Ein großes Thema sind die Olympischen Winterspiele in Peking noch nicht in China. Das gilt vor allem für den südlichen Landesteil, wo sich die allermeisten Menschen mit dem Thema Wintersport noch nie in ihrem Leben beschäftigt haben. "Ich weiß, wo das stattfindet, sonst aber nichts," sagt ein Mann, Anfang 40 aus Shanghai. "Das ist auf jeden Fall gut fürs Land, gut für unser Image! Aber Wintersport interessiert mich nicht. Ich finde Fußball gut."
"In China sollen nun 300 Millionen Leute dazu gebracht werden, sich zu begeistern und Wintersport zu betreiben," sagt ein Sportjournalist, der sich seit Jahren mit Olympia beschäftigt, seinen Namen aber aus Angst vor Ärger nicht nennen will. "Die Realität sieht so aus: Nur wenige interessieren sich in China bisher für Wintersport. Und nur wenige Landesteile eignen sich überhaupt dazu, Wintersport zu betreiben, entsprechend zu trainieren und entsprechende Athleten hervorzubringen."
Spiele rücken ins Bewusstsein der Menschen
Auch wenn von Olympia-Euphorie bisher nicht viel zu sehen ist in China: 500 Tage vor Beginn rücken die Winterspiele zunehmend ins Bewusstsein der Menschen. So begegnet einem immer häufiger das blaurotgelbe Logo der Spiele: auf Bierflaschen, auf Plakaten an Flughäfen und als kleiner Sponsoring-Hinweis auf der monatlichen Stromrechnung.
"Die Sportstätten rund um Peking sind bald fertig und es bilden sich nun auch so langsam die Sport-Teams," sagt Piao Xuedong vom offiziellen Olympia-Organisations-Komitee im staatlichen Sender BTV. "Wir sind gut vorbereitet und bald wird wieder alles normal laufen."
Dieser Hinweis bezieht sich auf die Folgen der Coronakrise. Offiziell sind die möglichen Folgen der Pandemie auf die Winterspiele 2022 kein Thema für den staatlichen Veranstalter. Aber hinter vorgehaltener Hand sagen Sportexperten: Covid19 ist natürlich ein Riesenthema im Pekinger Orga-Team. Ob der Zeitplan zu halten ist, ob China bis Anfang 2022 überhaupt seine Grenzen wieder für Ausländer öffnet und ob die heimischen Sportler auf internationalen Wettkämpfen fitgemacht werden können – das ist alles offen.
Über diese Dinge zu Reden ist tabu in China. Vom staatlichen Olympia-Organisationskomitee heißt es: Wir wollen nur mit Journalisten zusammenarbeiten, die sich ausschließlich für den Sport interessieren. Also: Keine kritischen Fragen zu den Corona-Folgen, nichts zu möglichen Verzögerungen und schon gar nichts zu den Boykottaufrufen, die es weltweit gibt.
Aktivistin: "Ironisch, dass Spiele in Peking stattfinden"
"Wir empfinden das als ironisch, dass die Olympischen Spiele – die Frieden und Menschenwürde vermitteln sollen – ausgerechnet in Peking stattfinden," sagte die Aktivistin Irade Kashgary Ende Juli in der Deutschen Welle. "Wir fordern, dass das IOC die Spiele nur an Gastgeber vergibt, die sich an die Grundwerte halten, die in der Olympische Charta festgeschrieben sind."
Aktivistin Kashgary arbeitet für der Organisation "No Rights, no games". Das ist eine von mehr als 320 nichtstaatlichen Organisationen weltweit, die Anfang September einen offenen Brief unterzeichnet haben, in dem gefordert wird, China die Winterspiele 2022 wieder wegzunehmen – angesichts der staatlichen Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang, Hongkong und Tibet etwa.
Chinas Staats- und Parteiführung wies die Anschuldigungen und den offenen Brief zurück: Einige "so genannte" Organisationen wollten die Pekinger Winterspiele politisieren, sagte Regierungssprecher Zhao Lijian in Peking. Das widerspreche dem Geist der Olympischen Idee.
Streit mit Wintersport-Nationen
Ausgerechnet mit den erfolgreichen Wintersport-Nationen Kanada, USA, Schweden und Tschechien hat die chinesische Führung zur Zeit heftigen diplomatischen Steit. Ein möglicher Boykott dieser Staaten würde den Winterspielen sportlich gesehen schwer schaden.
Deutlich wird: Chinas Staatsführung ist 500 Tage vor Beginn der Winderspiele in Peking nervös. Sport-Unis im ganzen Lande wurden angewiesen, nicht mit ausländischen Medien über Olympia zu sprechen.