Gunther Tiersch, der über viele Jahre als Meteorologe im ZDF vor der Kamera stand, war gerade mal 14 Jahre alt, als er bei den Olympischen Spielen im Deutschlandachter als Steuermann die Goldmedaille gewann. Vier Jahre später, bei den Olympischen Spielen im eigenen Land, wurde einem der jüngsten deutschen Goldmedaillengewinner erneut eine große Ehre zu Teil: Der 18-Jährige war einer von acht Mitgliedern des Deutschlandachters, der bei der Eröffnungsfeier in München 1972 die olympische Flagge ins Stadion trug.
"Das war damals schon ein sehr bewegender Moment", Gunther Tiersch rückblickend. Denn anders als bei den Spielen zuvor, wurde die Fahne nicht von Marinesoldaten oder Polizisten, sondern von den weiß gekleideten Ruderern des Deutschlandachters von Mexiko 1968 ins Stadion getragen.
Kleiner Fauxpas bei der Eröffnungsfeier
Bereits Wochen vor der Eröffnung hatte Tiersch mit seinen Ruderkameraden geprobt. Im Takt der Musik marschierten sie mit der Fahne ins Stadion und platzierten sie mit dem letzten Ton oben auf dem Fahnenmast. Doch der "großartige Moment" hatte seine kleinen Schattenseiten, erinnert sich Tiersch heute mit einem Lachen: "Während der Eröffnungsfeier standen wir um den Fahnenmast drumrum und dann haben wir diese Fahne hochgezogen. Einer von uns war ein bisschen langsam. Wir haben ihm gesagt, er soll ein bisschen schneller ziehen. Aber er hat sich nicht aus der Ruhe bringen lassen und dann war die Musik zu Ende und die Flagge hing also 1,50 Meter unterhalb der Spitze." Am nächsten Tag saß die Fahne dann dort, wo sie sitzen sollte: ganz oben auf dem Mast.
München zeigte ein anderes Deutschland
Neben dieser Anekdote blieb bei ihm von den Olympischen Spielen vor 50 Jahren vor allem ein "freundliches Bild hängen" - trotz des Attentats. "Deutschland hat sich erstmals ganz anders präsentiert. Man hat versucht, Deutschland anders darzustellen und das ist ja auch gelungen - 1936 war das ja noch anders", sagt Gunther Tiersch.
Mit dem Attentat verflog die Heiterkeit
Der damals 18-Jährige erlebte heitere Tage und Spiele in München, bis zu jenem 5. September 1972. Damals entführen palästinensische Terroristen die israelische Delegation. Elf Israelis, fünf Geiselnehmer und ein Polizist starben. Ein schwarzer Tag, für die olympische Bewegung, für Gastgeber Deutschland und natürlich auch für Israel. 50 Jahre später sollen die Angehörigen der Opfer nun entschädigt werden. Tiersch begrüßte im Deutschlandfunk den ersten Schritt einer Ausgleichszahlung für die Hinterbliebenen des Olympia-Attentats von 1972. "Aber ich glaube, es ist noch viel aufzuarbeiten, von dem, was in Fürstenfeldbruck bei dem Befreiungsversuch der Polizei tatsächlich schief gelaufen ist. Wir haben noch die Schuld, das aufzuarbeiten", sagt der ehemalige Olympia-Teilnehmer.
Deutschland als Ort für andere Spiele?
Dennoch bleibt für ihn das großartige Erlebnis von Olympischen Spielen in Deutschland. Für den Sport und die Gesellschaft sei es wichtig, dass es solche Großereignisse weiter gebe. Tiersch gilt als Befürworter von Olympischen Spiele in Deutschland. "Vielleicht kann man ja versuchen, diese zukünftigen Olympischen Spiele wieder ein bisschen runterzufahren. Da bin ich mir nicht sicher, ob einem das gelingt, aber vielleicht wäre Deutschland ein Ort, wo man das vielleicht auch wieder hinkriegen könnte, ohne die großen Voraussetzungen, die das IOC bedingt", sagt Tiersch.