Beim Hockeyspiel der britischen Frauenmannschaft steht Kate Richardson-Walsh an der Mittellinie. Die Spielführerin und Rekordnationalspielein schaut, wie ihre Teamkolleginnen sich dem gegnerischen Tor nähern. Eine davon ist Helen Richardson-Walsh – seit drei Jahren ihre Ehefrau. Die beiden sind das erste homosexuelle, verheiratete Paar in der Geschichte der Olympischen Spiele – und zwei von mindestens 44 homosexuellen Athleten in Rio. Die Zahl ist fast doppelt so hoch wie noch vor vier Jahren in London.
Sie starten in einem Land, das zwar in Sao Paulo die weltweit größte Homosexuellen-Parade abhält und in dem die gleichgeschlechtliche Ehe seit 2013 gesetzlich verankert ist.
Dennoch gibt es jede Mege Gewalt gegen Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transgender, kurz LGBT – so auch in Rio, sagt Erico Santos, der Vorsitzende des brasilianischen LGBT-Verbandes. "Es herrscht starke Homophobie. Im Vorjahr wurden rund 400 Menschen mit anderen sexuellen Präferenzen ermordet, 300 davon waren Transsexuelle. Warum kann die Stadt nichts für sie tun, ihnen einen Platz anbieten? Viele Menschen denken, Rio sei eine tolle Stadt, aber für LGBT's ist Rio ein gefährlicher Ort.”
Santos leitet zusammen mit Jeferson Sousa das Pride House, die Anlaufstelle für Homosexuelle, Bisexuelle und Transgender bei diesen Sommerspielen. Seit Vancouver 2010 gibt es bei Olympia derartige Treffpunkte. In Rio ist es ein Haus im Stadtzentrum, in dem für gewöhnlich rund 20 Transsexuelle wohnen. Durch die finanzielle Hilfe privater Investoren ist ein Budget von 7000 Dollar zusammengekommen.
Angst in der LGBT-Gemeinde, auch in Rio
Mit dem Geld werden zahlreiche Angebote unterbreitet – von Konferenzen, über Sport bis hin zum Entspannen. Bis zum Ende der Spiele am Sonntag ist das Pride House noch geöffnet. Bislang war es gut besucht, sagt Sousa. Er will eine klare Botschaft in die Welt hinausschicken. "LGBT's haben generell Angst, unter anderem auch davor, Sport zu treiben oder nach Rio zu kommen. Wie wollen ihnen sagen: "Ihr seid nicht allein. Kommt zu uns, teilt eure Erfahrungen.”
Das Internationale Olympische Komitee, IOC, hat vor einigen Jahren eine Anti-Diskriminierungs-Klausel in den Vertrag für Gastgeber-Städte von Sommer- und Winterspielen aufgenommen. Sie basiert auf Grundsatz 6 der Olympischen Satzung.
Das klingt gut. Doch als die Macher des Pride Houses in Rio sich an das IOC wandten, als es darum ging, einen Ort für ihre Anlaufstelle zu finden, bekamen sie keine Antwort – auch nicht von der Stadt oder dem Staat.