren. Da bin ich mir nicht sicher, ob einem das gelingt, aber vielleicht wäre Deutschland ein Ort, wo man das vielleicht auch wieder hinkriegen könnte, ohne die großen Voraussetzungen, die das IOC bedingt", sagt Tiersch.