Die Entscheidung, keine ausländischen Gäste in die Stadien zu lassen, ist bei einem Treffen zwischen Vertretern der japanischen Regierung, des Internationalen Olympischen Komitees und der Tokioter Stadtverwaltung gefallen. Bereits vor drei Wochen hatte die Vorsitzende des Nationalen Olympischen Komitee, Hashimoto, angedeutet, eine solche Entscheidung könne nötig werden, um Sorgen der Bevölkerung aufzugreifen. Das Besuchsverbot für ausländische Zuschauer gilt auch für die anschließenden Paralympics in Tokio. Dadurch soll das Infektionsrisiko begrenzt werden.
Rücksicht auf die japanische Gesellschaft
Das Verbot habe sich bereits Anfang März abgezeichnet, sagte der Journalist Felix Lill im Dlf. Schon zu diesem Zeitpunkt habe die Nachrichtenagentur Kyodo mit Verweis auf interne Quellen berichtet, dass Ticketbesitzer aus dem Ausland nicht ins Land gelassen würden. Der Schritt sei deshalb nicht überraschend, so Lill. "Der Beschluss ist auch im Lichte dessen zu sehen, was die neue Vorsitzende des Organisationskomitees, Seiko Hashimoto, bei ihrer Antrittsrede Mitte Februar gesagt hat. Nachdem die Olympischen Spiele im Land inmitten der Pandemie sehr unbeliebt geworden sind, wolle sie sich bemühen, dass die japanische Gesellschaft wieder hinter der Veranstaltung steht."
77 Prozent der Japanerinnen und Japaner hätten bei einer Umfrage angegeben, unter den Umständen der Pandemie keine ausländischen Zuschauer bei Olympia zu wollen.
Das IOC habe die Entscheidung als schwierig, aber nachvollziehbar bewertet. Die Nachrichtenagentur Kyodo sieht die Entscheidung hingegen als ein Zeichen der Schwäche von Premierminister Yoshihide Suga. Der habe sich seit Beginn der Pandemie immer wieder darum bemüht, die für die Wirtschaft wichtige Tourismusbranche am Leben zu halten. "Mit Blick auf Olympia wurde hier extrem viel Geld investiert, ganz neue Hotels erst gebaut. Dass die nun leer bleiben werden, wollte Suga eigentlich vermeiden. Aber nun muss auch er der Gesundheitspolitik den Vortritt gegenüber der Wirtschaft geben."
Hohe finanzielle Verluste
Finanziell könnte eine Gesamtabsage an Zuschauer in den Stadien laut einer Analyse von Katsuhiro Miyamoto, Professor der Kansai Universität aus Osaka, einen Verlust von 19 Milliarden Euro nach sich ziehen. Sollten, wie aktuell noch geplant, Zuschauer aus dem Inland zugelassen werden, schätzt Miyamoto die Ausfälle auf gut 12 Milliarden Euro. Inwieweit am Ende Zuschauer aus dem Inland in die Stadien dürfen, soll erst im April entschieden werden, so Lill.
Die Absage an die ausländischen Gäste habe jedoch noch weitere Nachteile für das Land, meint Lill. In Japans Politik habe man in diesem Jahr einen typischen Reflex erlebt: "Man igelt sich ein". Und das stehe genau im Gegensatz zum Motto der Spiele "Unity in Diversity" – Einheit in Vielfalt. Dabei hätte es Alternativen gegeben - zum Beispiel eine Impfung als Voraussetzung für einen Besuch im Sommer, sagt Lill.
"Einigeln" ist typisch
Diese "Einigeln" sei typisch, so Lill. "In Japan erlebt man es als Ausländer schon häufiger, auf seine Eigenschaft als Ausländer reduziert zu werden. Oft unterscheiden Menschen auch zwischen Japan und dem Rest der Welt. Und das wird häufig mit der Geschichte des Landes erklärt." In einer 250-jährigen Periode ab Anfang des 17. Jahrhunderts sei der Austausch mit der Außenwelt völlig reduziert gewesen, Ein- und Ausreise waren verboten. Die Periode der Abschottung werde heute oft als sehr fruchtbare Zeit für die japanische Kultur verstanden. Daraus lasse sich auch schließen, "dass man äußere Einflüsse eben doch nicht so sehr nötig hat." Diese Tendenz eines in Japan typischen Denkens spiegele sich auch in der aktuellen Entwicklung um die Olympischen Spiele wieder, sagt Lill.