Klaus Zeyringer ist Germanist und auch Autor. Er hat mehrere Bücher rund um Fußball und Fankultur, und auch eine Kulturgeschichte der Olympischen Spiele geschrieben. Darin geht es auch um die jüngsten Vermarktungsstrategien des IOC. Die Spiele in Tokio wurden vom IOC beispielsweise als „Leuchtfeuer der Hoffnung“ dargestellt – im Zusammenhang mit den vielen Einschränkungen durch die Corona-Pandemie.
Bei den Spielen in Paris hatte Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron erst eine Vision des Friedens vor Augen, weiß Zeyringer. Allerdings war das durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und die Konflikte im Nahen Osten nicht mehr umsetzbar.
„Jetzt will er einen Elan des gesamten französischen Volkes“ und Nachhaltigkeit der Spiele, so Zeyringer im Dlf-Interview. „Aber wie immer sind das Visionen, die angekündigt werden, die dann aber nie eintreten."
Schon vorab der Spiele hapert es mit der einstimmigen Unterstützung der Spiele durch das französische Volk: Denn bei einer Umfrage im April gaben ein Drittel der befragten Franzosen und Französinnen an, dass ihnen die Spiele gleichgültig wären.
Paris könnte "ein Fest des Chauvinismus" werden
Mehr Begeisterung könnten jetzt nur französische Erfolge und Euphorie in den Stadien während der Spiele wecken, sagt Zeyringer, der selbst lange in Frankreich gelebt hat: „Das wir dann auch ein Fest des Chauvinismus.“
Ansonsten seien die Spiele eher eine Belastung für die Bevölkerung, findet Zeyringer: die Zentralisierung auf Paris, bisher kaum umgesetzte Baumaßnahmen im öffentlichen Nahverkehr, steigende Preise auf dem Wohnungsmarkt und in der Gastronomie, aber von Seiten der Politik nur Beschwichtigungen, zählt der Autor auf.
„Für die Bevölkerung ist das nicht wirklich großartig“, ergänzt er, die Politik habe zum Beispiel auch aufgerufen: „Man möge keine Pakete bestellen, damit die Post nicht im Stau stecken bleibt.“
Olympische Spiele waren seit ihrer Gründung politisch
Durch seine Recherchen und Erfahrungen weiß Zeyringer, dass die Olympischen Spiele immer politisch sind und auch so genutzt werden: „Spiele sind immer politisch brisant, weil sehr viel im Hintergrund steckt.“
Schon die Gründung der modernen Olympischen Spiele 1894 war politisch geprägt, erinnert Zeyringer, denn damals waren die Deutschen nicht zur Gründung eingeladen, weil sie zuvor im Jahr 1871 Kriegsgegner der Franzosen gewesen sind.
„Also die Politik ist da immer im Hintergrund, wenn nicht sogar im Vordergrund“, sagt Zeyringer. Und man wüsste aus all den Jahren, „dass die Völkerverständigung maximal im olympischen Dorf stattfinden kann und der Rest Illusion ist.“
Auch Macron mache mit den Spielen Politik und darüber hinaus bedingt die aktuelle angespannte Weltlage, dass auch andere versuchen könnten, die Spiele für sich zu nutzen, beispielsweise durch Attentate.
Weniger Gigantismus, dafür ein Turm auf einem Korallenriff
Zumindest der Gigantismus habe sich durch die Austragung in Paris etwas zurückentwickelt: Es werden keine neuen Sportgroßbauten errichtet und auch beim CO2-Ausstoß gebe es Verbesserungen. Allerdings, schränkt Zeyringer ein, wird dafür vor Tahiti ein Richterturm auf einem Korallenriff errichtet, um die Surf-Wettbewerbe besser übertragen zu können.
„Ich fürchte, dass auf Dauer nicht viel übrig bleiben wird", antwortet Zeyringer auf die Frage nach dem Erbe der Spiele. Auch bei den anderen Spielen "ist nicht das geblieben, was man sich zuvor versprochen hat, wenn man genau hinsieht. Man kann dann natürlich schon alles mögliche erzählen. Dafür muss man allerdings die genaue Analyse ausschalten."